Foto: epd-bild/Debbie Hill
Jugendliche Christen am Karfreitag auf der Via Dolorosa in Jerusalem.
Auf dem Weg nach Golgotha
Karfreitag in Jerusalem: Palästinensische Christen sehen die Via Dolorosa auch als Symbol ihres Leidens. Die Hoffnung auf ein Ende der israelischen Besatzung bleibt.
29.03.2013
epd
Silke Mertins

In der Jerusalemer Altstadt haben am Karfreitag Tausende christliche Pilger an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. Bereits im Morgengrauen folgten die ersten Gruppen auf der Via Dolorosa - dem Weg der Schmerzen - den Spuren Jesu. Die Strecke vom Löwentor bis zur Grabeskirche soll in biblischer Zeit den Amtssitz des römischen Stadthalters Pontius Pilatus mit der Hinrichtungsstätte auf dem Hügel Golgotha verbunden haben.

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Wie Jesus, der der Überlieferung zufolge sein schweres Kreuz selbst tragen musste, schultern auch in diesem Jahr viele Gläubige auf der Via Dolorosa ein Holzkreuz. Zu ihnen gehört in aller Frühe der Palästinenser Munib Younan, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. Zusammen mit amerikanischen und deutschen Geistlichen, darunter der evangelische Probst Wolfgang Schmidt, führt er eine Gruppe von rund 150 Gläubigen an.

"Die Via Dolorosa ist für mich auch ein Symbol für den Leidensweg der Palästinenser", sagt Younan, der seit 2010 auch Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) ist. Sein Volk trage schwer an der Last der israelischen Besatzung, erklärt der schmale 63-Jährige. Allein entlang der Via Dolorosa, die durch die engen Gassen des arabischen Teils der Jerusalemer Altstadt führt, wehen auf einer ganzen Reihe von Häusern israelische Fahnen. "Siedlungen" nennen sie die Palästinenser. Jeder könne im auf ewig vereinten Jerusalem wohnen, wo er wolle, argumentiert die israelische Seite.

"Hier zu leben ist eine Kunst"

"Wenn ein Haus von Siedlern gekauft wird - was kann man da machen?" zuckt Bischof Younan die Schultern. Auch sein Gotteshaus unweit der Grabeskirche habe inzwischen zwei jüdische Siedlungen in unmittelbarer Nachbarschaft. "In Jerusalem zu leben ist eine Kunst", sagt Younan, der in der Altstadt aufgewachsen ist, "und wir sind alle Künstler."

Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), der palästinensische Bischof Munib A. Younan.

Auf den Stationen des Kreuzweges wird in Bischof Younans Gruppe zwar auf Arabisch, Englisch und Deutsch gebetet und vorgelesen. Doch es sind nur sehr wenige palästinensische Christen gekommen. Die christlich-palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi beklagt, dass in diesem Jahr 60 Prozent der Einreisegenehmigungen für die Osterwoche abgelehnt worden seien. Ein israelischer Militärsprecher bestreitet das indes. Es seien 20.000 Genehmigungen erteilt und nur knapp 200 abgelehnt worden.

"Ich bin aus Ostjerusalem", sagt Salli, eine 16-jährige Palästinenserin. "Für mich ist es kein Problem zu kommen, aber viele meiner Verwandten im Westjordanland haben von den Israelis für die Osterwoche keine Einreiseerlaubnis bekommen." Und selbst wer eine habe, müsse oft Stunden an den Checkpoints warten oder würde trotz Genehmigung abgewiesen. "Die Via Dolorosa ist für mich natürlich ein wichtiges Symbol nicht nur für uns Christen, sondern für die ganze Welt", sagt Pastor Aschraf Tannus aus Beit Sahur, einem christlichen Dorf in der Nähe von Bethlehem. "Aber es ist gleichzeitig ein Symbol für den Leidensweg jeden Tag durch die Checkpoints."

Beschimpfungen an der Tagesordnung

Doch nicht nur die israelische Besatzung belastet die Christen. Bischof Younan betont zwar die Einheit des palästinensischen Volkes. "Es mag Probleme geben, aber von systematischer Verfolgung kann nicht die Rede sein", sagt er. Die 47-jährige Nina allerdings, die an diesem Karfreitagmorgen den Kreuzweg mitläuft, erzählt wie viele palästinensische Christen von alltäglicher Diskriminierung. Der Leidensweg Christi stehe für sie auch dafür, sagt sie. Es komme ständig vor, dass sie wegen ihrer Kleidung und der offenen Haare beschimpft werde. "Sogar wenn wir hier auf der Via Dolorosa laufen, höre ich Schimpfworte gegen Christen", sagt sie. "Das tut weh."

"Der Karfreitag ist lang, dunkel und hoffnungslos", sagt Bischof Younan.  "Aber das heißt nicht, dass es keine Hoffnung gibt. Die Wiederauferstehung an Ostern gibt mir die Hoffnung, dass kein Unrecht ewig währt." Die palästinensischen Christen sollten nicht auswandern, sondern "in unserem Land bleiben".  Derzeit feierten die Juden in Israel und in aller Welt das Pessachfest, das an den Auszug aus Ägypten erinnert, schlägt Younan den Bogen. "Pessach ist ein Fest der Befreiung, und auch unsere Befreiung wird kommen."