Wassertropfen an Wasserhahn
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Wasserverbrauch in Deutschland: Jeder (eingesparte) Tropfen zählt?
Ist Wassersparen noch sinnvoll?
Wasser zu sparen ist gut für die Natur und schont den Geldbeutel – oder stimmt das gar nicht? Diese Frage wird neu diskutiert.


Die Toilette hat eine Kurzspültaste und Handtücher werden erst gewaschen, wenn man sie auf den Boden wirft. Was vielen ausländischen Hotelbesuchern wunderlich vorkommt, ist hierzulande unumstritten: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Trinkwassergebrauch mit 121 Litern pro Kopf und Tag so niedrig wie nie. Durchschnittlich 23 Liter pro Tag spart jeder Einwohner im Vergleich zu 1991. Und bei einer Forsa-Umfrage aus dem letzten Jahr gab eine Mehrzahl der Befragten an, bessere Informationen zum Wasserverbrauch von Produkten würden ihre Kaufentscheidung beeinflussen.

Kein Wassermangel in Deutschland?

Doch dieses ökologische Bekenntnis begeistert nicht jeden. Anlässlich der Veröffentlichung der Verbrauchszahlen 2012 gab der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) extra eine Presseerklärung heraus. Darin kritisieren die Versorger den "beunruhigenden ungebrochenen Trend zum Wassersparen", für den es hierzulande keine ökologische Notwendigkeit gebe. Da Wasser ein Kreislaufprodukt sei, könne es gar nicht gespart werden, argumentieren die Versorger. Vielmehr würden die ohnehin vorhandenen Mengen von den Kunden nicht genutzt. Der VKU wendet sich damit gegen strengere Sparziele, wie sie die EU einführen will. Deutschland sei schließlich ein wasserreiches Land.

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Das sieht die Europäische Umweltagentur etwas anders. Sie stellt im Auftrag der Europäischen Union Daten über die Umwelt zur Verfügung, und ordnet den größten Teil Deutschlands als Region mit "mittlerem Wasserstress" ein, weil hier jährlich 20 bis 40 Prozent der erneuerbaren Süßwasservorräte entnommen werden. Nach Berechnungen des deutschen Umweltbundesamtes bleiben Wirtschaft und private Haushalte dagegen unter der Schwelle von 20 Prozent. Der hohe Bedarf der Wärmekraftwerke bleibt bei dieser Rechnung jedoch außen vor. Die Kraftwerke nutzen allerdings auch kein Trinkwasser, sondern pumpen ihr Kühlwasser aus naheliegenden Flüssen und leiten es nach Gebrauch wieder zurück.

Überdimensionierte Infrastruktur

Mit unterschiedlichen Berechnungen zu nutzbaren Wassermengen hat der Standpunkt der Versorger aber nur am Rande zu tun. Er hat historische Gründe: Viel zu hohe Prognosen über Bevölkerungsentwicklung und Wasserverbrauch bescherten Deutschland ein überdimensioniertes Leitungsnetz. So berechnete die TU Berlin 1980 einen täglichen Trinkwasserverbrauch von etwa 220 Litern pro Einwohner für das Jahr 2000. Ein aus heutiger Sicht fataler Irrtum. Denn in den nicht ausgelasteten Systemen blühen Rost und Bakterienkolonien, es bilden sich Ablagerungen, die die Rohre angreifen. Und es stinkt.

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Weiteres Sparen treibt deshalb die Kosten nach oben. "Sinkt die Wassernachfrage in Deutschland weiter, erhöhen sich aufgrund steigender Instandhaltungs- und Anpassungsmaßnahmen die Grundkosten. Das müssen dann die Verbraucher zahlen", erklärt Michael Beckereit vom VKU. Wasser werde unter dem Strich auch nicht eingespart - denn um Ablagerungen aus den Leitungen zu spülen, verbrauchten die Versorger bereits heute große Mengen Frischwasser.

Wasser ist nicht gleich Trinkwasser

Sollen Verbraucher also selbst für höheren Durchfluss in den Leitungen sorgen – in dem sie mehr Wasser verbrauchen? "Nein", findet Erik Gawel, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig zu Ressourcenmanagement und Infrastruktur forscht, "die Menschen sollen sich nicht an die vorhandene Infrastruktur anpassen, die Infrastruktur muss sich dem Bedarf anpassen." Durch das Einziehen engerer Rohre könnten die Abwassersysteme langfristig verkleinert werden. Forderungen der Versorger nach einem höheren Grundpreis für Wasser, der sie unabhängiger vom Verbrauch machen und Sparanreizen den Boden entziehen würde, findet er deswegen falsch. "Es ist sinnvoll, sich gegen Auflagen zu wehren, die nur in Wassermangel-Regionen wie Andalusien nötig sind. Verbrauchsabhängige Preise haben aber genau den Sinn, Anreize zum Sparen zu schaffen. Auch die Versorger müssen spüren, wenn der Bedarf sich ändert." Dass weitere Einsparungen mit den vorhandenen Systemen kaum möglich seien, bedeute nicht, dass ein niedrigerer Wasserverbrauch nicht trotzdem sinnvoll wäre. "Sauberes Grundwasser ist auch in Deutschland ein knappes Gut."

###mehr-links### Belege für Engpässe bei der Wasserbereitstellung sieht Gawel in der zunehmenden Verwendung von Uferfiltrat für die Trinkwassergewinnung. Dieses Wasser entsteht durch Versickerung von Flusswasser und ist in der Regel stärker verschmutzt als Grundwasser, das aus Niederschlag entstanden ist. Außerdem werde das Wasser für viele Großstädte als Fernwasser aus unbelasteten Regionen herbeigeschafft – und diese Naturräume profitierten davon, wenn sparsame Verbraucher die Grundwasserreserven schonten. 

Verunreinigungen größte Gefahr

Denn die wichtigste Maßnahme zur Sicherung der Wasserressourcen in Deutschland ist der Schutz vor Verunreinigen. Medikamentenrückstände - auch aus der Massentierhaltung - sowie Nitrat- und Pestizidbelastung durch die Landwirtschaft werden als größte Gefahren für die Wasserqualität angesehen. Sie verursachen zunehmend Probleme bei der Trinkwasseraufbereitung - und weitere Kosten.

Das sehen auch die Versorger so: "Wenn der Hauptgrund für Verunreinigungen unseres Grundwassers der Düngemitteleinsatz ist, muss man bei der Agrarpolitik ansetzen, um die Einleitung in die Gewässer und insbesondere in das Grundwasser zu reduzieren", fordert Michael Beckereit vom VKU. Für die Verbraucher bedeutet das: keine Abfälle und keine Medikamente in die Toilette werfen, den Fleischkonsum senken und ökologische regionale Landwirtschaft unterstützen. Und wer noch weiter Wasser sparen will, sollte vor allem warmes Wasser sparen. Dann spart man nämlich tatsächlich – bei der Stromrechnung.