Foto: dpa/Jochen Luebke
Wer hat an der Uhr gedreht?
Per Funk stellen sich heute viele Uhren zur Sommer- oder Winterzeit automatisch um. Kirchturmuhren müssen dagegen oft noch per Hand gestellt werden.
30.03.2013
dpa/epd
Alexandra Stahl

Sie geben den Takt einer Gemeinde vor: Die Schläge der Kirchturmuhr. Egal ob Winter- oder Sommerzeit, die Uhren müssen genau gehen. Manche laufen schon per Funk, viele müssen von Hand gepflegt werden.

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Das gilt besonders, wenn die Zeit umgestellt wird. Im niedersächsischen Hannover-Kirchrode etwa legt an diesem Wochenende der Uhrmachermeister Rolf Zurmöhle Hand an die Turmuhr der Gemeinde, um sie eine Stunde vorzustellen - aber nicht am frühen Sonntagmorgen, sondern schon am Samstagabend. "Da ist es dunkel, das sieht ja keiner", sagt Zurmöhle. In Kirchrode regiert die Sommerzeit dann eben schon ein paar Stunden früher.

In vielen Gemeinden Deutschlands dürfte es ähnlich sein. Wie viele Turmuhren es aber bundesweit gibt und wie viele davon noch per Hand umgestellt werden müssen - dazu gibt es keine genauen Zahlen. Auch in Niedersachsen kann man nur schätzen: Mehr als 1.000 Städte und Dörfer gibt es nach Angaben des statistischen Landesamtes. Die Zahl der Turmuhren dürfte höher ausfallen - geht man davon aus, dass jede Gemeinde mindestens eine Kirchuhr hat. Rund zwei Drittel von ihnen müssen noch per Hand umgestellt werden, schätzt der Leiter des Turmuhren-Museums Bockenem, Jörg-Dieter Besch.

Gewichte von 70 Kilo festhalten

Für Küsterin Angelika Turk ist die Zeitumstellung ein Kraftakt. Sie betreut eine wandschrankgroße Turmuhr in Ahlum bei Wolfenbüttel und muss Teile der Mechanik lösen, damit das Uhrwerk beschleunigt eine Stunde vorlaufen kann. Mit vollem Körpereinsatz müsse sie gegen bis zu 70 Kilogramm schwere Gewichte arbeiten, die nicht unkontrolliert zu Boden stürzen dürfen.

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Schon im Alltag sei der Aufwand enorm, um Zahnräder, Pendel und Schlagwerk in Gang zu halten. Mit einer großen Handkurbel müssten die schweren Gewichte alle zwei Tage bis unter das Turmdach gehievt werden, sonst würde die Mechanik spätestens am dritten Tag stehenbleiben. Die Umstellung auf Winterzeit im Herbst sei hingegen sehr gut zu bewältigen. Dann werde die Uhr für eine Stunde angehalten und dann im richtigen Moment wieder in Gang gesetzt. 

Für die St. Jacobi-Kirche in Hannover stellt Uhrmachermeister Gerd Zurmöhle die Zeit um. Seit 30 Jahren kümmert er sich um die Uhr, schon sein Vater war Uhrmacher. Der 65-Jährige mit der runden Brille und den grauen Haaren hört es auch, wenn die Turmuhr zehn Sekunden zu früh schlägt - in seinem Juweliergeschäft um die Ecke der Kirche ist er von Funkuhren umgeben.

Manchmal geht die Zeit vor

Schlägt die Kirchuhr, checkt er automatisch die Zeit. "Wenn die zu früh schlägt, geh ich rüber und halte das Pendel für zehn Sekunden an", erzählt er. Gerade im Winter passiert das ab und an: Weil es kälter ist, zieht sich das Pendel zusammen, wird kürzer und schlägt dadurch schneller - also geht die Zeit manchmal vor.

Mindestens einmal die Woche ist Zurmöhle in der Kirche und kümmert sich um die Uhr, die sich von der Glocke über die Mechanik bis zu den vier Riesen-Ziffernblättern über drei Stockwerke in dem 17 Meter hohen Kirchturm erstreckt. Zurmöhle muss im Blick haben, dass die Uhr richtig läuft und sie außerdem ab und an ölen. Früher musste er noch die Gewichte, die die Uhr antreiben selbst hochziehen. 

Heute stelen meistens Elektromotoren die Zeit um. Glaubt man Museumsleiter Besch, dann dürften künftig immer weniger Menschen diese Arbeit machen. "Es wird leider immer mehr Funkuhren geben", sagt er. Das Problem sei aber, dass Funkuhren nur zehn bis zwölf Jahre hielten, Turmuhren dagegen mehr als hundert Jahre. "Sie sind zwar umständlicher, aber robuster."