Bei Anne Will diskutierte Altbischof Wolfgang Huber mit anderen Gäsetn über das Thema: "Vermögen umverteilen - pure Ideologie oder soziale Notwendigkeit?"
Foto: NDR/Wolfgang Borrs
Altbischof Wolfgang Huber mahnte bei Anne Will davor, Reichtum und Steuerflucht gleichzusetzen.
Anne Will: Mehr Gerechtigkeit durch Offshore-Leaks?
400 Milliarden Euro. So viel Geld sollen Steuerflüchtige laut der Deutschen Steuergewerkschaft ins Ausland geschafft haben. Durch Offshore-Leaks sind geheime Datensätze an die Öffentlichkeit gelangt, die das Ausmaß der Hinterziehungen erahnen lassen. Für Anne Will ist die aktuelle Debatte Anlass, über Gerechtigkeit zu diskutieren. "Vermögen umverteilen – pure Ideologie oder soziale Notwendigkeit?" fragt sie deshalb ihre Gäste.

Die Empörung über Reiche, die ihr Geld ins Ausland bringen, statt sie zu versteuern, ist groß. Eine neue Debatte über Gerechtigkeit ist entfacht – und Anne Will sprach mit ihren Gästen über die Frage, ob Vermögen stärker umverteilt werden soll. Die Sendung hätte zur politischen Zahlenschlacht werden können, hätte Altbischof Wolfgang Huber nicht wichtige Akzente gesetzt.

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In der Sendung bildeten sich schnell die erwartbaren Fronten. Während die SPD-Sozialpolitikerin Manuela Schwesig und Annelie Buntenbach aus dem DGB-Vorstand mehr sozialen Ausgleich forderten, zweifelten der FDP-Politiker Christian Lindner und die Journalistin Rita Knobel-Ulrich an der Notwendigkeit dessen. Dabei krankte die Sendung zu Beginn vor allem an einer Sache: Die wiederholt gestellte Frage, ob weniger Steuerflucht und höhere Steuern Deutschland gerechter machen würde, vermengt zwei Dinge, die nicht zusammen gehören.

Linder: "Nie so evangelisch wie in diesem Moment"

Ersteres ist ein – nicht immer legaler  – Schritt einer privaten Person, das zweite hingegen ist eine politische Option. Gegen Pauschalität wehrte sich der fünfte Gast, Wolfgang Huber. Der Altbischof mahnte davor, Reichtum und Steuerflucht gleichzusetzen und kritisierte pauschale Verdächtigungen. Dafür erntete er von Christian Lindner nicht nur heftiges Nicken, sondern auch das Eingeständnis: "Ich muss sagen, dass ich zwar katholisch getauft bin, aber der evangelischen Kirche nie so nah war wie in diesem Moment." Eine Einigkeit, die nicht die gesamte Sendung anhalten sollte.

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Über lange Strecken verzettelte sich die Diskussion in Statistiken. Während Schwesig beweisen wollte, dass die soziale Kluft in Deutschland immer größer wird, lieferte Lindner Zahlen, nach denen die Bundesrepublik kein wirkliches Gerechtigkeitsproblem hat. Hier zeigte Huber Sympathien für die Thesen der SPD-Politikerin. Christian Lindner forderte er auf, den Blick für die Realitäten nicht zu verschließen: "Die Spreizung zwischen Reichtum und Armut nimmt dramatisch zu."

Während die Einspielfilme der Sendung weitere Rechenbeispiele lieferten, war es der Altbischof, der die Diskussion vorantrieb. Er machte deutlich, dass Gerechtigkeit viele Gesichter hat und man den Begriff nicht allein über Umverteilungen diskutieren sollte. So brachte er als einziger das Thema der Generationengerechtigkeit auf. Wichtig sei zudem die Beteiligungsgerechtigkeit. Menschen dürften nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. "Bildung ist der Schlüssel des Gerechtigkeitsprinzips." Dafür erntete er nicht nur Zustimmung von Manuela Schwesig, sondern auch von Rita Knobel-Ulrich.

"Dieser Armutskram ist eine Frage der Definition“

Die Journalistin fiel ansonsten vor allem durch penetrante Zwischenrufe und Formulierungen wie "Dieser ganze Armutskram ist eine Frage der Definition" oder "Wir haben einen Versorgungsstaat wie eine orientalische Großfamilie" nicht gerade positiv auf.  Gegen Ende der Sendung zeigt ein Einspieler Ausschnitte aus einer Reportage von Knobel-Ulrich. Sie hat unterschiedliche Firmen aufgespürt, die mit der Arbeitslosigkeit Geschäfte machen. Quintessenz: Der Staat braucht nicht mehr Geld, sondern muss das vorhandene besser investieren.

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Hier greift Schwesig ein. Missbrauch von Sozialleistungen müsse verfolgt werden. Doch die seien kein Grund, weniger zu investieren. Huber erinnert daran, dass Geld allein noch keine Gerechtigkeit bringe – es komme auf die Verteilung an.

Am Ende der Sendung bleibt ein flaues Gefühl. Viel klüger als vorher ist man nicht. Überzeugt hat vor allem Altbischof Huber, weil er sich in keinem politischen Lager festbiss und die Diskussion mit neuen Aspekten vorantrieb. Eine Aufgabe, die eigentlich die Moderation liefern sollte.