Jorge Mario Bergoglio, 76 Jahre alt, Erzbischof von Buenos Aires und oberster Jesuit Argentiniens, bevorzugt ein möglichst unauffälliges Auftreten in der Öffentlichkeit. So konnte er bereits als Kardinal öfters in der U-Bahn auf dem Weg in die Kathedrale an der Plaza de Mayo beobachtet werden, lieber im schwarzen Mantel als mit Kardinalshut.
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Bergoglio erregte in seiner Heimat Aufsehen, indem er auf die ihm zustehende hochherrschaftliche Unterkunft im erzbischöflichen Palais von Buenos Aires verzichtete. Stattdessen nahm sich der Jesuit als Erzbischof eine schlichte Wohnung, verzichtete auf Dienstwagen und Chauffeur und ging lieber zu Fuß. Mit diesem Ruf gewann er beim Konklave 2005 die Sympathien des progressiv orientierten Lagers unter den Kardinälen, setzte sich aber damals nicht gegen den konservativen Kandidaten Joseph Ratzinger durch.
Bergoglio wird oft auch als "Anwalt der Armen" bezeichnet, davon kündet auch sein gewählter Name: Franziskus. Der heilige Franziskus trat als Erneuerer für eine in seinen Augen erlahmte Kirche auf. Der Ordensgründer, den meisten besser bekannt als Franz von Assisi, gilt bis heute als der bekannteste Heilige. In seiner Zuwendung zu den Armen und Kranken besitzt er weit über die Grenzen des Katholizismus hinaus eine starke Anziehungskraft.
Wenn Bergoglio als Papst Franziskus auch nur einen Teil seines bislang als Erzbischof und davor als Leiter der Jesuiten in Argentinien gepflegten bescheidenen Stils nach Rom mitbringt, könnte dies das Leben der vatikanischen Kurie radikal verändern. Vor wenigen Wochen warnte Bergoglio vor der "alltäglichen Übermacht des Geldes mit seinen teuflischen Folgen von Drogen und Korruption sowie dem Handel von Menschen und Kindern, zusammen mit der materiellen und moralischen Misere".
Die Jesuiten führte er zu Glaubensaufgaben zurück
Bergoglio wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer geboren. Sein Vater war Bahnangestellter in der argentinischen Hauptstadt. Bergoglio absolvierte eine technische Schule als Chemie-Techniker und ging mit 21 Jahren ging er ins Priester-Seminar. Im selben Alter wurde ihm wegen einer schweren Lungenentzündung ein Teil der rechten Lunge entfernt. Sein schlichter Lebensstil ermöglichte ihm, mit diesem Handicap bis ins Alter recht gut zu leben.
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Nach seiner Priesterweihe 1969 wurde er 1973-1979 zum Provinzial des Jesuitenordens berufen. In diesen für Argentinien sehr schwierigen Jahren, in denen nach sozialem Aufruhr das Militär die Staatsmacht übernahm, führte Bergoglio seine Ordensbrüder streng in strikt religiöse Aufgaben zurück. Der einzige Jesuit im Konklave übernahm 1998 die Erzdiözese von Buenos Aires und wurde 2001 zum Kardinal berufen.
Bergoglio wird allerdings eine zu große Nähe zur damaligen Militärdiktatur Argentiniens vorgeworfen. Er wurde beschuldigt, zwei Jesuiten nicht vor der Verfolgung durch die Junta geschützt zu haben. Er erklärte stets, er habe wenige Tage vor dem Staatsstreich 1976 die beiden Patres vor bevorstehender Gefahr gewarnt und ihnen angeboten, im Jesuitenhaus Schutz zu suchen. Die beiden Priester, die in Elendsvierteln in Buenos Aires predigten, sollen nach Bergoglios Aussagen dieses Angebot abgelehnt haben.
Zwei Monate später wurden die beiden von Militärs entführt und fünf Monate lang in der berüchtigten Marineschule ESMA in Haft gehalten. Danach beschuldigten sie Bergoglio.
Progressiv bei Armut, konservativ in der Moral
Die Kardinäle im Konklave hinderte das aber nicht daran, Bergoglio zum Papst zu wählen. Seine gemessen ausgesprochenen, aber inhaltlich unzweideutigen Worte bei heiklen doktrinären Fragen werden in der katholischen Kirche geschätzt. Damit kollidierte er in den vergangenen Jahren allerdings mehrfach mit der argentinischen Regierung. Er kritisierte Korruption und Armut, außerdem wandte er sich 2010 frontal und erfolglos gegen die Legalisierung der Homo-Ehe in Argentinien. Als Bergoglio die Gesetzesvorlage zur gleichgeschlechtlichen Ehe als "Teufels-Manöver" bezeichnete, antwortete Staatschefin Cristina Kirchner, diese Kritik erinnere an die Zeiten der Inquisition.
Ein progressiver Papst wird Franziskus also wohl nicht sein. In Fragen der Sexualmoral, bei Abtreibung und Zölibat wich er nie von den traditionellen katholischen Standpunkten ab. Das Attribut "progressiv" verdiente er sich durch soziales Engagement für Arme, nicht durch revolutionäre Theologie, und auch die in Lateinamerika beheimatete Befreiungstheologie fand in Bergoglio keinen Verfechter. Die römische Kurie wird mit Spannung auf diesen Papst Franziskus blicken, denn die Mischung aus konservativer Theologie und Bescheidenheit im Auftreten könnte das bequeme Leben der römischen Purpurträger durcheinanderwirbeln.