Kloster Loccum
Foto: epd-bild/Jens Schulze
Das Kloster Loccum am Steinhuder Meer in Niedersachsen wurde 1163 von Zisterzienser-Mönchen gegründet und wechselte um das Jahr 1600 zum evangelisch-lutherischen Glauben
Kloster Loccum: Lebendige Tradition hinter dicken Mauern
Das Kloster Loccum zwischen Weser und Steinhuder Meer hat viele Umbrüche und Krisen erlebt. Doch die Tradition der Zisterzienser blieb ungebrochen. Jetzt feiert das Kloster sein 850-Jähriges Bestehen.
21.03.2013
epd
Michael Grau

Mit einem Festgottesdienst in der Klosterkirche haben am Donnerstag die Feierlichkeiten zum 850-jährigen Bestehen des evangelischen Klosters Loccum begonnen. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister würdigte vor rund 1.250 Gästen das von Zisterzienser-Mönchen gegründete Kloster als standorttreu: "Ein Ort, in dem die Liebe zum Wort Gottes in allem Wandel beständig geblieben ist." Bis Ende Oktober sind im Kloster mehrere Hundert Veranstaltungen geplant. Die Initiatoren rechnen mit mindestens 150.000 Besuchern.

Im 1163 gegründeten Kloster sei die Zeit "jahrhundertelang ohne Hast und Eile in einer - für uns heute - fast bedrohlichen Langsamkeit vergangen", sagte Meister. Heute dagegen werde die Zeit durch extreme Beschleunigung vernichtet, kritisierte der evangelische Theologe. "Uns erscheint es schon als Lebensverschwendung, wenn am Postschalter nur drei Personen vor uns stehen und wir warten müssen." Ein Computer dürfe nicht 30 Sekunden lang starten, sondern solle sofort das Fenster in die unendliche virtuelle Welt öffnen: "So vernichten wir Räume und Zeiten." Doch auch die moderne Gesellschaft brauche feste Orte, Zeiten und Rhythmen. Das Kloster sei für viele inzwischen eher ein fremder Ort. Damit biete es den Menschen eine Chance, dem Alltag zu entkommen: "Denn nur in der Fremde können wir uns selbst erkennen. Im Bekannten können wir keine Reise antreten, die uns wegführt von uns selbst."

Der kleine Finger von Bonifatius

Abt Horst Hirschler sagte zuvor, das Kloster habe "eine Wegstrecke voller Wunder" hinter sich. Zeugnisse dieses Weges sind noch da. Gut gesichert lagern Reliquien wie etwa der kleine Finger des Heiligen Bonifatius (um 672-754) in einem Beutel hinter den dicken Mauern des Klosters Loccum bei Nienburg - ein Geschenk des Doms zu Fulda aus einer Zeit, in der Knochenreste von Märtyrern noch verehrt wurden. "Der ist schon zu Staub zerfallen", sagt Abt Horst Hirschler, der dem Kloster seit 13 Jahren vorsteht.. "Aber der Staub wird anständig behandelt." Geschichten wie diese wird Hirschler (79) in den nächsten Monaten noch oft erzählen. Denn noch bis Ende Oktober blickt das Kloster auf sein 850-jähriges Bestehen zurück.

###mehr-links###

Das 1163 gegründete Zisterzienserkloster gilt als geistliches Zentrum der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der mit rund 2,8 Millionen Mitgliedern größten evangelischen Landeskirche in Deutschland.  Zwar leben dort heute keine Mönche mehr, doch an ihre Stelle sind junge Theologinnen und Theologen getreten, die das Klosterleben auf andere Weise fortführen: Sie werden in einem Predigerseminar zu Pastorinnen und Pastoren für ganz Niedersachsen und Bremen ausgebildet. "In Loccum hat sich in bundesweit einzigartiger Weise spätmittelalterliche Klostertradition erhalten", sagt der Kirchenhistoriker Hans Otte aus Hannover.

Seiner versteckten Lage, der protestantischen Ausrichtung und Zufällen der Geschichte ist es vermutlich zu verdanken, dass das Kloster die Jahrhunderte überdauert hat. Die Bilderstürme der Reformationszeit gingen an Loccum ebenso vorüber wie die Herrschaft Napoleons, die viele Klöster zum Erliegen brachte. In der wertvollen Klosterbibliothek mit ihren rund 80.000 Bänden und Urkunden ist die wechselvolle Geschichte bis in die Anfänge dokumentiert.

Es begann mit zwölf Mönchen und einem Abt

Sie beginnt am 21. März 1163 rund 35 Kilometer weiter südwestlich im Dom zu Minden. Dort stiftete Graf Wulbrand von Hallermund dem Zisterzienserorden das Land rund um die Burg Lucca, deren Reste heute noch im Klosterwald zu besichtigen sind. Im Frühsommer 1163 trafen daraufhin nach langem Fußmarsch zwölf Mönche und ein Abt aus dem thüringischen Kloster Volkenroda in Loccum ein, um den Grund und Boden zu kultivieren.

###mehr-artikel###

Bis zu 180 Mönche, Priester und Laien, beteten und arbeiteten in guten Zeiten in Loccum. In der stürmischen Reformationszeit blieben sie zunächst dem alten Glauben treu. Doch um 1600 ließen sie sich von Luthers Schriften überzeugen und wurden protestantisch. "Luther wies aus der Bibel nach, dass ein Mönch nicht leichter in den Himmel kommt als ein Handwerker", erläutert Horst Hirschler, der bis 1999 Bischof der hannoverschen Landeskirche war.

Mit dem neuen Glauben wurden auch die Reliquien plötzlich wertlos. Der lutherische Abt Gerhard Molanus (1633-1722) ließ deshalb Dutzende von ihnen auf dem Klosterfriedhof bestatten. An unbekannter Stelle, damit sie von "Altgläubigen" nicht wieder ausgegraben werden konnten. Doch einige liegen weiterhin im Kloster-Safe: "Es sind Erinnerungen an Christen, die für ihren Glauben den Kopf hingehalten haben."

Tradition mit Brüchen

Obwohl die Reformation einen tiefen Bruch bedeutete, hat das Kloster an vielen Traditionen festgehalten. Bis heute wird es von einem Abt, einem Prior und einem Konvent geleitet. Es gehört weiterhin offiziell zum katholischen Zisterzienser-Orden mit Sitz in Rom und zur Gemeinschaft der evangelischen "Zisterzienser-Erben".

Loccum habe die Misswirtschaft einiger Äbte, die Reformation, Napoleon, den Reichsdeputationshauptschluss 1803 und die NS-Zeit überlebt, bilanzierte der frühere hannoversche Landesbischof Hirschler. Und Tag für Tag feiern Mitarbeiter und Gäste in der inzwischen umfassend restaurierten Klosterkirche so wie früher die "Hora": Lieder, Gebete, Bibeltexte, Schweigen. Jeden Abend um 18 Uhr. Seit 850 Jahren. Auch in Krisenzeiten wie im Zweiten Weltkrieg, als das Kloster als Lazarett diente, ist sie nicht ausgefallen. "Es war immer jemand da", erzählt Hirschler. "Das ist ein ganz hoher Wert und der geistliche Inhalt des Klosters." Für ihn ist sein Amt als Abt die schönste Aufgabe, die er sich vorstellen kann: "Dieses wunderbare Kloster mit Leben zu füllen, das ist das Beste."