Foto: dpa/Jörg Carstensen
ZDF-Intendant Bellut: "Innovationen sind wichtig"
50 Jahre nach der Gründung ist das ZDF einer der größten Sender Europas. Gemeinsam mit der ARD betreibt der Mainzer Sender den Nachrichten- und Ereigniskanal Phoenix und den Kinderkanal. Auch an den europäischen Kulturkanälen ARTE und 3sat ist das ZDF beteiligt. Hinzu kommen die Digitalkanäle ZDFneo, ZDFinfo und ZDFkultur. Thomas Bellut, der seit März 2012 an der Spitze des Senders steht, ist der fünfte Intendant des ZDF. Von 2002 bis 2012 war er Programmdirektor. Der Evangelische Pressedienst (epd) sprach mit ihm über 50 Jahre ZDF, die Kunst der Unterhaltung und einen möglichen öffentlich-rechtlichen Jugendkanal.
24.03.2013
epd
Diemut Roether

Das ZDF begeht Anfang April sein 50-jähriges Bestehen. Was ist Ihre erste Erinnerung an das ZDF?

Thomas Bellut: Die "heute"-Nachrichten und "Wünsch dir was", die Szene, in der das Auto versenkt wurde. Damals lebte ich in Norddeutschland, und das ZDF war für den Jungen vom Lande die schicke, urbane Alternative zum ARD-Programm.

Das ZDF wurde damals vor allem mit Shows verbunden, "Dalli Dalli", "Der große Preis"...

Bellut: "Der goldene Schuss", Peter Alexander...

In der Medienpublizistik hieß es immer, das ZDF sei der große Unterhaltungsdampfer. Ist das ein Image, mit Sie heute noch leben können und wollen?

Bellut: Ein Image kann man nur begrenzt senden. Das ZDF war damals die Alternative zur ARD, eine Rolle, die dann mehr und mehr von den Privatsendern übernommen wurde. Heutzutage haben wir eine deutliche Trennlinie zwischen der Aufstellung der Privatsender und der Öffentlich-Rechtlichen. Ich glaube, dass wir nach wie vor Stärken in den unterhaltenden Programmen haben, aber es ist ein klares Informationsprofil dazugekommen. Ich nenne als Beispiel das "heute-journal", das ist eine vitale Plattform für gesellschaftliche Diskussionen.

Stellen Sie heute manchmal ein Defizit in der Unterhaltung fest?

Bellut: Das stellen wir alle fest. Man sieht, dass die "Großmoderatoren" aus vergangenen Zeiten stammen, also schon 20 Jahre und mehr auf dem Bildschirm sind - Jauch, Gottschalk - und dass es durch die Sendervervielfachung immer schwieriger wird, Personen in dieser Höhe zu etablieren. Ich nehme jetzt mal die Blitzkarriere von Markus Lanz aus. Sie zeigt, dass die Bekanntheit dann enorm hochschnellt, wenn die Plattform groß genug ist. Das bringt dann eine große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, ist aber eher untypisch. Davon abgesehen wird es nicht einfacher, neue große Unterhaltungsformate mit mindestens drei bis vier Millionen Zuschauern zu etablieren.

"Das Typische am jungen Publikum ist, dass es tabubrechende Sendungen mag"

Eine Show soll ja auf das große Publikum zielen.

Bellut: Nicht alle. Mit der "heute-show" bieten wir am späten Freitagabend intelligente Unterhaltung, für eine ganz spezielle Gruppe mit einem ganz speziellen Typen wie Oliver Welke. Unterhaltung ist ein weites Feld.

Mit der "heute-show" sprechen Sie vor allem auch ein jüngeres Publikum an. Gelingt es, dieses jüngere Publikum auch für weitere ZDF-Sendungen im Hauptprogramm zu interessieren?

Bellut: Das ist schwierig, aber es geht schon. Ein Fernsehfilm wie "Und alle haben geschwiegen" hatte kürzlich deutlich über zehn Prozent bei den Jüngeren, und auch die anschließende Dokumentation hatte bei den jungen Zuschauern einen Rekordwert. Daran sieht man, dass es funktioniert. Und dabei hilft uns auch das Netz. Die "heute-show" wird von 300.000 bis 400.000 Nutzern zeitversetzt in der Mediathek angeschaut, die meisten unter 50. Wir befördern deshalb diese Verbreitung im Netz und optimieren unser Bewegbildangebot konsequent.

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Bei den Informationssendungen hat sich etwa das "heute-journal" auch bei den jüngeren Zuschauern verbessert. Und es gelingt auch immer wieder mit Auffälligkeiten, Jüngere anzuziehen. Wir bieten also einiges für die Jahrgänge, die nicht ständig bei uns sind. Aber Wunder erwarte ich mir bei dem hohen Informationsanteil und der Seriosität unseres Programms nicht. Das Typische am jungen Publikum ist, dass es tabubrechende Sendungen mag. Das sind auch Folgen des Internets, von YouTube. Das sind andere Rezeptionsmuster. Und unsere Aufgabe ist es, das Angebot so spannend und abwechslungsreich zu erhalten, dass wir auch die Jüngeren immer wieder ansprechen.

"Mit den Sparvorgaben können wir nicht alle drei Plattformen adäquat mit innovativen Programmen füllen"

Das junge Publikum wollen Sie vor allem mit den Digitalkanälen erreichen, die Ihr Vorgänger, Markus Schächter, etabliert hat - ZDFneo, ZDFinfo, ZDFkultur. Jetzt sind Sie gerade mal ein Jahr im Amt und wollen den jüngsten dieser jungen Sender, ZDFkultur schon wieder einstellen. Warum?

Bellut: Die drei Digitalkanäle haben viel Positives bewirkt. Sie haben vor allem in der ersten Welle viele Innovationen gebracht, die nicht nur von der Presse sehr gut aufgenommen worden sind. Wir haben dann aber gesehen, dass wir bei den Sparvorgaben, die wir zurzeit haben, nicht alle drei Plattformen adäquat mit innovativen Programmen füllen können. Kulturangebote haben wir reichlich, etwa bei 3sat und ARTE. Und der quantitative Erfolg bei ZDFkultur hielt sich in Grenzen. Gleichwohl sehe ich dort viele interessante Sendungen, zum Beispiel die Musikformate, aber auch crossmediale Angebote, und die möchte ich erhalten, zum Beispiel bei ZDFinfo, ZDFneo und 3sat.

3sat und ARTE haben sich in den vergangenen Jahren nicht dadurch hervorgetan, dass sie viele neue Formate präsentiert hätten. ZDFkultur hat in den knapp zwei Jahren seines Bestehens sechs Nominierungen für den Grimme-Preis bekommen für neue Sendungen. Wie wollen Sie erreichen, dass dieser Innovationsschub, der ja zu belegen ist, erhalten bleibt?

Bellut: Sie haben Recht, Innovationen sind wichtig. Es scheint so zu sein, dass bei Neugründungen die Bereitschaft und die Möglichkeiten dafür viel größer sind. Und meine Aufgabe ist es, auch in den etablierten Kanälen die Bereitschaft für Innovation stärker zu öffnen. 3sat ist eine vitale Plattform, denken wir nur an "Kulturzeit". Warum sollte es nicht möglich sein, den Touch, den ZDFkultur in dieses Genre gebracht hat, weiterzuführen?

"Mann muss für einen Jugendkanal in Deutschland selbst produzieren, und das kostet einfach Geld"

ZDFkultur wurde von Ihrem Fernsehrat schon identifiziert als möglicher Kanal, der in einem noch zu gründenden gemeinsamen Jugendkanal von ARD und ZDF aufgehen könnte. Wie sollte ein solcher öffentlich-rechtlicher Jugendkanal Ihrer Meinung nach idealerweise aussehen?

Bellut: Er sollte vor allem mit großer Sorgfalt und dem nötigen Einsatz geplant werden. Ich kann eine solche Aufgabe nur dann annehmen, wenn die Bundesländer das ZDF und die ARD damit beauftragen. Ich führe derzeit einen schmerzhaften Personalabbau durch, und es wäre für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vermittelbar, wenn ich leichtfertig 'Ja' sagen würde zu einem neuen Angebot, das neues Personal benötigt. Programm wird von Menschen gemacht. Und für einen Jugendkanal braucht man das richtige Personal. Dieser Bedarf muss anerkannt sein, bevor es losgeht.

Was schätzen Sie, wie viel Geld Sie für einen solchen Jugendkanal seriöserweise brauchen?

Bellut: Mindestens 50 Millionen Euro und das wird nicht wirklich reichen. Ein Jugendkanal wäre ein weitgehend neues Angebot, hat kaum Analogien zu bestehenden Angeboten, außer im Hörfunk. Bei der ARD gibt es viele erfolgreiche junge Wellen, das ist in der Tat schon etwas. Aber damit macht man keinen TV-Kanal. Im Fernsehen ist es vor allem amerikanische Ware, die bei jüngeren Privatkanälen wie ProSieben reüssiert. Dieser Weg ist uns weitgehend durch bestehende Output-Deals der Privatsender verschlossen. Das heißt, man muss für diesen Kanal in Deutschland selbst produzieren, und das kostet einfach Geld.