Tibetische Fahnen vor der Kulisse des Himalaya.
Foto: dpa/Doreen Fiedler
Tibetische Gebetsfahnen hängen am Empfangszentrum für Flüchtlinge aus Tibet in Dharamsala, Indien, hinter Stacheldraht vor der Kulisse des Himalaya.
Tibet zwischen Stillstand und Eskalation
Eiszeit in der Tibet-Frage: Zwischen dem Dalai Lama und der kommunistischen Führung in Peking herrscht Funkstille. Unterdessen reißt die Serie der Selbstverbrennungen von verzweifelten Tibetern nicht ab.
10.03.2013
epd
Kristin Kupfer

Mit buntem Feuerwerk und traditionellen Wettkämpfen sollte das Neujahrsfest in Tibet zwei Wochen lang kräftig gefeiert werden. So wünschten es die chinesischen Behörden und machten laut Berichten von Menschenrechtlern entsprechend Druck auf die Bewohner der Himalaya-Region. Statt Feier und Jubel aber gab es Tote: Allein seit Beginn der Festperiode Mitte Februar haben sich mindestens fünf Tibeter aus Protest gegen die Politik Chinas selbst in Brand gesteckt.

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In den vergangenen vier Jahren wurden mehr als 100 solcher Selbstverbrennungen gemeldet. Zum Jahrestag der großen Proteste vom 10. März 1959 und 2008 ist mit weiteren tragischen Ereignissen zu rechnen.

Die verzweifelten Aktionen sind Ausdruck einer tiefen Frustration. Die Tibeter fühlen sich von der Regierung in Peking wirtschaftlich vernachlässigt und kulturell an den Rand gedrängt. Besonders nach den tibetischen Protesten rund um die Olympischen Spiele 2008 zeigten die Behörden mit Gängelungen der Klöster und Schulen, dass ihr verbrieftes Autonomieversprechen nur auf dem Papier existiert.

"Freiheit für Tibet"

Lange Zeit waren es vorwiegend Mönche, die sich aus Protest gegen Überwachung in Klöstern und gegen patriotische Erziehungskampagnen anzündeten. Dann machten Berichte von Folter an Geistlichen und vom Verbot von Trauerfeiern in der Bevölkerung die Runde. Aufgewühlt und unzufrieden entschlossen sich ab Sommer 2012 auch Schüler, Lehrer und einfache Dorfbewohner zum Flammentod. Trotz Tötungsverbot gilt die Selbstaufopferung für eine gerechte Sache als Teil des buddhistischen Traditionsverständnisses.

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Die Slogans, die bei den flammenden Protesten immer wieder laut werden, heißen "Freiheit für Tibet" und "Rückkehr des Dalai Lama". Sie künden von einer klaren Vorstellung der Tibeter für ihre Zukunft und lassen Peking nicht zur Ruhe kommen. Denn die chinesische Regierung befürchtet weitere solidarische Proteste.

Zwar wohnen nur rund zwei Millionen Tibeter in der autonomen Region. Allerdings grenzt das an Rohstoffen reiche Gebiet an Indien, das Peking als strategischen Konkurrenten in Asien sieht. Weitere vier Millionen Tibeter siedeln in den angrenzenden Westprovinzen Gansu, Sichuan, Yunnan und Qinghai. Insgesamt macht ihr Wohnraum rund ein Viertel des chinesischen Staatsgebiets aus. Forderungen nach mehr Autonomie für ein Großtibet vonseiten der exiltibetischen Regierung betrachtet China deshalb auch als "Eingriff in die territoriale Integrität".

Anfangs hielten sich die örtlichen Behörden bei Selbstverbrennungen zurück. Dann setzten politische Hardliner mit Verbindungen zu Polizei und Militär schließlich harte Repression durch. Die Protestaktionen wurden kriminalisiert, Familienangehörigen und Dorfgemeinschaften wurde die finanzielle Unterstützung gestrichen. Ende Januar verurteilten Gerichte sieben Tibeter wegen Beihilfe zum Mord zu Haftstrafen bis zu zwölf Jahren, in einem Fall wurde sogar die Todesstrafe verhängt.

Radikalere Stimmen werden lauter

Auch im tibetischen Exil bleibt das Durchgreifen nicht ohne Reaktion. Radikalere Stimmen, die eine Abkehr von den Dialogbemühungen mit Peking fordern, sind lauter geworden. Die erfahrenen Chefunterhändler des Dalai Lama zeigten sich ebenfalls frustriert und legten ihr Amt im Sommer nieder. Die 2002 aufgenommenen Gespräche mit China liegen seit drei Jahren auf Eis.

Weitere Konflikte und Eskalationen sind programmiert. Denn beiden Seiten bleibt nur wenig Verhandlungsmasse, selbst wenn der Dialog wieder in Gang kommt. Neben Härte setzt Peking laut Beobachtern nun auch darauf, dass sich die Tibeter zerstreiten, wenn der 77 Jahre alte Dalai Lama stirbt. Doch solche Strategien sind gefährlich: Sie könnten Radikalen auf beiden Seiten Tür und Tor öffnen.