Anke Wehr und Hannes Akman mit einem Modell der Weidenkirche
Foto: Corinna Willführ
Die Initiatoren des Wehrheimer Weidenprojekts mit Modell: Anke Wehr und Hannes Akman.
"Einmal unter der Weidenkuppel Gottesdienst feiern"
Aus Ost weht ein eisiger Wind, das Thermometer zeigt minus drei Grad – und doch sind am Samstag vor Palmsonntag Dutzende Menschen gekommen, um beim "ersten Spatenstich" für ein Projekt mitzuhelfen, das in der Rhein-Main-Region bislang einmalig ist: Bis zum Ende der Osterferien wird in der Taunus-Gemeinde Wehrheim ein Bauwerk aus Weidenruten entstehen. Mit der sechs Meter hohen Kuppel und dem kleinen Turm wird es aussehen wie eine Kirche. Das "Gebäude" soll als ein Teil des Ortes "sich fest verwurzeln, neue Triebe schlagen und als grüner Pavillon zum Verweilen einladen".
24.03.2013
Corinna Willführ

Der sechsjährige Felix steckt in einem dicken Overall und steht vor dicken Bündeln von Weidenruten. Seine Großmutter Rita Weinheimer hat den Kragen ihres Anoraks hochgestellt, sie wartet auf Anweisungen, wo sie anpacken kann. Gemeindepädagogin Tabea Knabe hievt mit etlichen freiwilligen Helferinnen und Helfern ein Zelt für die Bauleitung auf der kaum vom Eis befreiten Wiese im Bizzenbachtal hoch. Derweil gibt Hannes Akman Mitstreitern, die mit schweren Hämmern vor Holzpfählen stehen, Anweisungen, wie mit Schablonen Querschnitt und Krümmung der vier Hauptbögen der Kuppel festgelegt werden sollen.

Hannes Akman, 48, Schreiner und studierter Holzwirtschaftler, und seine Frau, die gleichaltrige Erzieherin Anke Wehr, sind die Initiatoren des Wehrheimer Weidenprojekts. Inspiriert wurden sie von den Arbeiten des Architekten Marcel Kalberer. Der gebürtige Schweizer hat mit seiner Baukunstgruppe "Sanfte Strukturen" unter anderem das "Etschwunder" in Lana-Burgstall in Südtirol und den Rosenpavillon in Duisburg erstellt.

Eine Oase der Ruhe und Kreativität

Von seiner "Living Architecture" war das Wehrheimer Ehepaar fasziniert. Doch als Hannes Akman und Anke Wehr vor mehr als einem Jahr daran gingen, die Menschen in ihrer Heimatgemeinde von ihrer Idee zu überzeugen, war ihnen schon klar: "Die Wehrheimer Weidenbaumkuppel soll kein reines Kunstwerk zum Anschauen werden." Vielmehr soll sie künftig allen Bürgerinnen und Bürgern ein Ruheort sein. Und zugleich ein Treffpunkt, der mit Leben erfüllt werden soll. "Wir können uns vorstellen, dass es unter der Kuppel einmal Lesungen und Konzerte gibt", sagt Anke Wehr.

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Andrea Pfäfflin will schon die Bauzeit nutzen, um mit den Jungen und Mädchen des Waldkindergartens die Baustelle zu besuchen. "Ein Haus, das in jeder Jahreszeit neu wächst und grünt, wo alle, die mitpflanzen, immer wieder hingehen können, um ihr Werk zu genießen. Das ist ein wundervolles Projekt. Weil es mit lebenden Materialien erstellt wird und für viele Generationen bleiben kann", sagt die Erzieherin, "ist es im besten Sinne nachhaltig." Andrea Pfäfflin ist als SPD-Abgeordnete Vorsitzende des Umweltausschusses der Taunus-Kommune.

Schon bei der Ernte der Weidenruten im Januar dabei war auch Dirk Sitzmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Wehrheimer Parlament. Für Peter Gwiasda vom BUND-Wehrheim entsteht mit dem Projekt "eine Oase der Ruhe und Kreativität in unserer hoch technisierten Welt". Theresia Falke, Leiterin der Kindertagesstätte "Am Bügel" hält das Weidenhaus für einen "wunderbaren Ort, um unsere Naturprojekte mit den Kindern umzusetzen." Und Tabea Knabe, Gemeindepädagogin der evangelischen Kirche hat einen Traum: "Einmal unter einer lebendigen Weidenkuppel einen Gottesdienst zu feiern. Das wäre einfach toll."

Wunderbare Erinnerungen

Dass sich Schüler und Seniorinnen, Konfirmanden und Kommunalpolitiker an ihrem Projekt beteiligen, erfüllt Anke Wehr und Hannes Akman schon ein wenig mit Stolz, ist es doch ihr Ziel, "gemeinsam mit vielen Menschen ein großartiges Projekt auf die Beine zu stellen." Einen Unterstützer fanden sie auch in dem Privatmann, der ihnen die Wiese zu einem günstigen Preis verpachtete, den die beiden aus eigener Tasche bezahlen.

Bis auf der Wiese das Grundgerüst steht, müssen die Freiwilligen im Bizzenbachtal noch 25 Kubikmeter Weidenruten in Handarbeit zusammen fügen. "Dann sind die Zwischenräume an der Reihe", erklärt Bauleiter Hannes Akman, denn die "Kuppel ist erst komplett, wenn auch die acht bogenförmigen Eingänge sichtbar sind." Trotz der auch für nächste Woche angekündigten Minustemperaturen sind der 48-Jährige und seine Frau zuversichtlich, dass sie mit Hilfe ihrer Mitbürger das Wehrheimer Weidenprojekt fertigstellen können.

Den Rest übernimmt die Natur. "Es wird wohl vier, fünf Jahre dauern, bis die Kuppel komplett begrünt ist", sagt Anke Wehr. Aber "es wird jahrzehntelang wunderbare Erinnerungen wach rufen und uns bewusst machen, welch bedeutendes Exempel im Sinne der Gemeinsamkeit statuiert wurde." Ganz besonders bei all jenen, die an dem Projekt bei eisigem Ostwind und Minustemperaturen mitwirkten.