Was sind die Mitläufer? Und wohin laufen sie mit?
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Hans-Peter Weyer: Wir gehen ehrenamtlich mit auf Ämter und unterstützen Menschen moralisch, die nicht alleine dorthin wollen. Ganz gleich, ob aufs Jugendamt, Wohnungsamt, Ausländeramt oder zu anderen Behörden. Bei Besuchen im Jobcenter ist der Bedarf aber definitiv am größten.
Weshalb wollen Arbeitslose nicht alleine mit ihrem Sachbearbeiter im Jobcenter reden?
Weyer: Viele brauchen schlicht psychologische Unterstützung. Sie spüren das Machtgefälle. Der Sachbearbeiter, der Sanktionen ausspricht, diese mit Gesetzestexten und Juristendeutsch begründet, und der manchmal zu beschäftigt ist, um jedes Detail zu erklären. Auf der anderen Seite der Bezieher der Leistungen, der nicht um seine Rechte weiß oder wonach er fragen muss – da hilft es schon, wenn man Verstärkung dabei hat. Meistens bekommt ein Begleiteter mehr Infos, wenn er einen Mitläufer dabei hat.
"Viele haben ein komisches Gefühl, wenn sie aufs Amt müssen"
Was genau macht ein Mitläufer?
Weyer: Das kommt darauf an, was er vorher mit dem Begleiteten vereinbart hat. Viele haben ein komisches Gefühl, wenn sie aufs Amt müssen. Viele Dinge im Jobcenter hängen mit Druck zusammen. Der fällt weg, wenn auf Augenhöhe gesprochen werden kann. In anderen Fällen schreibt der Begleiter stumm Protokoll oder greift schon mal ins Gespräch ein. Das nützt dann beiden Seiten.
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Dem Sachbearbeiter hilft die Begleitung?
Weyer: Es hat sich eine negative Stimmung gegen Hartz IV in der Bevölkerung gebildet, der ungerechtfertigterweise auf die Mitarbeiter im Jobcenter übertragen wird. Das wollen wir verhindern und deeskalierend wirken. Zwar haben die Sachbearbeiter eine Beratungspflicht, aber im Zeitdruck werden nicht alle Dinge genügend erklärt. Der Begleiter kann dann mehr hinterfragen.
Dafür muss der Mitläufer zumindest eine Ahnung von der Rechtslage haben.
Weyer: Rechtlich beraten dürfen wir natürlich nicht. Trotzdem wird man mit der Zeit kundiger. Wir planen, Mitläufer zu schulen, damit sie zumindest Grundkenntnisse haben. Damit er grobe Ungerechtigkeiten sofort benennen oder raten kann, einen Bescheid im Nachhinein rechtlich klären zu lassen.
Wie kam Ihnen die Idee, dass so ein Verein notwendig ist?
Weyer: Das war ganz konkret im Juli 2012 ein Artikel von Johannes Ponader, dem Geschäftsführer der Piratenpartei, in der FAZ. Er schrieb von inoffiziellen Kategorien von Jobcenter-Kunden - darunter diejenigen, die ihre Rechte kennen und sich gegenseitig begleiten. Das seien aber lediglich zwei Prozent.
"Wir fordern, HartzIV abzuschaffen"
Ponader, der selbst "ab und an" Miläufer ist und "zuletzt vor acht Wochen" einen Menschen aufs Amt begleitete - zitiert den Jobcenter-Insider weiter mit den Worten: "Wären es fünf bis zehn Prozent, könnten wir einpacken".
Weyer: Da haben wir uns gedacht: "Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass mehr Menschen mit Beiständen aufs Amt gehen."
Sie möchten also erreichen, dass die Agentur für Arbeit nicht mehr arbeiten kann?
Weyer: Wir fordern, Hartz IV abzuschaffen! Aber wir wissen auch, dass wir das System im Moment nicht verändern können. Schließlich sind wir keine Politiker; die sind dafür zuständig. Aber wir können den Menschen, die in diesem Sozialsystem leben müssen, helfen, damit umzugehen. Wir wollen am Ende erreichen, dass weniger Sanktionen ausgesprochen werden.
"Gespräche auf Augenhöhe sind wichtig"
Wie soll das funktionieren?
Weyer: Wenn Sachbearbeiter und Arbeitsloser auf einer Augenhöhe miteinander reden, entstehen weniger Missverständnisse, der Arbeitslose ist weniger aggressiv, ist besser informiert und fühlt sich gestärkt. Wir hoffen, dass so weniger überzogene Forderungen gestellt werden und weniger Sanktionen ausgesprochen werden. Das Hartz IV-System fußt aber ja auf Fördern und Fordern und Sanktionen – kann dann also nicht mehr funktionieren.
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Also doch ein politischer Hintergrund. Immerhin nutzen Sie die technische Infrastruktur der Piraten, Sie selbst sind waren Pressesprecher und sind Parteimitglied der Piraten.
Weyer: Damit endet die Kooperation aber auch schon. Wir agieren nicht politisch. Wir sind unabhängig und mitmachen kann bei uns sowieso jeder – außer er kommt aus der rechten Ecke.
Kann jeder Mitläufer werden?
Weyer: Jeder ab 16 Jahre, der bereit ist ahrenamtlich Menschen zu helfen, in diesem Sozialsystem klarzukommenzu. Und er muss unseren Kodex einhalten.
Werden Begleiter schon mal abgewiesen?
Weyer: Manchmal ist es schwierig, wenn der Arbeitslose in Begleitung erscheint. Abgewiesen dürfen wir aber nicht werden, denn jeder hat das Recht auf Begleitung zum Amt.