Foto: epd-bild/Norbert Millauer
Tempelpräsident Ernst Husz vor dem Mormonentempel im sächsischen Freiberg.
Makelloser Glanz und entrückte Atmosphäre
Vor 30 Jahren startete mitten im DDR-Sozialismus der Bau des ersten deutschen Mormonentempels
Alles sieht aus wie neu. Doch der Betrieb im Freiberger Mormonentempel läuft schon seit fast drei Jahrzehnten. Für Nichtmormonen endet der Besuch allerdings im Vorraum.
23.04.2013
epd
Marius Zippe

Es sind Perfektionisten am Werk. Kein Stäubchen, so scheint es, wirbelt durch den Vorraum des Mormonentempels im sächsischen Freiberg. Auch das Interieur mit Sofas, Stühlen, Tischen, Leuchtern, dessen Design eher an vergangene Zeiten erinnert, funkelt makellos. "Die Räume sind dem Herrn geweiht und sollen Qualität haben", sagt Tempelpräsident Ernst Husz. Wie alle anderen Mormonen trägt er im Tempel weiße Kleidung. Sie symbolisiert Reinheit, die Gläubigen sollen alles Weltliche hinter sich lassen. Die Atmosphäre wirkt in der Tat entrückt.

Für die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, so der vollständige Name der aus Nordamerika stammenden Mormonen, sind ihre Tempel die heiligsten Orte. Im Freiberger Haus - das Nichtmormonen nur bis zum Vorraum betreten dürfen - sieht alles aus wie nagelneu. Dabei erfolgte der erste Spatenstich für den damals in der DDR spektakulären Bau bereits vor 30 Jahren, am 23. April 1983. Zwei Jahre später diente es Mormonen aus den früheren Ostblockstaaten als Zentrum.

Pilgerstätte für Mormonen aus dem In- und Ausland

An der Zeremonie am Freiberger Stadtrand nahmen damals der heutige Präsident der weltweiten Mormonen, Thomas S. Monson, sowie Vertreter des DDR-Staates teil. Für das SED-Regime war der damals erste deutsche Mormonentempel - der mit US-Dollar errichtet wurde - eine gute Gelegenheit, vermeintliche Offenheit zu demonstrieren.

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Freiberg entwickelte sich zur Pilgerstätte für Mormonen aus dem In- und Ausland. Es kämen Gäste von der Ostsee bis zum Mittelmeer, sagt der 69-jährige Husz, der eigentlich Wiener ist und von seiner Kirche nach Freiberg berufen wurde. Allerdings wurde mittlerweile in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ebenfalls ein Mormonentempel errichtet, der Gläubige auf sich zieht. Husz spricht deswegen von einem "gewissen Aderlass" für den Tempel in Freiberg.

Weltweit gibt es nach eigenen Angaben rund 15 Millionen Mormonen, in Deutschland knapp 40.000. Die Gemeinschaft unterhält über 140 Tempel, gut ein Dutzend in Europa, zwei in Deutschland. Die Mormonen - bei denen Alkohol und Tabak verpönt sind und die Familie im Zentrum steht - berufen sich auf die Bibel und das Buch Mormon. Es berichtet, wie Jesus nach seiner Auferstehung in Amerika erschien.

Auf Expansionskurs

Freibergs Oberbürgermeister Bernd-Erwin Schramm (parteilos) sagt, dass der Tempel zur Bekanntheit seiner Stadt beigetragen habe. Die Mormonen hätten "dem Ruf der altehrwürdigen Universitäts- und Bergstadt eine interessante Facette hinzugefügt". In seiner Stadt existiere seit über 100 Jahren eine mormonische Gemeinde und sie sei genauso Teil der Gesellschaft wie die anderen großen Glaubensrichtungen, betont er.

Der Tempel mit 1.400 Quadratmetern Nutzfläche wurde zum Anfang des neuen Jahrtausends erweitert. Seitdem schmückt sich der Turm mit einer goldenen Statue des von den Gläubigen verehrten Engels Moroni. Tempelpräsident Husz sieht seine Gemeinschaft, die mit vielen Missionaren für ihren Glauben wirbt, auf Expansionskurs. In den USA gilt sie als die am schnellsten wachsende Gemeinde.

Zum Freiberger Gelände gehören auch Herbergen für reisende Mormonen und seit 2009 ein für jedermann zugängliches Informationszentrum. Auf dem Parkplatz des penibel gepflegten Geländes stehen häufig Autos mit Kennzeichen osteuropäischer Länder. Es gibt unter anderem Wochen mit speziellen Veranstaltungen für Mormonen aus Ungarn, Tschechien oder Rumänien. Husz räumt aber auch Vorbehalte gegenüber seiner Glaubensgemeinschaft ein, womit vor allem die Missionare konfrontiert seien. Auch die großen Kirchen gehen auf Distanz.

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Der Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen Landeskirche in Sachsen, Harald Lamprecht, betrachtet das Mormonentum eher als amerikanische Tempelreligion denn als Kirche. "In ihren Vorstellungen von Gott und der Erlösung ist die Gemeinschaft sehr weit von anderen Kirchen entfernt", sagt er. Lamprecht verweist dabei auf die neuen Offenbarungen, die der Kirchengründer Joseph Smith (1805-1844) erhalten haben will.