Vertrauen ist schnell verspielt, und wer zahlt die Zeche?
Traugott Jähnichen, Professor für Christliche Gesellschaftslehre, über die Gründe für die Banken- und Finanzkrise und über die Bedeutung des Vetrauens.

Seit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise durch die Insolvenz der Lehman-Bank im Herbst 2008 kommt das internationale Finanzsystem nicht zur Ruhe. Beinahe schon vergessen sind die Banken- und Finanzkrisen in Island und Irland. Mit großen Schwierigkeiten kämpfen diverse Banken in Spanien, Italien, Portugal und vor allem Griechenland, wo auch die nationalen Etats deutlich unter Druck stehen. Schließlich das Problem der aktuellen Zypernkrise, deren Ausgang noch nicht eindeutig geklärt ist. Schon stellen die Medien die Frage, welche Banken und Staaten als nächstes in Schwierigkeiten geraten. Neben Malta werden immer wieder eine drohende neue Krise in Portugal oder auch die schwierige Situation in Frankreich genannt.

Im Kern sind es drei Faktoren, welche die bisherigen Finanzkrisen in Europa ausgelöst haben: Viele nationale Ökonomien sind von ausländischem Kapital abhängig, um Investitionen tätigen und ihre Haushaltsdefizit abbauen zu können. Wer, wie Griechenland oder zeitweilig auch Spanien und Italien, keine oder nur zu sehr schlechten Bedingungen Gelder auf den internationalen Finanzmärkten bekommt, steht unmittelbar vor einer Zahlungsunfähigkeit.

Warum Theologen Krediten skeptisch gegenüber standen

Zweitens führt die Abhängigkeit von ausländischem Kapital zu einer immer höheren Staatsverschuldung. Schließlich kommt als dritter Faktor die Größe des Finanzsektors hinzu. Speziell Staaten mit einem überdimensionierten Bankensektor, wie Island, Zypern, Malta oder auch Irland, geraten aufgrund der Abhängigkeit ihrer nationalen Ökonomien von den Banken bei einer Bankenkrise in unmittelbare Zahlungsschwierigkeiten. Dies hat insbesondere der Fall Zypern in den letzten Wochen gezeigt.

###mehr-artikel###

Warum sind gerade Banken, ausgehend von der Insolvenz der Lehman-Bank, die Auslöser der jetzigen Krise? Banken handeln mit Geld: sie sammeln Spareinlagen und gewähren Kredite, sie handeln mit Risiken. Jeder gewährte Kredit ist ein Versprechen auf die Zukunft, da in einem bestimmten zukünftigen Zeitraum Zinsen bedient und Kredite zurückgezahlt werden sollen. Dies ist mit größeren oder kleineren Risiken verknüpft, deren Bewertung sich in den Zinsen niederschlägt. Dies gilt in besonderer Weise, weil Banken deutlich mehr Kredite gewähren dürfen als Einlagen halten und somit wesentlich an der Geldschöpfung beteiligt sind.

Letztlich setzen Kredite Vertrauen voraus, Vertrauen in die zukünftige Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Kreditnehmers. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit erfolgt in der Regel so, dass Informationen aus der Vergangenheit und Gegenwart des Kreditnehmers auf die Zukunft hochgerechnet werden. Wer Vertrauen in der Form des Kredits gewährt, handelt so, als ob die Informationen der Vergangenheit und Gegenwart auch für die Zukunft gelten. Dies war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit der eigentlich Grund für die Skepsis vieler Theologen gegenüber Bankgeschäften, da die Zukunft, über die allein Gott verfügt, durch solche Geschäfte zumindest teilweise berechenbar und verfügbar gemacht wird. Zudem eröffnete dies die Möglichkeit, immer mehr „mit Vorschuss“ auf die Zukunft zu wirtschaften und zu handeln.

Das Geld fehlt für Bildung und Soziales

Vertrauen als Bestimmung und Garantie auf die Zukunft ist in den letzten fünf Jahren im internationalen Finanzsystem jedoch dramatisch geschwunden. Nach der Lehman-Insolvenz vertraute kaum noch eine Bank der anderen, da niemand wusste, wer mit welchen toxischen Krediten handelt. In dieser Situation sind die Nationalstaaten und internationale Institutionen, wie der Internationale Weltwährungsfonds (IWF) oder auch die Europäische Zentralbank (EZB) in die Bresche gesprungen und haben durch die Bereitstellung und Garantie von Geldern versucht, die sich ausweitende Misstrauenskrise zu beheben. Dies ist bisher nur punktuell gelungen, da immer neue Problemfälle, zuletzt die Bankenkrise in Zypern, Notfallpläne erforderlich machten. Verschärft wird die Lage dadurch, dass manche Euro-Staaten aufgrund ihrer eigenen Haushaltsprobleme und hoher Schuldenquoten nur bedingt als Garanten für die ausgezahlten Notfallgelder glaubwürdig sind.

Dementsprechend kommt alles darauf an, dass ökonomisch starke Nationen, vorrangig Deutschland, und die europäischen Institutionen sowie der IWF die Notfallgelder garantieren und so Vertrauen stabilisieren. Bisher ist dies im Sinn eines "Flickenteppichs" von Notmaßnahmen für die betroffenen Länder einigermaßen gelungen, insbesondere ist sehr viel staatlich garantiertes Geld in die Märkte geflossen, ein großer Plan zu Behebung der Krise fehlt jedoch.

Wer zahlt nun aber die Zeche für diese Notfallgelder und wie kann es gelingen, aus diesem Kreislauf von faulen Krediten, Misstrauen und der ständigen Bereitstellung von Notfallgeldern heraus zu kommen? Die Zeche zahlen zunächst die Steuerzahler der EU-Länder, die aufgrund ihrer ökonomischen Stärke in besonderer Weise Garantien abgeben können, nicht zuletzt Deutschland. Die hohen Summen zur Rettung der Banken und für europäische Notfallgelder fehlen jedoch immer mehr für Investitionen in die Infrastruktur oder auch für Bildungs- und Sozialausgaben.

Banken in die geordnete Insolvenz führen

Dies gilt in verschärfter Weise für die Länder, die in besonderer Weise zu Sparanstrengungen herausgefordert sind, weil ihr Haushaltsdefizit seit längerer Zeit aus dem Ruder gelaufen ist. Hier schlägt die Krise unmittelbar um in den Abbau sozialer Standards, so spricht man, wie aktuell in Frankreich, auf Grund immer neuer Defizite und Sparrunden von einem Sozial-Fatalismus. Ferner zahlen die Sparer die Zeche, da sie kaum noch Zinsen in Höhe der Inflation erhalten und somit ihr Geld faktisch im Durchschnitt immer weniger wert sein wird.

Immerhin sollen nun in Zypern, Ansätze hierfür gab es bereits in Griechenland, auch Aktionäre, Anleihenbesitzer und reichere Kunden mit mehr als 100.000 Euro Einlagen an den Rettungsaktionen direkt beteiligt werden. Allerdings kann die bisherige Form des Krisenmanagements nicht endlos weitergetrieben werden, weil auf diese Weise nach und nach wohl auch das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit der bisher solventen Geldgeber in Frage gestellt wird. Auch sie können nicht unbegrenzt Gelder bereitstellen, andernfalls überziehen auch sie ihre Vertrauenswürdigkeit im Blick auf zukünftige Rückzahlungen. In diesen Ländern werden schließlich die Proteste gegen die EU-Solidarhaftung immer lauter, in Deutschland ist es bisher, trotz der soeben erfolgten Gründung einer "Alternative für Deutschland", vergleichsweise ruhig.

###mehr-personen###

Daher bedarf es endlich institutioneller Reformen, insbesondere einer besseren Kontrolle und vor allem Regulierung des Finanzsystems. Durch solche Regulierungen muss es ermöglicht werden, dass Banken, die offensichtlich mit zu großen Risiken gehandelt haben, das heißt ihre Versuche der Bestimmung der Zukunft waren deutlich überzogen, geordnet in die Insolvenz gehen können, ohne dass das Finanzsystem eines Landes oder gar im weltweiten Ausmaß in Bedrängnis gerät. Zahlen sollten die Anteilseigner und Kunden dieser Banken, auch wenn dies zu Härtefällen führt.

Vertrauen wird unterminiert

Eine solche Regulierung setzt unter anderem die Einführung eines Trennbankensystems, höhere Sicherungseinlagen, die Verkleinerung des überdimensionierten Bankensektors in bestimmten Ländern oder auch die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer voraus. Dass es in dieser Hinsicht seit fünf Jahren Krise bisher kaum zu nachhaltigen Reformen gekommen ist, lässt sich als der eigentliche Skandal der andauernden Finanzprobleme begreifen.

Die Politik der punktuellen Rettungspläne versucht immer wieder neu die Vertrauenswürdigkeit der europäischen Politik sowie der EZB und des IWF unter Beweis zu stellen, wodurch Vertrauen aber letztlich nicht stabilisiert, sondern unterminiert werden könnte. Je länger, umso teurer wird dies insbesondere für die Steuerzahler in Europa werden. Vor allem aber kommt es darauf an, nicht länger auf Kosten der Zukunft, konkret der zukünftigen Generationen, zu wirtschaften und zu handeln.