Höhnische Lacher, spontanes Klatschen und lautes Raunen aus dem Publikum. Vor dem Dresdner Amtsgericht hat am Donnerstag der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König emotional geladen begonnen. Der evangelische Theologe muss sich wegen schweren Landfriedensbruchs verantworten. Begleitet wurde der Prozessauftakt vom Protest mehrerer Initiativen vor dem Gerichtsgebäude. Rund 50 Menschen aus Königs Gemeinde in Jena und andere Vertreter der Kirche beobachteten den Prozess als Zuschauer.
Der Pfarrer stellte zu Prozessbeginn klar, dass er sich zu Unrecht angeklagt sieht. "Bin ich Staatsterrorist oder bin ich ein Staatsbürger?", fragte er. Er habe zusammen mit anderen couragierten Menschen gegen den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch am Jahrestag der Zerstörung Dresdens 1945 protestiert, damit dieses Datum nicht von Rechten vereinnahmt werde. Er habe nicht gegen Polizeibeamte demonstrieren wollen.
"Deckt die Bullen mit Steinen ein"
Königs Verteidiger, Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, stellte den Antrag, dass die Anklageschrift nicht verlesen wird. Diese sei völlig "diffus" und beschreibe lediglich das allgemeine Demonstrationsgeschehen an dem betreffenden Tag in Dresden. Es lasse sich jedoch nicht erkennen, welche genauen strafrechtlichen Aspekte König vorgeworfen werden. "Die nackte Anwesenheit bei einem Aufzug, bei dem es zu Straftaten kommt, bedeutet nicht, dass der Anwesende selbst sich strafbar macht", führte er in einer Erklärung aus. Es werde "Stimmung gegen den Angeklagten gemacht". Die Staatsanwaltschaft hielt dem entgegen, dass mit den allgemeinen Beschreibungen vom Demonstrationsgeschehen eine "Klammer" gezogen werden sollte.
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Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer hielt dem Pfarrer vor, Gewalt zumindest billigend in Kauf genommen zu haben. Verteidiger Johannes Eisenberg nannte die Anklage unzulässig und konstruiert. Er warf der Staatsanwaltschaft zudem schlampige Ermittlungen und dreiste Falschdarstellungen des Geschehens vor.
König soll laut Anklageschrift bei den Demonstrationen gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Aus der Lautsprecheranlage seines VW-Busses soll unter anderem in eine Menschenmenge gerufen worden sein: "Deckt die Bullen mit Steinen ein." Daraufhin seien mehrere Steine auf Polizeiwagen geflogen. Außerdem sei der Wagen als Rückzugsort von einem tatverdächtigen Steinewerfer genutzt worden. Die Staatsanwaltschaft erhob außerdem den Vorwurf, dass aus den Lautsprechern "aggressive, anheizende Musik" zu hören gewesen sei, die die Menge angestachelt habe. König habe die Gewalt der Demonstranten gegen die Polizei zumindest billigend in Kauf genommen.
"Es lässt sich niemand von den Rolling Stones anheizen"
König selbst bestreitet die Vorwürfe. "Manches hat mir regelrecht wehgetan, wie ich von der Anklage wahrgenommen und eingeschätzt werde", sagte er. Für ihn stehe vor allem die Frage im Raum, warum das Geschehen von ihm und der Staatsanwaltschaft so gegensätzlich wahrgenommen wurde. "Warum können Sie in mir, Frau Staatsanwältin, keinen Menschen sehen, der sich für junge Menschen einsetzen will, die sich gegen rechts engagieren?"
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Er habe den jungen Leuten Mut machen wollen. "Wir müssen lernen, unser Demonstrationsrecht auszuüben", sagte er. Dafür sei es auch notwendig, deutlich zu werden - "nicht gewalttätig, sondern mit Worten". Den Vorwurf der aggressiven Musik könne er nicht nachvollziehen. "Es lässt sich doch niemand von den Rolling Stones anheizen - das sind alte Kamellen, die man sogar im Jena im Supermarkt hört", sagte er.
Er bestreitet, mit den von der Staatsanwaltschaft aufgeführten Worten zur Gewalt aufgerufen zu haben. "Das Wort Bulle gebrauche ich nicht, es gehört nicht zu meinem Wortschatz", sagte er. Im Allgemeinen sei sein Verhältnis zu Polizisten von gegenseitigem Respekt geprägt, sagte König. "Ich habe eine hohe Glaubwürdigkeit bei der Polizei, außer jetzt in Sachsen." Das habe er sich jahrelang hart erarbeitet. Der Pfarrer demonstrierte zum Beispiel auch bei dem G-8-Gipfel in Heiligendamm und gegen das Atommülllager in Gorleben.
Ursprünglich sollte das Verfahren schon im März starten. Doch kurz vor dem Auftakt tauchten neue Unterlagen mit Videomaterial und Transkriptionen auf. Königs Verteidiger hatte daraufhin Anzeige gegen "unbekannte Verantwortliche der Staatsanwaltschaft" gestellt. Für den Prozess sind bis zum 20. Juni vorerst sieben Verhandlungstermine angesetzt, der nächste am 24. April. Dabei soll auch ein Teil des Videomaterials in Augenschein genommen werden.