"Social Media" heißt die neue Zauberformel. Die "Sozialen Medien" zeigen, dass das Internet keine Einbahnstraße der Kommunikation ist. Digitale Medien und Technologien ermöglichen es jedem Nutzer, Inhalte zu gestalten, sie mit anderen Menschen zu teilen und sich darüber auszutauschen.
Ein Musterbeispiel ist Konfiweb, eine Online-Community rund um die Konfirmation. Hier bereiten sich Konfirmanden gemeinsam auf ihren großen Tag vor, besprechen sich, bekommen Tipps und Ratschläge. In drei Schritten können in der Kategorie "Mein Spruch fürs Leben" ihren eigenen, passenden Konfirmationsspruch finden. Die Jugendlichen wählen unter sechs Themen das aus, welches ihnen am wichtigsten ist. Mit dem nächsten Klick entscheiden sie, in welcher Stimmungslage sie am liebsten ihren Spruch nutzen möchten. Daraus generiert der Service mehrere Vorschläge.
###mehr-info### Auch auf dem Smartphone oder Tablet muss man auf Gott und die Kirche nicht verzichten. Die kostenfreie App "Kulturkirchen" beispielsweise zeigt Kulturveranstaltungen in evangelischen Kirchen und gibt Infos zu besonders aktiven Kulturkirchen. Darunter sind Veranstaltungen rund um Lutherdekade, ein Führer zu Wirkungsstätten Luthers und ein Reformations-ABC. In einem interaktiven Gottesdienstfinder können Gläubige selbst die Temine der Gottesdienste ihrer Gemeinde eintragen, damit andere Nutzer darauf zurückgreifen können.
Bloggende Pfarrer, twitternde Pastoren
Auch viele Pfarrer sind sehr aktiv im Netz und wissen es geschickt für ihre Arbeit einzusetzen. Vor allem Blogs sind ein beliebtes Social Media-Werkzeug - zu Recht, wie Alexander Ebel findet. Ebel ist nicht nur Referent des pfälzischen Kirchenpräsidenten, sondern auch ein echter Vorkämpfer in Sachen Kirche 2.0. In einem Blog könnten Pfarrer Themen selbst setzen und auch ausführlicher bearbeiten ohne große Datenschutzbedenken: "Meiner Ansicht nach gehört ein Blog zu jeder guten Social-Media-Strategie, ganz gleich, auf welcher kirchlichen Ebene – sofern zwei Punkte sichergestellt sind: dass regelmäßig etwas erscheint, und dass regelmäßig darüber reflektiert wird, was erscheinen soll, welchem inhaltlichen Zweck das Blog also dienen soll."
Matthias Jung, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Götterswickerhamm, Pfarrbezirk Rönskenhof, hält sich an diese Tipps. Regelmäßig veröffentlicht er seine Predigten und theologischen Texte online: "Vor zehn Jahren oder so wurde ich belächelt, als ich anfing, Beamer und PC statt Overheadprojektor aufzubauen." Auf seinem Blog schreibt er dazu: "Das Gefühl, ständig im Netz zu sein, ständig online zu sein, verändert das Lebensgefühl. Um die 'natürliche' Welt weitet sich neuerdings eine 'virtuelle' Welt, unsichtbar und doch präsent. Ich kann mich da ständig einklinken, oder auch ausklinken. Hat so was von der Vorstellung von Heiligem Geist, der mich, uns umgibt. Natürlich weht und wirkt der, wann er will. Aber 'da' ist er immer." Auch seine selbstgeschriebenen Krippenspiele stellt Jung online zur Verfügung. Sein Gedankenspiel ist nachzulesen, wie er sich im Jahr 2023 den Heiligen Abend in der Kirchengemeinde vorstellt: mit Smartphone-Fernsteuerung, Sensoren für Mikrofone und Live-Übertragung.
Wolfgang Vögele, Pfarrer in Karlsruhe, stellte seine Predigten ins Netz und bietet eine Sammlung von Filmen und Links für Konfirmanden und jeden Interessierten. Besonders Heiko Kuschel geht mit der Citykirche in Schweinfurt neue Wege – und bringt seine Wagenkirche in die Innenstadt zu den Leuten. Dazu gehören für ihn auch neue Kommunikationswege: Social Media sei ein "alter Hut für Evangelische". Schließlich nannte Luther es "Priestertum aller Gläubigen", also seien alle Getauften berufen, ihren Glauben verantwortlich zu leben.
Gottesdienst im Internet
Geht das auch mit Gottesdiensten, die im Internet stattfinden? – Auf seinem Blog schreibt Kuschel dazu: "Abendmahl, Taufen, Trauungen, Beerdigungen online wird es wohl nie geben. Aber Gemeinschaft im Gebet schon, sogar sehr intensiv." Gottesdienste, die im Fernsehen übertragen werden, sind nichts ungewöhnliches. Vereinzelt werden bereits Gottesdienste live im Internet übertragen - solange die Verbindung hält. Interaktive Gottesdienste im Netz hält auch die Frankfurter Jugend-Kultur-Kirche Sankt Peter ab. Zwar bereitet das Team hierfür Themen vor, die Band studiert Lieder ein - welche Themen in der Predigt aber näher besprochen werden, bestimmen die Gottesdienstbesucher vor den Rechnern selbst. Die Pfarrgemeinde Wien-Ottakring veranstaltet Online-Andachten. Die Gläubigen können sich via Twitter einbringen. Wer kein Twitter benutzt, kann seine Gebete im Online-Gebetbuch mitteilen. Auch auf evangelisch.de fanden bereits Chatandachten statt. Jeder, der will, kann dann vor seinem eigenen PC an dieser Online-Andacht teilnehmen und im Chat mit anderen Teilnehmern zusammen sein. Eine eigene Liturgie hat sich dabei auch schon herausgebildet: Auf einen kurzen liturgischen Gruß folgt ein Psalmgebet, das im Wechsel getippt wird, danach tauschen sich die Teilnehmer zu einem Thema oder einer Bibelstelle aus. Fürbitten mit Vaterunser und der Segen beenden die Andacht.
Die moderne Technik mache es leicht, in Diskussionen einzusteigen oder selbst welche anzustoßen, sagt Kuschel: "Aber sind diese elektronischen Kontakte nicht inhaltsleer, zweitklassig gegenüber der echten Begegnung?" fragt er und liefert die Antwort gleich selbst nach: "Ich glaube nicht: Lieber diskutiere ich auf Twitter mit einem Atheisten über die Theodizeefrage als mit einer 'realen' Person übers Wetter. Beziehungen, ja Freundschaften können überall entstehen. Auch Seelsorge geschieht auf diesen Kanälen. Oft folgen daraus persönliche Begegnungen."
Kuschel bloggt auch zusammen mit Christian Spließ für evangelisch.de. Dort nehmen sie kirchliches Leben mit Humor, Ironie und ganz viel Augenzwinkern aufs Korn. Zum Einsatz kommt dann auch mal ein QR-Code: eine schwarz-weiße Matrix, die mit dem Smartphone gescannt und entschlüsselt wird.
Jesus-Schnitzeljagd auf Facebook
Neben Blogs bietet Social Media noch viele weitere Möglichkeiten wie Facebook und Twitter. Alexander Ebel selbst schreibt darüber rege auf der Seite Netzkirche. Ebel rät Pfarren stets zu überlegen, zu welchen Gelegenheiten es möglich, sinnvoll oder einfach nur unterhaltsam wäre, mit dem Internet und Social Media zu arbeiten. Für Kanäle wie Facebook und Twitter spricht seiner Meinung nach, dass Pfarrer hier für die zunehmende Anzahl von Nutzern ansprechbar sind: "Die Schwelle zum Austausch liegt dort einfach niedriger." Soziale Medien seien, richtig eingerichtet und angepasst, eine hervorragende Möglichkeit, um sich über die aktuell in Kirche und Gesellschaft diskutierten Themen auf dem Laufenden zu halten – "und man bekommt durch die Kommentardebatten auch noch ein Gespür dafür, was die Menschen bezüglich dieser Themen besonders beschäftigt, ärgert oder freut."
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Pfarrer Stefan Mendling in Wiesbach nutzt die Video-Plattform YouTube regelmäßig in der Konfirmandenarbeit. Heraus kommen Interviews, Umfragen, Trickfilme oder Testberichte seiner Konfirmanden. Auf Pinterest postet Mendling Elemente an eine virtuelle Pinnwand, aus denen er dann mit seinen Konfirmanden eine biblische Playmobil-Fotostory erstellt. Außerdem hat er sich bereits an einer Konfi-Stunde auf dem Kurznachrichtendienst Twitter versucht. Von seinen Erfahrungen hat er in einem Interview mit dem Portal für Ehrenamtliche in Kirche und Diakonie Gemeindemenschen berichtet.
Fürbitte als Tweet
Die Evangelische Kirche im Rheinland veröffentlicht jeden Morgen die tägliche Bibellese auf Facebook. Simon de Vries, Pastor in Nordhorn, setzte Facebook für eine Konfi-Schnitzeljagd zum Thema Jesus Christus ein. Eine detaillierte Anleitung hat er auf Dropbox gestellt. Ziel dieser außergewöhnlichen Aktion sei es gewesen, eine Verbindung zwischen der Lebenswelt der Jugendlichen, die viel Zeit in Netzwerken wie Facebook verbringen, und der Person Jesus Christus zu schaffen. Gar als "Facebook Pfarrer" wird Albrecht Hoch aus Stuttgart wird schon mal bezeichnet. Regelmäßig chattet er mit Jugendlichen seiner Gemeinde, plaudert oder spricht über ihre Nöte: Seelsorge, modern übersetzt.
Im Twittergottesdienst von Knut Dahl, evangelischer Pfarrer im Rheinland, konnten sich die Gottesdienstbesucher direkt einbringen – indem Sie Kurznachrichten auf Twitter sendeten, die dann an die Kirchenwand projiziert wurden. Dafür gab es extra einen Computer im Gottesdienstraum. Denkbar sei es auch, dass über Twitter Fürbitten geteilt werden – für Schüchterne, die nicht vor zum Altar sich trauen. Welche Probleme Dahl die Technik bei seinem Experiment machte und was er dabei gelernt hat, hat er hier aufgeschrieben.
Wikileaks im Religionsunterricht
Marc Gerlach, Leiter des Portals Theolounge, beginnt in einigen Religionsklassen die Stunden mit einem Lied. Davor zeigt der den Schülern schon mal Originalvideos, die er per Beamer an die Wand wirft. In der Stunde, in der es das Thema "Wahrheit" behandelt wurde, hat er das von Wikileaks aufgedeckte Video aus dem Irak-Krieg verlinkt und die Elftklässler darüber diskutieren lassen.
Wie die Arbeit als Pfarrer - ob mit oder ohne moderne Medien - bei den Gläubigen ankommt, lässt sich ebenfalls im Netz nachschlagen. Auf dem Hirtenbarometer können User - mit einem Augenzwinkern - religiöse Würdenträger und deren Arbeit bewerten. Margot Käßmann kommt zum Beispiel auf 3,47 von insgesamt sechs möglichen Punkten. Papst Johannes Paul II. auf 4,39 Punkte. Was leistet der Hirte in puncto Jugend und Senioren-Arbeit? Wie sind seine Gottesdienste? Wie steht es um seine Glaubwürdigkeit? Auf welchem Wege und mit welchem Medium das geschieht, ist zweitrangig.