Patrick Döring, Hannelore Kraft und Maybrit Illner
Foto: ZDF/Svea Pietschmann
Patrick Döring, Hannelore Kraft und Maybrit Illner in der Sendung am Donnerstagabend
Holprige Debatte über Gerechtigkeit
Bei Maybrit Illner ging es am Donnerstagabend um die Verteilung von Geld unter den Menschen in Deutschland. Warum sind viele trotz Arbeit arm und wenige sehr reich? Und was kann man gegen die Ungerechtigkeit tun? Leider gab es keine Antwort.

Es sind Zahlen, die man schon oft gehört hat: Einem Prozent der Bundesbürger gehört ein Drittel des Nettovermögens, der unteren Hälfte gerade einmal ein Prozent. Über vier Millionen Deutsche arbeiten für weniger als sieben Euro in der Stunde – die Niedriglohngrenze liegt bei 9,15 Euro.

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Es sind Zahlen, die zumindest teilweise im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung vorkommen. Einiges wurde vor allem auf Drängen der FDP gestrichen. So auch der Satz: "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt." Auch ohne diese Anmerkungen im Text ist der Bericht Anstoß einer Debatte darüber, wie gerecht Deutschland ist.

Um das zu diskutieren hat Maybritt Illner unter anderem Hannelore Kraft und Patrick Döring in ihre Sendung geladen. Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen (SPD) und der FDP-Generalsekretär prallten dabei frontal aufeinander. Für Döring definiert sich Gerechtigkeit nicht an Lohnuntergrenzen – vielmehr müsse der belohnt werden, der arbeitet. Eine Steilvorlage für die SPD-Frau. Denn in Anbetracht der Zahlen müsste das heißen, dass die unteren Einkommensschichten kaum etwas leisten, so Kraft. Billige Arbeitskräfte könnten sich Unternehmen nur leisten, weil der Steuerzahler zusätzlich draufzahlt. So weit, so erwartbar.

Schwache Auftritte von Weisband und Wischhusen

Dass ausgerechnet Marina Weisband, die ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, als dritte parteipolitische Vertreterin geladen war, mag verwundern. So hat sie zwar eine persönliche Meinung zu dem Thema: "Es ist höchst ungerecht, wenn jemand in drei Schichten arbeitet und sich kein normales Leben leisten kann" – und verweist darauf, dass auch ihr Lebensgefährte davon betroffen sei.

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Ansonsten fehlt ihr ein klarer Kurs. So will sie die Gehälter von Managern nicht deckeln, fordert aber gleichzeitig, dass sich Reichtum nicht konzentrieren dürfe.

Blass blieb auch die Vorsitzende der Jungen Unternehmer, Lencke Wischhusen. Sie schien die gesamte Diskussion nicht so recht zu verstehen. Ihrer Ansicht nach hat jeder am Erfolg der deutschen Wirtschaft teil. Wäre sie nicht am Ende der Sendung mit Hannelore Kraft aneinander geraten, hätte man sie kaum wahrgenommen.

Das Ende der sozialen Marktwirtschaft

Während Hannelore Kraft die Agenda 2010 an einigen Stellen überarbeiten möchte, Döring und Wischhusen sie für den richtigen Weg halten, sieht Jakob Augstein in den Reformen das Ende der sozialen Marktwirtschaft und den Beginn einer Klassengesellschaft. Angriffslustig und mit Thesen wie: "Helmut Kohl war der letzte sozialdemokratische Kanzler", mischte er die Runde zumindest ein bisschen auf.

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Augstein erinnerte daran, dass die Kirchen schon vor Jahren gefordert hätten, nicht nur auf die Armen zu schauen, sondern auch die Reichen stärker zu sehen und in die Verantwortung zu nehmen. Dass der "Armuts- und Reichtumsbericht" so wenig über letztere berichte, liege auch daran, dass man kaum etwas über sie wisse - nicht zuletzt, weil es keine Vermögenssteuer gebe.

Insgesamt kam die Diskussion jedoch vor allem von Hölzchen aufs Stöckchen. Managergehälter und Mindestlohn, Vermögenssteuer und Spitzensteuersatz. Vieles wurde angerissen, wenig tiefgründig diskutiert – dabei befanden sich die anwesenden Politiker gut ein halbes Jahr vor der Wahl schon mitten im Wahlkampf. Viel zu spät – dafür aber konsensfähig – wurde die Chancengleichheit im Bildungssystem als Gerechtigkeitsaspekt debattiert. Konkrete Vorschläge lieferte außer Hannelore Kraft jedoch niemand. 

Exkurs in die Psychopathie

Für Abwechslung sorgte der Schweizer Jurist und Psychiater Thomas Noll. Er erzählte im Einzelgespräch von einem Experiment, das er mit Börsenhändlern, Psychopathen und einem Querschnitt der Bevölkerung gemacht hatte. Dabei ging es um die charakterlichen Neigungen der Testpersonen. Heraus kam: Börsenhändler waren die egoistischsten Menschen von allen – eigentlich ein Kriterium für Psychopathie.

Diese Menschen seien geprägt von einem Umfeld, wo Geld als einzige Erfolgsmarke gelte. Vor diesem Hintergrund sei Gier keine negative Eigenschaft, interpretierte der Wissenschaftler seine Ergebnisse. Einen direkte Verknüpfung zum Thema gab es jedoch nicht – außer die Vermutung Nolls, dass sich Maßlosigkeit auch in Aufsichtsräten ausbreite.

Man muss hoffen, dass dieses wichtige Thema bald wieder näher bei den Menschen diskutiert wird – sie schienen während der einstündigen Diskussion bei Maybrit Illner nur am Rande Thema gewesen zu sein.