Blick in den Saal 101 im Strafjustizzentrum München.
dpa/Andreas Gebert
Blick in den Saal 101 im Strafjustizzentrum München.
Kopfschütteln über das Münchner Oberlandesgericht
"Blamage für Deutschland": Wochenlang hielt das Münchner Oberlandesgericht an seinem umstrittenen Akkreditierungsverfahren zum NSU-Prozess fest. Erst das Bundesverfassungsgericht brachte die Wende. Das OLG verschiebt nun den Prozess und will eine neue Sitzplatzvergabe starten.
16.04.2013
epd
Christiane Ried

Der Deutschland-Korrespondent des schwedischen Rundfunks, Daniel Alling, will nicht so ganz rausrücken mit der Sprache. "Mit Ruhm bekleckert" habe sich das Münchner Oberlandesgericht (OLG) mit seinen Vorbereitungen auf den NSU-Prozess natürlich nicht, sagt er zögernd. Er überlegt kurz und findet dann doch deutliche Worte: "Eure Justiz in allen Ehren. Das ist eine Blamage für Deutschland." Das Gericht habe die Tragweite des Prozesses schlicht unterschätzt.

Nach den Pannen bei der Sitzplatzvergabe reißt die Kritik am OLG auch nach der Verschiebung des weltweit beachteten Prozesses auf die Zeit ab dem 6. Mai nicht ab. "Wäre das Gericht anfänglich nicht so stur geblieben, hätten wir uns die Verzögerung sparen können", sagt der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, der "Rheinischen Post". Ihm täten jetzt die Hinterbliebenen der Terroropfer leid, für die sei es eine zusätzliche Tortur. Er hoffe, das Gericht werde aus seinen Fehlern lernen. "Es ist eben kein Strafprozess wie jeder andere", sagte Mazyek.

Der türkische Redakteur des Tageszeitung "Zaman", Bayram Aydin, kann nur den Kopf schütteln. "Das ist doch klar, dass wir Türken großes Interesse haben." Er verstehe zwar die Sorge des Gerichts vor Revision, aber nicht, warum nicht von Anfang an türkische Journalisten berücksichtigt worden seien. Noch habe der Prozess nicht begonnen, und schon habe sich das Gericht blamiert. Er sei froh, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am vergangenen Freitag entschieden habe, dass es Plätze für ausländische Journalisten geben muss.

Beginn des neuen Akkreditierungsverfahrens ungewiss

Von einem Imageschaden für München, Bayern oder Deutschland will die Leiterin der OLG-Justizpressestelle, Margarete Nötzel, dagegen nichts wissen. Kritische Fragen von Journalisten wiegelt sie bei der Pressekonferenz am Montag ab: Dazu könne sie nichts sagen, davon wisse sie nichts. Sie könne nur sagen, dass der 6. Strafsenat des OLG nach der Karlsruher Entscheidung beschlossen habe, ein neues Akkreditierungsverfahren zu starten.

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Nach welchen Kriterien diesmal die Sitzplatzvergabe für Medienvertreter stattfinden werde, wann die Akkreditierungsphase beginne oder ob es ein Kontingent für türkische Journalisten geben werde, wisse sie noch nicht.

Der Mordprozess um die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe sollte eigentlich an diesem Mittwoch (17. April) beginnen. Die Mordopfer der NSU waren überwiegend türkischstämmig. Doch als im März klar wurde, dass keine türkischen und so gut wie keine ausländischen Medienvertreter den Prozess live im Gerichtssaal verfolgen können, ging der Ärger los.

Das Gericht hatte die 50 Sitzplätze an diejenigen Medienvertreter vergeben, die am schnellsten ihre Anmeldung verschickt hatten - ein für deutsche Gerichte übliches Verfahren. Allerdings gab es kein Kontingent für türkische Journalisten. Mehr als 120 Journalisten - auch Mitarbeiter von der "New York Times" und BBC - mussten draußen bleiben.

Verschiebung "mehr als ärgerlich"

Eine Videoübertragung in einen anderen Raum lehnte das OLG aus rechtlichen Gründen ab. Die Kritik wurde schärfer, als das OLG wochenlang an seiner Platzvergabe festhielt. Das Gericht hatte die Sorge, dass kleinste Änderungen von dieser Regelung einen Revisionsgrund darstellen und der NSU-Prozess allein wegen eines Formfehlers scheitern könnte.

Auf die von überall her angereisten Journalisten wartet noch ein weiteres Ärgernis. Viele hatten frühzeitig Hotelzimmer für die Woche um den ursprünglichen Prozessbeginn gebucht. Wegen einer derzeit in München stattfindenden Messe seien die Zimmerpreise entsprechend hoch, sagt der schwedische Korrespondent Alling. 200 Euro zahle er pro Nacht, das Hotel bestehe auf dem vollen Preis für eine Woche, auch wenn er wegen der Prozess-Verschiebung zurück nach Berlin reisen werde.

Ein Problem, das auch die aus der Türkei angereisten Nebenkläger und Angehörigen der Mordopfer haben. Die Rechtsanwälte Stephan Lucas und Jens Rabe, die Nebenkläger vertreten, nennen die Verschiebung "mehr als ärgerlich". Das Gericht habe sich gegen jede Kritik gesperrt und sich konstruktiven Lösungsvorschlägen verweigert. Nun bleibt abzuwarten, welches Echo das neue Akkreditierungsverfahren finden wird.