Abnehmer für leicht verständliche Lektüre gibt es zuhauf: Bundesweit sind 7,5 Millionen Menschen "funktionale Analphabeten". Rund 13,3 Millionen Bürger haben eine Lese- und/oder Lernschwäche. Für sie gibt es noch zu wenig übersetzte Unterhaltungsliteratur, Zeitungen, Gebrauchsanweisungen, Websites, Formulare oder etwa Wahlprogramme. Folglich haben Millionen Bürger kaum eine Chance, sich selbstständig zu informieren und mitzubestimmen.
Doch die Zahl der Büros, die darauf spezialisiert sind, über Leichte und Einfache Sprache zu informieren, Texte zu übersetzen, Schulungen anzubieten und die Regeln und Gütesiegel für leicht lesbare Sprache weiterzuentwickeln, wächst. Im "Netzwerk Leichte Sprache", das sich 2006 gegründet hat, haben sich mittlerweile 29 Fachorganisationen aus Deutschland und Österreich zusammengeschlossen.
Inklusive Kommunikation gehe nicht nur den Sozial- und Informationsbereich etwas an, sagt Martin Georgi, Vorstand von Aktion Mensch. Es gelte auch eine kulturelle Teilhabe zu fördern. Deshalb hat Aktion Mensch mit dem "Spaß am Lesen Verlag" den Bestseller "Ziemlich beste Freunde" von Philippe Pozzo di Borgo in Einfacher Sprache veröffentlicht. Im März wurde das Buch auf der lit.COLOGNE präsentiert. Georgi: "Wir hoffen, dass wir damit ein Stein ins Rollen gebracht haben."
"Unsere Mission lautet: Lesen für alle"
Der "Spaß am Lesen Verlag" ist erst seit 2008 in Deutschland aktiv, kann aber aus den Erfahrungen des schon in den 90er Jahren gegründeten Schwesterverlags "Eenvoudig Communiceren" in den Niederlanden schöpfen. Der gibt sechs Zeitungen für Menschen mit Leseschwierigkeiten heraus und hat 200 Buchtitel für Jugendliche und Erwachsene mit Leseproblemen im Programm. "Unsere Mission lautet: Lesen für alle", betont Verlagsgeschäftsführer Ralf Beekveldt.
Der deutsche Verlag plant in diesem Jahr weitere Neuerscheinungen, um sein Angebot aus Bestsellern, Krimis und einer Reality Reihe für Jugendliche in Einfacher Sprache in Deutschland zu erweitern. Ein fester Bestandteil sind zudem die Zeitung "Klar & Deutlich", die sechs Mal im Jahr erscheint, und die digitale Wochenzeitung "Klar & Deutlich Aktuell" - die einzigen deutschsprachigen Nachrichtenmedien in Einfacher Sprache.
Die "Klar & Deutlich Agentur", eine Abteilung des Verlags, schreibt und entwickelt auch für Unternehmen, Behörden und Institutionen leicht verständliche Texte, überarbeitet Internetauftritte und bietet Schulungen an. "Wenn man anfängt, ist es vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache, man muss die Regeln pauken", beschreibt Sonja Markowski, die im Verlag als Autorin und Redakteurin tätig ist.
Menschen mit Behinderungen prüfen die Texte
Für die Überarbeitung von "Ziemlich beste Freunde" in Einfache Sprache hat sie mit kreativen Pausen rund sechs Wochen benötigt. Die 250 Seiten starke Originalfassung hat nun 80 Seiten. Die gebürtige Berlinerin findet es wichtig, dass mit vielfältigen Leseangeboten, Menschen mit Leseschwierigkeiten die Chance bekommen, "über Bestseller wie über wichtige Weltereignisse mitreden zu können."
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Dazu müssen weit mehr Schriften in Leichter Sprache verfasst werden. Darauf hat sich beispielsweise "capito Berlin. Büro für barrierefreie Kommunikation" spezialisiert. Es wurde 2011 von "reha e.V. Soziale Dienste mit Kontur" gegründet und ist ein Social Franchising des capito-Netzwerks mit Wurzeln in Graz, das einen sehr hohen Standard für Leichte Sprache und ein Leicht-Lesen-Gütesiegel entwickelt hat. Das Besondere ist: Hier prüfen Menschen mit Beeinträchtigungen jedes neue Produkt und sind in sämtliche Abläufe mit eingebunden.
"Unser Vorteil ist, dass wir als Abteilung von reha e.V. täglich Kontakt zu unserer Zielgruppe haben und sie als Prüfer werben können. Denn die Menschen mit Lernschwierigkeiten sind eigentlich die Experten", sagt Andreas Wessel, Dozent und Übersetzer bei capito Berlin.