Wie erleben Sie und die evangelische Gemeinde in Rom das Konklave? Soviel geballter Katholizismus mit Pilgerscharen aus aller Welt muss doch bestimmt ein wenig frustrierend sein.
Jens-Martin Kruse: Nein, gar nicht. Evangelischer Pfarrer in Rom zu sein, ist für mich die schönste und anspruchsvollste Aufgabe, die ich mir denken kann. Auch wenn ich mich wie David gegen Goliath fühle. Wir freuen uns, wenn es der katholischen Kirche gutgeht, und wir leiden mit ihr in schwierigen Zeiten, wie etwa beim Rücktritt von Benedikt XVI. Zwischen den Katholiken und uns herrscht sehr viel Nähe und Vertrauen.
Ein Großereignis unserer Schwesterkirche wie das Konklave lässt uns daher nicht kalt. So ein Konklave mit seinen Rauchzeichen ist schon eine spannende Sache. Wenn weißer Rauch kommt, wollen wir zum Petersplatz pilgern. Wie schon 2005, als Joseph Ratzinger Papst wurde.
Wie haben Sie den deutschen Papst in Rom wahrgenommen?
Kruse: Joseph Ratzinger war der deutschen evangelischen Gemeinde immer sehr verbunden. Als Papst Benedikt XVI. hat er 2010 sogar einen Gottesdienst bei uns gefeiert. Sein Rücktritt hat uns sehr bewegt und auch traurig gemacht. In Rom konnten wir ihn aus der Nähe wahrnehmen, nicht nur als Papst, sondern auch als Bischof von Rom. Benedikt war ein zugewandter Papst, der nahe bei den Menschen war und mit seinem bescheidenen Auftreten überzeugte. Leider haben das die Gläubigen in Deutschland nicht immer so gesehen. Ich glaube, die Deutschen haben ihn nie so richtig verstanden. Das ist schade.
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Wie sollte der neue Papst denn sein? Haben Sie da spezielle Wünsche?
Kruse: Der neue Papst sollte auf alle Fälle aufgeschlossen gegenüber den anderen Kirchen sein und Mut zum Aufbruch haben. Ein bisschen wie Johannes XXIII. (1958-1963), der das Zweite Vatikanische Konzil auf den Weg gebracht hat. Benedikts Nachfolger sollte außerdem ein Gespür für die Sorgen und Nöte der Menschen haben und fähig sein, die Gläubigen mit seinen Worten zu erreichen.