Barbara John hatte schon eine Übernachtungsmöglichkeit in München organisiert. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der Opfer der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) wollte am NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht teilnehmen, der eigentlich an diesem Mittwoch beginnen sollte. Zusammen mit 24 Angehörigen der Opfer, die dort als Nebenkläger aufgetreten wären. Doch der Prozess wurde kurzfristig auf den 6. Mai verschoben, weil nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Plätze für die Journalisten neu vergeben werden müssen.
"Ich verstehe nicht, dass nicht eine andere Lösung gefunden wurde", sagt John. Die Verschiebung stößt zwar bei Politikern auf ein positives Echo, die Angehörigen und deren Rechtsanwälte sind aber schockiert. "Die seelische Belastung durch diese gefühlsmäßigen Wechselbäder ist sehr groß", sagt John. Sie verweist auch auf die praktischen Probleme, die durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts entstanden sind: "Viele Angehörige haben extra für den Prozess Urlaub genommen." Sie hätten schon die Fahrkarten nach München gekauft. "Wer gibt Ihnen das Geld wieder?", fragt John.
Es kann Jahre dauern, bis der Staat zahlt
Denn der spektakuläre Prozess hat auch durchaus eine monetäre Seite, jedenfalls für die Angehörigen der zehn Mordopfer. 77 von Ihnen wollen am Prozess als Nebenkläger erscheinen. Das kostet Geld, für Anfahrt und Unterkunft. Die finanzielle Hilfe der Kirchen sieht John daher als ein "Geschenk Gottes".
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"Es ist unsere Aufgabe als Christen, hier zu helfen", sagt Johannes Minkus, Sprecher der evangelischen Landeskirche in Bayern. Und es sei auch ein Zeichen im Rahmen des Engagements der Kirche gegen Rechtsextremismus. 20.000 Euro wurden von der Landeskirche für die Angehörigen zur Verfügung gestellt. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hatte damit auch auf einen Hinweis von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) reagiert. Die katholische Kirche spendete ebenfalls einen Betrag in dieser Höhe.
Verwaltet werden die Beträge von Barbara John. Wenn Angehörige der Opfer eine Fahrkarte zum Prozess benötigen, wird dies von der Ombudsfrau bezahlt. Denn es kann Jahre dauern, bis der Staat nach Ende des Prozesses eine Entschädigung für diese Ausgaben leistet, wenn überhaupt gezahlt wird.
Ob dann noch alle kommen, ist ungewiss
Barbara John tritt auch dem Eindruck entgegen, dass die Familien große Entschädigungssummen von der Bundesregierung aus einem Topf für Terroropfer erhalten hätten. In Medienberichten war von einer Gesamtsumme von bis zu 900.000 Euro die Rede. "Das hört sich zunächst viel an, reduziert sich aber ganz schnell, wenn es konkret wird", sagt John.
Es gab 10.000 Euro für die nächsten Angehörigen eines Mordopfers, 5.000 Euro für Verletzte des Bombenattentats in Köln. Das Geld war schnell weg. So wie bei Habil Kilic, dem getöteten Gemüsehändler in München. Seine Ehefrau stand im August 2001 mit ihrer neunjährigen Tochter plötzlich ohne "Ernährer" da, der Laden wurde von der Polizei versiegelt, das Gemüse verfaulte. Am Ende blieb ihr nur der Gang zum Sozialamt.
Aus dem Spendentopf der Kirchen sollte auch die Unterkunft für Barbara John bezahlt werden. Sie wollte im ehemaligen königlichen Jagdschloss Fürstenried nächtigen, das heute als Exerzitienhaus der Erzdiözese München dient. 55 Euro pro Nacht kostet das Zimmer. Doch es gibt eine gute Nachricht: "Die Zimmer in Fürstenried stehen auch zum neuen Termin zur Verfügung", sagt John. Ob dann noch alle Nebenkläger kommen, ist freilich ungewiss.