Arcangelo Corelli (1653-1713)
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Arcangelo Corelli (1653-1713), der Erfinder des Concerto Grosso.
Arcangelo Corelli: Der Chuck Berry des 18. Jahrhunderts
Der vor 300 Jahren gestorbene Violinvirtuose und Komponist Arcangelo Corelli gilt Musikexperten als Vorbild Bachs und Händels. Doch sein Rang in der europäischen Musikgeschichte gründet primär auf seiner "Erfindung" des Instrumentalgenres "Concerto Grosso". Es erneuerte zu Beginn des 18. Jahrhunderts das Musizieren an Höfen und Akademien und bezaubert noch heute mit seiner Eleganz Liebhaber der Alten Musik.

Sein "Weihnachtskonzert" ist Liebhabern barocker Instrumentalmusik ein Begriff, die galante "Nr. 8" aus den "12 Concerti Grossi" für zwei Violinen, Violoncello, Streichorchester mit Generalbass ("Opus 6") bezeichnet. Schon weniger geläufig sind Arcangelo Corellis zahlreiche Trio- und Solosonaten, etwa die bedeutenden und europaweit sehr erfolgreichen Kirchensonaten. Aus heutiger Sicht markieren sie eine entscheidende Weichenstellung für die Stilvollendung der Sonate in der Epoche der Klassik.

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Noch weniger bekannt dürfte der wirkungsgeschichtliche Rang des Violinvirtuosen und Komponisten Arcangelo Corelli in der geistlichen Musik sein, insbesondere sein Einfluss auf Georg Philipp Telemann, Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Fakt ist indes: Corelli, am 17. Februar 1653 in Fusignano bei Ravenna geboren und am 8. Januar 1713 in Rom gestorben, ist unstreitig einer der großen Erneuerer der Musik seiner Zeit. Das hat Folgen für die Rezeption alter Musik bis heute.

Der englische Musikwissenschaftler Peter Allsop nannte ihn 1999 den "neuen Orpheus unserer Zeit". Eine Übertreibung? Vielleicht. Eine Einladung zum genaueren Hinsehen? Auf jeden Fall. Das Corelli-Jahr 2013 anlässlich seines Todes vor 300 Jahren bietet in den Radio- und Konzertprogrammen allerlei Gelegenheiten dafür.

Der Schöpfer eines modernen Genres

Mit dem Genre "Concerto Grosso" verbinden die meisten Musikliebhaber vor allem Georg Friedrich Händel. Seine Kompositionen op. 3 (1733) und op. 6 (1739) begründeten seinen Weltruhm als Schöpfer von Instrumentalwerken, von wiedererkennbaren Musik-Marken mit dem Ziel der Erbauung eines erlesenen Publikums. Dazu inspiriert wurde der Komponist des "Messias" während seines Aufenthalts in Italien 1706 bis 1710. Der Inspirator: Arcangelo Corelli. Denn die Kunstform des Concerto Grosso, die große und kleine Klangkörper auf raffinierte Art variiert, stammt von ihm. Er schuf das Concerto Grosso aus allerlei Vorläufern und damit ein Stück Moderne für die damalige Zeit.

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Das damals avantgardistische Genre in seiner strengen Form (im Regelfall vier Sätze mit den Tempi langsam – schnell – langsam – schnell) gewann rasch Anhänger in der musikalischen Welt. Jenseits der Alpen entstanden in Deutschland, England und den Niederlanden zahlreiche Kompositionen im neuen Stil.

Hätte die "Pop-Klassik" der damaligen Zeit heute einen Boulevard, würde Corelli darauf vermutlich als Superstar der Violine flanieren und umschwärmt. Mit 17 Jahren wurde er in die "Accademia filarmonica" von Bologna aufgenommen und später von Kardinälen in Rom protegiert. Seine Zeitgenossen schwärmten von seiner beseelten und meisterhaften Spielweise. Corelli "emanzipierte" die Violine aus ihrem beengten Dasein innerhalb des Kollektivs der übrigen Instrumente. Seine Schüler verehrten ihn inbrünstig - etwa Pietro Locatelli, der später selbst die Kunst des Concerto Grosso weiterentwickelte.

Ein Zeitgenosse Vivaldis, der keine Opern schrieb

Da wundert es kaum, dass Corelli sich als Komponist ausschließlich auf die Schaffung von Instrumentalwerken konzentrierte. Denn sein Instrument, die Geige, schwang sich zu einem "Königsinstrument" des Jahrhunderts auf. Und doch wundert es ein bisschen, weil er im Dienste von Pietro Ottoboni, einem Verwandten des kunstaffinen Papstes Alexander VIII., auch mit der Leitung von Opernaufführungen sowie der Betreuung der Kirchenmusik betraut war. Immerhin ist in Corellis Werkverzeichnis eine Sinfonia zu Giovanni Lorenzo Luliers Oratorium "Santa Beatrice d’Este" aufgeführt (1689). Antonio Vivaldi, Corellis Zeitgenosse und wie er Violonist und Komponist, schrieb selbstverständlich auch Opern. Und Händel davon rund 40 sowie an die 20 Oratorien und große Vokalwerke.

So unbestritten der Rang Corellis in der europäischen Musik ist, so schwierig ist es, das zu belegen. Nur wenige Dokumente sind erhalten, die zur Überprüfung der These von Musikexperten dienen könnten, Corelli sei speziell "Vorbild" für Händel und Bach gewesen. Auf die Popmusik übertragen, hieße das: Beeinflusste Corelli als Schöpfer des Instrumentalgenres Concerto Grosso die Titanen Bach und Händel, so wie Chuck Berry wesentlich die Beatles und die Rolling Stones inspiriert hat?

Ein indirekter Einfluss mit Folgen

Die Forschung hält die Vernetzungen aber für weniger kausal und feiner gewebt. Michael Wersin, Musikwissenschaftler und Dozent an der diözesanen Kirchenmusikschule St.Gallen (Schweiz), ist sich sicher, dass Corelli als Komponist des barocken konzertanten Stils Bachs Interesse geweckt hat: "Bach hat alles aufgesogen, was er zu fassen bekam, und sein eigener konzertanter Stil, wie er sich etwa in den Brandenburgischen oder den anderen Instrumental-Konzerten niederschlug, hat seine Vorbilder wohl im Italienischen, besonders bei Vivaldi."  Gleichzeitig zeige aber ein Blick auf Bachs Konzertwerk, dass er sich den italienischen Concerto-Stil sehr individuell angeeignet habe.

Wersin, der auch Leiter der "Cappella Vocale" der Kathedrale St. Gallen ist, verweist den möglichen direkten Einflusses auf die geistliche Musik Bachs aber in das Reich der Spekulation: "Von Corelli ist keinerlei Vokalmusik, weder geistlich noch weltlich, überliefert. Daher ist ein direkter Einfluss auf Bachs geistliche Musik nicht konstruierbar."

Bachs spezielle Art der Versinnbildlichung theologischer Inhalte und Glaubenssätze in Musik habe kaum ein Vorbild, "sicher auch nicht unmittelbar in der italienischen geistlichen Musik seiner Zeit". Das, betont der Musikwissenschaftler, sei nun wirklich Bachs eigene "Erfindung". Corellis Leichnam wurde übrigens auf Initiative von Kardinal Ottoboni im Pantheon in Rom begraben - vielleicht auch ein Zeichen seiner unbestrittenen Größe.