Christine Neubauer als Pastorin Franziska Kemper bei der Arbeit
Foto: Oliver Feist
Christine Neubauer als Pastorin Franziska Kemper bei der Arbeit
"Die evangelische Kirche ist ziemlich nah bei den Menschen"
Christine Neubauer über Kirche, Glaube und ihre neue Rolle als "Die Pastorin"
Sie ist bekannt und beliebt als "Landärztin", "Vollweib", "Geierwally" oder auch als "Holzbaronin". In ihrem neuen Film, der am Sonntagabend im ZDF läuft, spielt die erfolgreiche Schauspielerin Christine Neubauer die geschiedene Pastorin Franziska Kemper. Die ist mit ihren beiden Kindern von Bayern nach Lübeck gezogen, damit diese ihren Vater, der jetzt bei seiner neuen Freundin Andrea lebt, häufiger sehen können. Die Verwicklungen beginnen, als Franziska zu einem Seelsorgegespräch gebeten wird, das ausgerechnet Andrea und deren Mutter betrifft - und bei dem es buchstäblich um Leben und Tod geht. Im Interview mit evangelisch.de spricht Christine Neubauer über ihre Rolle - und ihren Glauben, die Kirchen, Motorradfahren und Menschen mit Fehlern als Seelsorger.
14.04.2013
evangelisch.de

Im Film "Die Pastorin" spielen Sie die Pastorin Franziska Kemper. Pastorin ist kein Beruf wie jeder andere, die Rolle war auch keine ganz "alltägliche". Wie sind Sie damit umgegangen, wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

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Christine Neubauer: Tatsächlich war ich sehr erstaunt, als die Produzentin Regina Ziegler mir diese Rolle angeboten hat. Sie kam auf diese Idee, weil wir zuvor zusammen in "Gottes mächtige Dienerin" das Leben der Schwester Pascalina verfilmt hatten, die Assistentin von Papst Pius XII. war. Das war mir natürlich erstmal vertrauter, weil ich ja im katholischen Bayern aufgewachsen bin. Deswegen war ich anfangs sehr überrascht, dass ich hier eine evangelische Pastorin spielen sollte. Aber ich war auch sehr erfreut, dass ich mich mit einer weiteren Facette von Glauben beschäftigen durfte. Eigentlich habe ich mich nicht sehr viel anders vorbereitet, als auf andere Rollen auch - wenn man zum Beispiel historische Personen spielt und sich im Vorfeld mit der entsprechenden Zeit beschäftigt. Am intensivsten war die Vorbereitung dann eigentlich, als wir schon gedreht haben, und zwar die Kirchenszenen. Wir waren in dieser Phase nämlich am Drehort in der Gemeinde einer realen Pastorin zu Gast, die leider bereits gestorben war. Aber ich hatte in dieser Zeit sehr intensive Gespräche mit ihrem Mann, der mir sehr viel über seine Frau erzählt hat und mir auch ein Büchlein mit Predigten von ihr mitgegeben hat. So konnte ich ein Gefühl für zumindest EINE Pastorin entwickeln. Was mich in der Vorbereitung für diese Rolle allerdings tatsächlich an meine Grenzen gebracht hat, war etwas ganz anderes: Ich musste nämlich innerhalb von 14 Tagen den Motorradführerschein machen - und das im Herbst, in Regen und Kälte, mit vier bis fünf Fahrstunden pro Tag. Das war wirklich hart!

Eine Pastorin mit einer schnellen Leidenschaft

Franziska Kemper, die Pastorin, die Sie spielen, ist ein eher unkonventioneller Typ: Sie fährt eben leidenschaftlich gerne Motorrad, weigert sich, auf der Kanzel zu stehen und spielt im Gottesdienst laut Musik von Janis Joplin. Hat Sie das besonders gereizt?

Neubauer: Ja, absolut. Das war der Teil der Rolle, der mich auch am meisten berührt hat: Vor allen Dingen die Tatsache, dass sie nicht nur eigen, sondern auch nicht frei von Fehlern ist, dass bei ihr auch nicht alles glatt läuft. Das finde ich nämlich gerade das Menschliche: Dass wir - trotzdem oder gerade weil wir selbst Probleme haben, mit denen wir nicht zurecht kommen - anderen damit helfen können.

"Bei Männern, die sich für ihren Beruf aufopfern, wird so etwas viel seltener hinterfragt"

Eines dieser Probleme bei Franziska Kemper scheint ja zu sein, das sie sich so sehr um die Menschen in ihrer Gemeinde kümmert, dass sie ihre eigene Ehe und Familie vernachlässigt. Ist das ein typisches Problem in Berufen, die Menschen sehr zugewandt sind?

Neubauer: Ja, das glaube ich schon, vor allen Dingen, wenn man diese Berufe mit Leidenschaft ausübt. Wenn dieser Beruf 'Berufung' ist, wenn man darin aufgeht. Und das ist bei Franziska Kemper auf jeden Fall so. Und dann kommt ja noch hinzu, dass das kein Beruf ist, der nach Stechuhr funktioniert, sondern vielmehr einer, der einen eigentlich rund um die Uhr fordert. Deswegen sagt Franziskas Ex-Mann ja auch an einer Stelle im Film, dass sie eine gute Seelsorgerin, aber eine lausige Ehefrau sei. Besonders ist außerdem, dass hier eine Frau handelt. Bei Männern, die sich für ihren Beruf oder ihre Firma aufopfern, wird so etwas immer noch viel seltener hinterfragt.

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Was im Film sehr schön, auch auf eine augenzwinkernde Art und Weise, dargestellt wird, ist, dass der Beruf der Pastorin ein sehr öffentlicher ist. Eigentlich steht sie und alles, was sie tut, ständig unter Beobachtung - auch und gerade im Privatleben. Sehen Sie da vielleicht sogar Parallelen zu einem Leben als erfolgreiche Schauspielerin?

Neubauer: Für mich kann ich das eindeutig bejahen. Im Film wird das so ein bisschen deutlich an der Predigt, wo der Inhalt dessen, was dort gesagt wird, daraufhin geprüft wird, wie sich die Person dann entsprechend in ihrem eigenen Leben verhält. Der Hauptunterschied ist vielleicht, dass bei einer Pastorin nicht auch schon kleinere Verfehlungen gleich in der Presse stehen - wenn man nicht gerade Margot Käßmann heißt. Aber im Kleinen kann man die beiden Berufe durchaus vergleichen, deshalb konnte ich das persönlich auch gut nachvollziehen.

Wäre Pastorin vielleicht ein Beruf, den Sie sich vorstellen könnten, wenn Sie nicht Schauspielerin geworden wären?

Neubauer: Mit Menschen umzugehen, vor Menschen zu sprechen, aber vor allem mit Menschen zu sprechen, das ist natürlich schon etwas, das mir Freude macht. Aber die Leidenschaft für die Schauspielerei, die ich seit meiner Kindheit habe, mit der ich bis heute meinen Beruf ausübe und die mich hoffen lässt, noch bis ins hohe Alter als Oma vor der Kamera stehen zu können, die ist einfach zu groß.

Pastorin Franziska Kemper und ihr Vater Johannes (gespielt von Tilo Prückner)

Warum kann man eigentlich immer wieder Geschichten über Pastoren oder Ärztinnen im Fernsehen sehen, aber eher nicht über Bauingenieure oder Busfahrerinnen?

Neubauer: Weil das soziale Berufe sind - Berufe, von denen Menschen sich Hilfe erwarten. Und deswegen, glaube ich, wollen sie auch Geschichten darüber sehen.

Welcher Aspekt des Pastorenberufes ist für Sie der Wichtigste: Seelsorge, Gemeindeorganisation, Verkündigung, ...?

Neubauer: Das kann man eigentlich nicht gewichten. Aber der zwischenmenschliche Bereich, das Psychologische, der soziale Charakter – also die Seelsorge, das ist mir schon besonders wichtig. Das bedeutet für mich, mit den Menschen zu reden, ihnen einen Weg aufzuzeigen, natürlich über den Glauben, aber auch über das eigene Empfinden. Zum Beispiel die Beschäftigung mit der Frage, die im Film aufgeworfen wird: Kann man ein Leben gegen ein anderes aufwiegen? Eine Frage, die letztendlich offen bleiben muss.

Sie haben ja auch selbst mal zwei Semester Psychologie studiert. Hat Ihnen das geholfen, die Seelsorgegespräche im Film authentischer zu gestalten?

Neubauer: Für diese Art von Gesprächen nicht direkt. Aber die Psychologie hilft mir immer in der Arbeit an meinen Rollen, für die ich ein Psychogramm erstelle. Und sie hilft mir auch beim Zwischenmenschlichen. So bedeutet zum Beispiel die Verletztheit durch die eigene gescheiterte Ehe, dass man anderen wiederum einen guten Rat geben kann, aus der eigenen Erfahrung heraus.

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Die Pastorin Franziska Kemper im Film ist eine absolut sympathische Identifikationsfigur. Könnten Unterhaltungsfilme wie dieser möglicherweise auch dazu beitragen, das angegriffene Image von Kirche in der Öffentlichkeit wieder etwas aufzubessern? Und was müssten die Kirchen aus Ihrer Sicht dazu tun, was müsste sich verändern?

Neubauer: Ich glaube, die evangelische Kirche ist dadurch, dass ihre Mitarbeiter, ihre Pastorinnen und Pastoren das Leben sozusagen vor der Haustüre haben, dass sie, wie meine Filmfigur, als Menschen wie du und ich mit ihren Fehlern trotzdem anderen helfen können - dass sie dadurch ziemlich nah bei den Menschen ist. Und da sind wir auch bei dem Hauptpunkt, wo die katholische Kirche, wie ich finde, eben schauen muss, dass sie diese Nähe zu den Menschen nicht verliert. Ich finde, dass genau durch diese fehlende Nähe auch eine spürbare Abwendung der Menschen geschieht. Da fehlt einfach eine Offenheit. Vor allem das Zölibat ist da ein großes Problem, glaube ich. Das anzutasten, halte ich allerdings für geradezu revolutionär, das ist zu weit weg. Aber natürlich kann ich das auch nicht wirklich in der Gesamtheit beurteilen. Vielleicht kann der neue Papst Franziskus I. ja generell jetzt Veränderung bringen. Ich denke, das wird auch erwartet. Wie groß die Schritte sein werden, die er machen kann und will, das weiß ich aber natürlich nicht.

"Benedikt XVI. und ich, wir haben uns in bayerischem Dialekt unterhalten"

Sie haben vor zwei Jahren den alten Papst, Benedikt XVI., getroffen. Wie war das für Sie?

Neubauer: Das war schon überwältigend. Das war in Rom, auf dem Petersplatz, in einer sehr kleinen Privataudienz, mit sehr wenigen Menschen - und das hat mich doch beeindruckt und bewegt. Er kannte mich auch, und auch Schwester Pascalina, die ich damals gerade gespielt hatte und wir haben uns tatsächlich in bayerischem Dialekt unterhalten, unserer Heimatsprache. Das hat schon eine Ebene hergestellt, die sehr vertraut war, wo man sich annähern konnte.

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Würden Sie sich eigentlich selbst als gläubig oder religiös bezeichnen?

Neubauer: Ja, gläubig im Sinne der Menschlichkeit. Ich lebe absolut nach christlichen Werten, vor allem darin, wie ich auf Menschen zugehe. Und da möchte ich mich auch nicht durch negative Erfahrungen, die es natürlich durchaus gibt, verbiegen lassen. Zu helfen, keine Vorurteile zu haben und sich selbst immer im Spiegel anschauen zu können, das sind für mich christliche Werte. Ich glaube auch an Gott, wie immer er auch heißen oder beschrieben werden mag. Und ich glaube zudem, dass einige Dinge im Leben für uns vor-bestimmt sind.

Haben Sie eine Lieblingsbibelstelle, ein Zitat, das Ihnen viel bedeutet?

Neubauer: Oh ja: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." (Johannes 8,7)