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Jean Paul oder Die erträgliche Leichtigkeit des Seins
Feierstunden, Ausstellungen, neue Museen – und eine ganz besondere Theaterpremiere: Die Literaturwelt feiert den 250. Geburtstag von Jean Paul. Es ist der Versuch, den fränkischen Dichterfürsten dem Vergessen zu entreißen.
21.03.2013
evangelisch.de

Am 21. März 1763 um 1.30 Uhr erblickte Johann Paul Friedrich Richter, der sich später als Schriftsteller Jean Paul nannte, in einer Kammer des evangelischen Pfarrhauses in Wunsiedel das Licht der Welt. Genau 250 Jahre später, in der vergangenen Nacht, wurde nun die kürzlich wieder entdeckte Geburtsstube des fränkischen Dichterfürsten als Museum eröffnet. Die ungewöhnliche Einweihungsfeier kurz nach der Geisterstunde ist Teil eines umfangreichen Jubiläumsprogramms, mit der Jean Paul von der Literaturwelt weit über seine engere Heimat hinaus in diesem Jahr gefeiert wird.

###mehr-artikel###Jean Pauls biografische Spuren bewegen sich in den kleinen Grenzen Oberfrankens. Der Pfarrerssohn aus dem Fichtelgebirge wurde in Joditz bei Hof groß und fand später in Bayreuth seine zweite Heimat. "Hier wollen wir bleiben, bis uns der Himmel einen Wohnort zwischen Sonne und Milchstraße einräumt", schrieb er bei seiner Ankunft über den Ort, der einmal durch Richard Wagner bekannt werden sollte. In der Markgrafenstadt starb der Dichter schließlich am 14. November 1825. "Ein vollendeter Narr mit dem Gemüt eines Kindes", schrieb ein Zeitgenosse über ihn.

Einer der berühmtesten Autoren seiner Zeit

Doch Jean Paul war nicht nur der biertrinkende Gemütsmensch, als der er noch heute gerne beschrieben wird. Zwischen Klassik und Romantik stehend, zählte er zu den berühmtesten Schriftstellern seiner Epoche, wurde mit Goethe und Schiller verglichen. Mit Romanen wie "Hesperus", "Flegeljahre", "Titan" oder den ersten deutschen Eheroman "Siebenkäs" gab er der lutherisch geprägten Bürgerlichkeit seiner Zeit Ausdruck  und schrieb sich zugleich, ohne die Welt gesehen zu haben, in die Weltliteratur ein.

Der Schriftsteller Jean Paul, hier auf einem um 1870 entstandenen Gemälde nach einem zeitgenössischen Porträt.

Heute ist das kaum noch bekannt. Selbst literaturbewanderte Zeitgenossen zucken beim Namen Jean Paul meist mit den Achseln. Seine Werke gelten als schwieriger, teils auch ermüdender Stoff. "Sie haben eine Dimension mehr, als der Leser gewohnt ist", schrieb Hermann Hesse schon vor Jahrzehnten in einer klugen Analyse. "Sie setzen ein Eingehen, ein Ernstnehmen, ein Mitgehen, dann wieder ein Spielenkönnen und Kindseinkönnen voraus, welches den Gewohnheitslesern von Zeitungen und modernen Unterhaltungsbüchern schwer fällt oder gar verloren gegangen ist."

Der Mensch so zahm wie ein Tiger?

Allerdings: Wer sich einmal in diese Texte hineingekniet hat, wird reich entlohnt – mit Sätzen von zeitloser Schärfe. "Kein Mensch denkt mehr frei, der ein System hat", heißt es da. Oder: "Ich wollte, man könnte die Menschen so zahm machen wie die Tiger." Jean Paul seziert in seinen Werken das menschliche Denken, die menschliche Seele in unnachahmlicher Präzision: "Jeder Mensch wird als Zwilling geboren: als der, der er ist, und als der, für den er sich hält." Unüberhörbar ist sein Aufruf zu fröhlichem Leben: "Genieße deine warme Jugend vor der Eisgrube des Alters."

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Einige dieser Sentenzen stammen aus dem 1795 entstandenen "Siebenkäs". Dieses faszinierende Werk präsentierte nun die Studiobühne Bayreuth, die in der Wagnerstadt das fehlende Stadttheater ersetzt, am Vorabend des Dichtergeburtstages in einer sehenswerten Bühnenfassung – eine Welturaufführung, die Jean Paul mit Sicherheit gefallen hätte. Marieluise Müller und Frank Piontek hatten den 600-Seiten-Roman zu einer Theaterfassung verdichtet, die unter Müllers Regie zu einem Lehrstück über die Unmöglichkeit der Ehe wird.

Faszinierend eindringlich gespielt

Denn Siebenkäs (faszinierend eindringlich gespielt von Hartmut Thurner), der Armenadvokat aus Kuhschnappel, ist erstens zu sehr Jurist, und zweitens zu sehr mit seinem Freund Leibgeber (kongenial Jürgen Fickentscher) verbandelt, um sich ernsthaft auf die eheliche Verbindung mit Lenette (in zwei Rollen überzeugend: Michaela Bachhuber) einzulassen. Der heitere Beginn führt rasch zu einer beklemmenden, fast klaustrophobischen Abkühlung. Unversöhnlich stehen sich die Welten des gelehrt-verstiegenen Advokaten und der kreuzbraven, putzfröhliche Bedienstetentochter gegenüber.

Siebenkäs (Hartmut Thurner, rechts) und sein Freund Leibgeber (Jürgen Fickentscher) tanzen zu den Celloklängen der Frühlingsgöttin Flora (Sibylle Friz).

Im zweiten Teil der von Ruth Krottenthaler mit großer Poesie ausgestatteten Inszenierung entsteht ein Traumbild, das die häusliche Lenette in eine Frau namens Natalie verwandeln wird, die den Herren Leitgeber und Siebenkäs zu denken gibt. Auch sie wird von Michaela Bachhuber gespielt – Männerphantasien, die sich ad absurdum führen. Die Frühlingsgöttin Flora (schauspielerisch und musikalisch exzellent, diese Mimik! Sibylle Friz) gibt den Takt vor, ein Cello in der Hand, und unter ihrem souveränen Strich ist es gut, dass das das Ende offen bleibt.

Keine Gefahr, ihn zu vergessen

Der Bayreuther "Siebenkäs" wird noch bis Mai gezeigt, und auch sonst läuft die Region nicht Gefahr, Jean Paul zu vergessen: Hinweisschilder an Autobahnen deuten auf das Jubiläum, an der Universität Würzburg arbeitet ein Forscherteam um den Literaturprofessor Helmut Pfotenhauer, unterstützt durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, seit Jahren an einer neuen Werkausgabe. Ein Bayreuther Jean-Paul-Verein bemüht sich, Berührungsängste abzubauen. "Unser Ziel ist es auch, Jean Paul in den Klassenzimmern und Hörsälen wieder präsenter zu machen", so Geschäftsführerin Julia Knapp.