Gab es jemals einen Krieg um Wasser? Falls ja: Wann, wo und zwischen wem?
Michael Rosenauer: In der älteren Geschichte gab es sicherlich auch Kriege um Wasser. Wenn ich mich recht entsinne zum Beispiel im Zweistromland. In der jüngeren Vergangenheit gab es Kriege im eigentlichen Sinne des Wortes, also bewaffnete Auseinandersetzungen um Wasser nicht. Was es gibt, sind eine Vielzahl von Konflikten und Wasserkrisen – die haben wir permanent.
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Wird es in Zukunft Kriege um Wasser geben?
Rosenauer: Ich glaube es, um ehrlich zu sein, nicht. Weil Sinn und Zweck eines Krieges ja wäre, dass die kriegführenden Parteien versuchen, ein gesamtes Wassereinzugsgebiet, von dem sie abhängig sind, in ihre territoriale Gewalt zu bekommen. Ein Beispiel wäre das grenzüberschreitende Flusssystem des Nils: Elf Länder gehören zu diesem Wassereinzugsgebiet, Ägypten liegt ganz unten im Nildelta. Wenn Ägypten ernsthaft seine Rechte durch Krieg sichern wollte, dann wäre das ein richtiger Flächenbrand, und ich glaube nicht, dass das die Lösung für das eigentliche Problem, die Verfügbarkeit oder der Qualität von Wasser zu sichern. Konflikte dagegen – und dann wiederum auch Konfliktlösungsmechanismen – die gibt es heute weltweit.
Um bei dem Beispiel Nil zu bleiben: Wie ist denn die rechtliche Lage? Wem "gehört" das Wasser des Nils?
Rosenauer: Man muss unterscheiden zwischen der Frage: Wem gehören grenzüberschreitende Wasserressourcen - also Flüsse, Seen und Grundwasserspeicher? und: Wem gehört das Wasser innerhalb eines Staates oder Territoriums? Das sind zwei verschiedene Sachen. Die internationalen Fragen regelt eine UNO-Konvention aus dem Jahr 1997 über die Nutzung von Fließgewässern. Darin wurden eine Reihe Prinzipien festgeschrieben. Prinzip Nummer 1 ist, dass eine ausgewogene Teilhabe aller Länder an dem Wassereinzugsgebiet sichergestellt werden muss. Mit anderen Worten: Es gehört niemandem.
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Ein anderes Prinzip ist, nichts zu tun, was dem jeweils anderen Land schadet in seinem Recht, das Wasser zu nutzen, das ist das "Do no harm"-Prinzip. Die Länder müssen miteinander kooperieren, sie müssen Informationen austauschen. Es gibt auch eine Konsultationspflicht: Falls zum Beispiel ein Land mehr Wasser aus einem Fluss entnehmen möchte, dann muss es mit den anderen reden und neue Vereinbarungen treffen. Darüber hinaus gibt es eine Pflicht, die Wasserressourcen zu schützen und zu bewahren. An diese weltweite Vereinbarung halten sich grundsätzlich alle Länder, die grenzüberschreitende Wasserressourcen bewirtschaften.
Deren effektive Umsetzung ist eine zweite Frage und meistens ein längerer Lern- und Aushandlungsprozess. Dafür gibt es unter anderem die GIZ. Wir arbeiten im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im grenzüberschreitenden Wasserressourcenmanagement in elf großen Wassereinzugsgebieten, zum Beispiel am Nil, am Mekong, am Kongo, am Niger und so weiter.
Es gibt ja schon immer Länder, die mehr oder weniger Wasser haben. Herrscht aktuell eine besondere Krise oder ist es einfach so wie immer?
Rosenauer: "Krise" definieren wir im Wassersektor als Zustand des Wassermangels. Wassermangel herrscht im Wesentlichen in ariden und semi-ariden Gebieten, also unter anderem in der Mittelmeerregion, im arabischen Raum und in Teilen von Afrika. Wenn man diese Definition als Grundlage nimmt, dann muss man sagen: Wir haben schon immer Krisen, und es wird aufgrund hydrologischer, geologischer, klimatologischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen grundsätzlich auch in der Zukunft Krisen geben.
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Wenn man aber jetzt ein bisschen näher ran zoomt, dann kommt man auf Wassereinzugsgebiete, wo die Krise zu größeren Konflikten führt, zum Beispiel in Ballungszentren mit großen Ansammlungen von Industrie, Landwirtschaft und Menschen. Die Faktoren, die eine Krise verschärfen, sind zum Beispiel Übernutzung und Verschmutzung der Wasserressourcen. Wasser wird zu 60 bis 70 Prozent für die landwirtschaftliche Produktion genutzt, für die industrielle zu ungefähr 20 Prozent und Haushalte verbrauchen ca. zehn Prozent des Wassers.
Nehmen wir nochmal unser Beispiel: Ägypten produziert Reis, Baumwolle und so weiter, hat also eine wasserintensive Landwirtschaft und hängt zu fast 100 Prozent vom Nil ab. Dazu kommt eine extrem hohe Menschen- und Industriekonzentration im Nildelta. Wirtschaftlicher Aufschwung, zum Beispiel durch Ausdehnung landwirtschaftlicher Anbauflächen, ist auf der einen Seite positiv – Arbeitsplätze werden geschaffen und Einkommen steigen.
Auf der anderen Seite verschärft sich dadurch der Druck auf die verfügbaren Wasserressourcen. Wasserstress und Konflikte sind die Folge. Der Druck auf das Wassereinzugsgebiet wird immer größer, je größer die wirtschaftlichen Erwartungen werden. Wir versuchen über die Vorhaben, unsere Partner zu befähigen, dieses Spannungsdreieck zwischen Wassernutzung in der Landwirtschaft, Industrie und Haushalten nachhaltig zu managen.
Zoomen wir noch etwas näher ran und schauen wir auf die zehn Prozent Wasser, die in den Haushalten – also von den Menschen direkt - genutzt werden. Ich habe beim Thema "Trinkwassermangel" ein Bild vor Augen, bei dem Frauen und Kinder mit Bottichen auf dem Kopf drei Stunden zur Quelle und wieder zurück laufen müssen…
Rosenauer: Diese zehn Prozent der natürlichen Süßwasserressourcen, die für Haushalt - Trinkwasser, Waschen, Hygiene und so weiter - verbraucht werden, sind nicht für jeden auf der Welt gesichert. In Deutschland verbrauchen wir ca. 120 Liter am Tag pro Person. In Armutsregionen stehen den Menschen oft nur 30 bis 50 Liter zur Verfügung. Kommunen, staatliche Institutionen und Unternehmen sind oft nicht in der Lage, eine nachhaltige Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Auch das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir unterstützen unsere Partner bei der Suche nach Lösungen, um große Armutsviertel vor allem in Städten mit Wasser und Sanitärsystemen zu versorgen. Ein Beispiel sind Wasserkioske anstelle von Hausanschlüssen: Ein Unternehmen liefert Trinkwasser, das über einen Kiosk verteilt und bezahlt wird, und die Leute transportieren es in ihre Wohnungen. So wird versucht, Trinkwasser für arme oder extrem arme Bevölkerung wirtschaftlich zugänglich zu machen.
Können denn auch wir hier im wasserreichen Westeuropa etwas tun, um Menschen in Ländern mit wenig Wasser zu entlasten?
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Rosenauer: Diese Frage hängt mit dem Klimawandel zusammen. Um es einfach zu sagen: Je mehr wir hier in den Industrieländern CO2 reduzieren und die globale Erwärmung verlangsamen, werden auch die Folgen davon geringer – also entweder extreme Hochwässer oder extreme Dürren. Ein anderes Thema, was viel diskutiert wird, ist das "virtuelle Wasser". Dabei geht es darum, wie viel Wasser in einem Produkt steckt, physisch oder für dessen Herstellung. Je mehr Sie zum Beispiel Zitrusfrüchte aus dem Norden Afrikas nach Europa importieren, wächst die Notwendigkeit diese mit effizienten Bewässerungssystemen zu produzieren. Sie exportieren quasi Wasser von einer ariden oder semi-ariden Gegend in eine wasserreiche Gegend.
Sollen wir also Zitronen kaufen oder nicht?
Rosenauer: Wir werden sie trotzdem kaufen. Die Lösung ist eigentlich nicht, dass jeder nur noch lokal produziert. Aufgrund der Globalisierung wird dies nicht passieren. Sondern die Lösung ist eher, dass man die Effizienz der Wassernutzung in der Landwirtschaft steigert. Gerade mal fünf Prozent der weltweiten Bewässerungslandwirtschaftssysteme funktionieren auf der Basis von Tröpfchenbewässerung, das ist die effizienteste Form der Wassernutzung. Der ganze Rest funktioniert mit Bewässerungskanälen oder Überflutungstechniken, die einen extrem hohen Wasserverbrauch haben. Da kann man Verbesserungen erzielen, so dass der Wasserstress in ariden oder semi-ariden Gebieten trotz der landwirtschaftlichen Nutzung nicht zunimmt.