Foto: mathias the dread/photocase
Es riecht nach Frühling
Die ersten Sonnenstrahlen erwärmen den Boden, die feuchte Erde verströmt einen ganz besonderen Geruch. Endlich Frühling. Doch der persönliche Gute-Laune-Duftmix hat für jeden unterschiedliche Zutaten.
14.04.2013
epd
Barbara Driessen

Sonnenlicht durchflutet die Ausstellungsräume des Kölner Gartencenters mit seinen riesigen Fensterflächen. Die Einkäufer überblicken ein Meer von Blüten, Osterglocken, Tulpen und Hyazinthen. Hunderte von Azaleen und Rhododendronbüsche in allen Formen und Größen stehen voller Knospen. "Da bekommt man richtig Lust auf Frühling", sagt eine Kundin aus Pulheim. "Diese herrlichen Farben und dieser Duft!"

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Nach dem langen Winter freut sich jeder auf den Frühling, über Farben, Wärme und frühlingshafte Düfte. Doch was meint man genau, wenn man vom Duft des Frühlings spricht? "Das ist für jeden etwas anderes, je nachdem, wo er aufgewachsen ist", meint der Bochumer Duftexperte Hanns Hatt, der sich seit Jahren mit der menschlichen Geruchswahrnehmung beschäftigt. 

Frühlingsduft sei nichts Feststehendes, sondern ein erlernter Geruch. Ein Amerikaner habe mit Sicherheit ganz andere Vorstellungen vom typischen Frühlingsduft als ein Asiate. Zudem gehe es dabei fast immer um eine "komplexe Mischung aus unterschiedlichen Düften", erläutert Hatt, der an der Ruhr-Universität Bochum Zellphysiologie lehrt.

Fit im Gehirn durch Riechen

Der Frühlingsduft ist komplexer als man denkt. "Im Frühling besteht die Luft aus ganz anderen Molekülen. Die noch feuchte Erde riecht anders, die ersten Sonnenstrahlen, die den Boden erwärmen, die erwachende Natur." 

Mit jedem Atemzug gelangen Millionen von Duftmolekülen in unsere Nase, deren 350 Riechrezeptoren ständig elektrische Signale ans Gehirn abgeben: "Pausenlos, jede einzelne Sekunde, Tag und Nacht. Das ist ein permanenter Informationsfluss, der das Gehirn fit hält. Deswegen ist Düfte-Riechen noch viel besser als Kreuzworträtsel-Lösen", sagt Hatt.

Das Gehirn analysiert jeden Geruch und speichert ihn ab, zusammen mit den dazugehörigen Bildern und Emotionen. "Wenn wir den Duft wieder aufrufen, wird auch die dazugehörige Stimmung wiederholt." Und weil die meisten Menschen den Frühling mit etwas Positivem verbinden, versetzt sie dessen Duft in Frühlingslaune.

Man ist einfach besser gelaunt.

Das muss allerdings nicht bei allen so sein. "Die Frühlingswahrnehmung hängt von der Einstellung ab", erklärt Hatt. Wer zum Beispiel unter starkem Heuschnupfen leidet, verbindet den Frühling eher mit geröteten Augen und Niesanfällen und damit mit einer persönlichen Leidenszeit, die nicht schnell genug vorbei sein kann. Dementsprechend kann er den Frühling auch "nicht riechen".

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Bei den meisten ruft der Frühlingsduft jedoch eine positive Wirkung im Gehirn hervor. So geht im Frühjahr etwa die Zahl der Morgenmuffel um die Hälfte zurück, wie Schweizer Biologen ermittelten - und das trotz Frühjahrsmüdigkeit. Aber man ist eben einfach besser gelaunt.   

Vieles davon hat der Mensch seiner Nase zu verdanken, deren Riechschleimhaut auf beiden Seiten etwa so groß ist wie eine Euromünze. Hier sitzt das gesamte Geruchspotenzial mit etwa 20 Millionen Sinneszellen, deren Aufgabe es ist, Duftmoleküle wahrzunehmen. Hanns Hatt hält die Nase für ein weithin unterschätztes Sinnesorgan: "Die meisten wissen nicht, dass unser Wohlbefinden von der Nase abhängt."

Ein mächtiger Zauberer

Wer ein nach frischen Blumen duftendes Zimmer betritt, fühlt sich in der Regel gleich wohl und heimisch. Riecht es dagegen schon im Hauseingang nach Zahnarzt, überkommt die meisten erst einmal ein Gefühl der Beklemmung.

Die US-Amerikanerin Helen Keller (1880-1968), die im zweiten Lebensjahr blind und taub wurde, lernte, sich vom Riechen, Schmecken und Tasten leiten zu lassen: "Der Geruchssinn ist ein mächtiger Zauberer, der uns über Tausende von Kilometern und über alle Lebensjahre hinwegzutragen vermag", schrieb sie, nachdem sie zunächst das Fingeralphabet und später mit Hilfe einer Blockschrift Schreiben gelernt hatte. 

Während der Duft nach Frühling die einen ins Schwärmen geraten lässt, weckt er bei anderen ganz praktische Überlegungen: "Bald fängt das wöchentliche Rasenmähen wieder an", sagt eine andere Kundin des Gartencenters, während sie eine Packung Rasen-Reparatur-Mischung in den Einkaufswagen stellt. "Und das ist immer ganz schön viel Arbeit."