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Foto: Bernd Brudert, Montage: Linde Köhne
Rüdiger Durth trifft im Berliner Café "Einstein" in loser Folge Menschen aus Politik und Wirtschaft, die auch kirchlich aktiv sind. Sie stehen beispielhaft für die enge Verwurzelung der Kirche in der Gesellschaft.
Holger Schwannecke: Das Handwerk im Dorf lassen
Holger Schwannecke, von Haus aus Jurist, ist Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), einem der großen Interessenverbände in Deutschland. Aufgewachsen in einer Familie, die ihren evangelischen Glauben lebte, und viele Jahre Leiter des bundesweiten Gesprächskreises "Kirche und Handwerk", hat Holger Schwannecke auch heute noch ein lebhaftes Interesse daran, was in den Kirchen gedacht und von ihnen gefordert wird.

Hat das Handwerk Zukunft? Holger Schwanneckes Antwort ist ebenso knapp wie eindeutig: "Absolut". Es hat auch wieder einen "goldenen Boden", sagt Schwannecke. Er ist Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, dem Zusammenschluss von 53 Handwerkskammern und 37 Zentralfachverbänden sowie wissenschaftlichen Einrichtungen, und um die Zukunft des Handwerks sorgt er sich nicht. Um die zukünftigen Handwerker und Handwerkerinnen aber schon.

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"Uns fehlen die jungen Leute", beklagt Schwannecke. Es kommen zu wenig Auszubildende in die Betriebe, 15.000 Plätze im Handwerk blieben 2012 unbesetzt, besonders in Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern. Dabei ist der Handwerksberuf attraktiv, sagt Schwannecke, aber das wolle nicht in die Köpfe vieler Menschen: dass das Handwerk gute Aufstiegschancen bietet und dass der Meistertitel dem akademischen Bachelor-Abschluss gleichgestellt ist.

Auch die Sorge, dass die staatlich verordnete Lockerung der Berufsbezeichnung "Handwerk" den Handwerksbetrieben schaden könnte, ist inzwischen weitgehend verschwunden. Denn die Handwerksbetriebe haben gelernt, mit dem Titel "Meister" und  "Geselle" für Qualitätsarbeit zu werben. Und dass bargeldlos bezahlte Handwerkerrechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer teilweise bei der Lohn- und Einkommensteuer geltend gemacht werden können, hat dem seriösen Handwerk ebenfalls geholfen.

Handwerker auch abseits des Mainstreams

Trotzdem ist "Handwerker" für viele Berufsanfänger kein Ziel. Dabei ist die Bandbreite der Berufe groß, dafür wirbt Schwannecke: Junge Frauen beispielsweise seien längst nicht mehr auf "klassische" Berufe wie Friseurin, Verkäuferin, Krankenschwester oder Arzthelferin angewiesen und junge Männer nicht auf Tischler oder Kraftfahrzeugmechaniker. Viele technische Berufe stehen Frauen und Männern offen, vor allem im Maschinenbau, in der Telekommunikation oder in der Elektrotechnik.

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Aber auch für fast ausgestorbene Berufe gibt es immer noch viel zu tun. Da ist beispielsweise der Ausbildungsberuf des Seilers, der keineswegs nur dicke Seile und Taue herstellt, sondern feinste Seile und Fäden etwa für medizinische Geräte. "Das ist ein mehr als anspruchsvoller Beruf", sagt Schwannecke. Anderes Beispiel: Modellbauer, die keineswegs nur Spielzeugeisenbahnen entwerfen, sondern bei Architekten und Stadtplanern sehr gefragt sind. Nur zwei von vielen Beispielen - 130 verschiedene Ausbildungsberufe hält das Handwerk bereit.

Eine enge Beziehung zwischen Kirche und Handwerk

Mit Sorge schaut der ZDH-Generalsekretär aber auf ländliche Regionen, nicht nur in den neuen Bundesländern. Durch den Wegzug der jüngeren Generationen in die Ballungsgebiete bleiben auf den Dörfern oft nur die alten Menschen zurück. Dabei seien sich alle verantwortlichen Politiker und gesellschaftlichen Kräfte einig, dass das Dorf nicht sterben dürfe.

Für Schwannecke gehen dabei Handwerk und Kirche Hand in Hand: "Es ist wichtig, dass nicht nur der Pfarrer vor Ort bleibt, sondern auch das Handwerk." Gerade die demographische Entwicklung biete neue Möglichkeiten, zum Beispiel beim altersgerechten Umbau von Wohnungen. "Bleibt das Handwerk vor Ort, dann bleiben auch Arbeitsplätze für die Jüngeren erhalten", sagt Schwannecke.

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Zwischen Kirche und Handwerk bestehe seit Jahrhunderten eine enge Beziehung, betont Schwannecke. Die Kirche sei auf handwerkliche Dienstleistungen angewiesen, vom Dachdecker bis zum Maurer, vom Schreiner bis zum Steinmetz, vom Glockengießer bis zum Heizungsmonteur. Umgekehrt sei das Handwerk auf die Aufträge der Kirche angewiesen. Überrascht ist Schwannecke immer wieder, wie viele Menschen sich in den neuen Bundesländern für den Erhalt und die Sanierung vom Zerfall bedrohter Gotteshäuser einsetzen, obwohl sie gar nicht Mitglied einer Kirche sind. Allein in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Sachsen stehen über 90 Prozent der Kirchen und Kapellen unter Denkmalschutz. Da geht dem Handwerk die Arbeit nicht aus.

Eine Statistik ist Holger Schwannecke nicht bekannt, wie viele Handwerksmeister sich in kirchlichen Gremien vor Ort beteiligen. "Aber es sind sehr viele, die neben ihrem anstrengenden Beruf die Wahl in einen Kirchenvorstand oder ein Presbyterium annehmen. Auch das fördert das Verhältnis zwischen Kirche und Handwerk." Was sagt er dazu, dass den Kirchen von Seiten der Wirtschaft oft vorgeworfen wird, politisch links zu sein? "Ach, lassen wir diese Generalisierungen", sagt der Handwerks-Generalsekretär. Auch das Verhältnis zu den Gewerkschaften sei gegenwärtig gut, "auch wenn uns manches trennt."

"Für uns ist wichtig, wohin jemand will"

Holger Schwannecke ist kein Schwarz-Weiß-Maler. Auch bei der Frage, woher der Nachwuchs für das Handwerk denn kommen solle, bleibt er differenziert. Aussagen wie "Abiturienten verdrängen Hauptschüler" oder "Hauptschüler sind nicht ausbildungsreif" lässt er nicht gelten. Viele Hauptschüler hätten tatsächlich Defizite im Wissen, aber das könne man keineswegs nur der Schule anlasten. Hier sei auch das Elternhaus gefragt, "vor allem dann, wenn es um das Sozialverhalten, den Respekt vor Vorgesetzen oder das Akzeptieren berechtigter Rügen geht".

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Viele Handwerksbetriebe seien längst dazu übergangen, eigene Weiterbildungsveranstaltungen für Auszubildende anzubieten und auch jungen Menschen ohne Hauptschulabschluss eine Chance zu bieten. Holger Schwannecke gehört auch nicht zu denen, die sagen: "Die Hauptschule taugt nichts." Genau hinschauen, ist seine Devise. Am Ende braucht das Handwerk ist ebenso wie die Industrie oder die Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte, egal wo sie herkommen.

Darum wirbt das Handwerk neuerdings auch mit Slogans wie "Der Meister der Zukunft ist ein Türke". "Warum nicht?" sagt Schwannecke und verweist auf die ständig wachsende Zahl junger Menschen mit Migrationshintergrund: "Für uns ist nicht wichtig, woher jemand kommt, sondern wohin er will." Es sei oft mühsam, zugewanderte Eltern davon zu überzeugen, dass es sich lohne, wenn ihre Kinder eine Ausbildung machten. Aber: "Wenn sie dann den Gesellen- oder Meisterbrief auf den elterlichen Tisch legen, dann sind es vor allem die Eltern, die stolz sind."