Der Petersdom im Vatikan.
Foto: Vera Rüttimann
In den Petersdom kommen Touristen normalerweise problemlos hinein. Andere Bereiche des Vatikan sind nicht zugänglich. Vera Rüttimann hatte Zugang zu Orten, wo sich sonst nur der Papst und die Schweizer Garde aufhalten.
Schnupperreise zum Papst
Kardinäle aus aller Welt haben sich in Rom zum Konklave versammelt. Vera Rüttimann hat das Innere des Vatikan sowie die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo mehrfach besucht. Hier einige ihrer persönlichen Momentaufnahmen.

Wer in den Vatikan will, muss durch die Porta Sant’ Anna. Ein faszinierender Ort. Allein die Szenerie rund um dieses Tor ist einer Opern-Inszenierung würdig. Ein Schauspiel, das ich genoss. Hupend fahren behelmte Vatikan-Mitarbeiter auf ihren Vespas durch das Portal. Kleriker mit weissem Römerkragen trinken gegenüber noch schnell ihren Espresso, bevor sie durch das Tor eilen. Touristen schauen denen, die hier reindürfen, neugierig nach. Gardisten sind jeweils damit beschäftigt, die richtigen Personen passieren zu lassen - die Kontrolle ist streng. Siebenmal ging ich selbst durch dieses Tor. Mein Ziel: Die Kaserne der päpstlichen Armee. Über viele Jahre begleitete ich den Schweizer Pfarrer Ernst Heller nach Rom, der für die Rekrutierung angehender Schweizer Gardisten zuständig war und "Schnupperreisen" in den Vatikan organisierte.

Die Garde-Kaserne - ein eigener Kosmos

Auf dem Kasernenhof der Schweizer Garde exerzieren unaufhörlich Gardisten in rot-gelb-blauen Uniformen, den Traditionsfarben des Hauses Medici. Drinnen üben sich junge Männer in Disziplinen wie Kampfkunst und Gesichtserkennung. Neben der Tradition wird auch der Sicherheitsauftrag groß geschrieben.

Die Schweizer Garde sichert Paläste und Zugänge im Vatikan und ist für die Sicherheit des Papstes verantwortlich.

Dem Liebhaber alter Uniformen geht in der Schneiderei das Herz auf. Flinke Hände schneidern dort den Gardisten die Uniform auf den Leib. Stoffstreifen liegen auf Holzgestellen bereit. Weiter geht es zur Armeria, wo das jahrhundertealte Uniform- und Waffenarsenal der Garde lagert. Groß sind meine Augen, als der Blick auf Zündnadelgewehre, eingefettete Brustpanzer und Galauniformen unterschiedlichster Epochen fällt.

Bei der Tour durch die Kaserne öffnen Gardisten den Besuchern der Schnupperwoche ihre Zimmer. Die Kojen sind eng, aber mit modernen Klimaanlagen, W-Lan und Flachbildschirmen ausgerüstet. An den Spinden prangen Fotos vom Tag der Vereidigung. Nach einigen Besuchen verfügt man über ein gewisses Insiderwissen: "Rambo", der alte Garde-Kater, weiß ich, ruht unter dem Ehrenhof der Kaserne.

Im Apostolischen Palast

Der Höhepunkt eines Besuches im Vatikan war für mich stets der Besuch im Apostolischen Palast. Hier befindet sich die Hochsicherheitszone der katholischen Kirche. Außer Klerikern gelangen hier nur wenige Menschen hinein - und wenn, dann nur durch Beziehungen oder glückliche Umstände. Bei den strengen Blicken einzelner Garde-Oberen und Klerikern spürte ich meist: Dies ist eine Männerwelt, in der Frauen allenfalls geduldet werden.

Menschenleere Gänge im Apostolischen Palast.

Im September 2010 befinde ich mich einmal mehr in der ersten Loggia des labyrinthisch anmutenden Palastes. Gardisten mahnen, dass man hier nicht die falsche Abzweigung nehmen dürfe. Dunkel und menschenleer ist es in den langen Gängen. Auf ihnen liegt buchstäblich der Staub der Jahrhunderte. Ein langer, dunkler Treppenaufgang führt zu goldglänzenden Räumen, wo die Künstler ihrer Zeit Unsterbliches geschaffen haben. Wie in der Sala Regia. Man fühlt sich geadelt, ihn zu sehen. Unweit des prächtig ausgemalten Königssaals befindet sich die Sixtinische Kapelle. Dort, wo sich sonst das Volk staut, kommen wir per Sondergenehmigung hinein. "Silenzio!", zischt es im Freskentempel alle fünf Minuten.

Im September vor zwei Jahren war es auch, als ich durch einen glücklichen Zufall in die päpstliche Sakristei neben der Sixtina gelangte. Als der Sakristan die schwere Tür zu seinem Reich öffnet, liegen dort auf einem Schragen kostbare Soutanen, Mitren und Hirtenstäbe, die diverse Päpste trugen. Auch der berühmte Stab mit dem leicht gekrümmten Eisen-Kruzifix, den Johannes Paul II. oft hielt.

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Mit Jugendlichen überqueren wir danach den Damasushof, auf dem jeweils die Limousinen der Staatsmänner vorfahren. Dort berichtet ein Gardist, wie sich in den stickigen Gängen im Sommer der Schweiß unter dem federgeschmückten Helm ansammeln kann. Er erzählt von fiesen Bienen in der Kniekehle beim stundenlangen Strammstehen. Vom heimtückischen Jucken im Rücken und von mühsam unterdrückten Hustenanfällen vor dem Papst.

Auf der Rückseite der Peterskuppel

Auch das Areal rund um die Vatikanischen Gärten, dort, wo der Papst Emeritus nun leben wird, ist reich an faszinierenden Flecken: die Mosaik-Werkstatt, in der Mosaizisten an Auftragswerken arbeiten oder der Campo Santo Teutonico, der deutsche Friedhof, wo man den Fuß auf jahrhundertealte Grabplatten deutschstämmiger Pilger und Theologen setzt. Im angrenzenden Priesterkolleg Teutonicum soll der junge Rolf Hochhuth 1959 den Stoff für sein Theaterstück "Der Stellvertreter" gesammelt haben.

Die Vatikanischen Gärten.

Unterwegs in den Vatikanischen Gärten freue ich mich stets auf die grünen Papageien. Ein Bischof hatte sie einst hierher gebracht. Seitdem vermehren sie sich freudig. Weiter geht’s zu einem Plateau. Hier befindet sich der kleine Platz, von dem der scheidende Papst an seinem letzten Arbeitstag mit dem "Papakopter" Richtung Castel Gandolfo flog.

Mehrfach erlebte ich mit Garde-Aspiranten eine Papst-Audienz. Dabei saßen wir jeweils beim Arco delle Campagne. Von diesem oberen Podest vor dem Petersdom aus ist es stets ein Vergnügen, zu sehen, wie sich der Petersplatz mit farbenfrohen Pilgerscharen füllt. Am 13. September 2006 kommt es zu einem erlesenen Alternativprogramm. Benedikt XVI. weilt an diesem Tag just auf Heimat-Reise in Bayern. Statt einer Audienz geht’s für die Garde-Aspiranten dafür nach Castel Gandolfo, der päpstlichen Sommerresidenz. Das "Casteli", wie Gardisten es nennen, liegt idyllisch am Rande eines Kratersees gelegen, fünf Kilometer südöstlich von Rom.

Castel Gandolfo - ein Stück Himmel auf Erden

Gardisten schätzen das Felsenstädtchen, weil hier Papst, Angestellte und päpstliche Leibwache quasi unter einem Dach wohnen und dadurch eine besondere Nähe entsteht. Die Gastgeber zeigen ihren Schweizer Gästen ihre Kaserne und führen sie auch auf die breite Terrasse des Gebäudes hinaus. Dort laden Nonnen zu Speisen und Wein ein. Tief unter uns schimmert der Albaner See, in dem die Gardisti im Sommer baden. Ein Ort von himmlischer Schönheit. Auf exakt jener Bank, auf der ich den Wein koste, saß, so beteuert mir ein Korporal, auch Papst Benedikt XVI., als er im August 2005 hier spontan auftauchte und mit Gardisten frühstückte.

Die Gärten von Castel Gandolfo sind normalerweise nicht öffentlich zugänglich.

Wenig später ein Programmpunkt, der unauslöschlich in meinem Gedächtnis haften bleibt: In einem exklusiven Spaziergang dürfen wir die Gärten des Belvédères betreten. Dieses diskrete Fleckchen Erde ist für Besucher normalerweise kaum zugänglich. Es ist der einzige Ort, an dem der Papst ansonsten ganz für sich ist. Als das Gittertor aufgeht, wird mir ganz anders. Es ist unwirklich still hier. Nur das Blöken der Tiere des päpstlichen Bauernhofes ist zu hören. Wir passieren endlose Olivenhaine und kommen auch am Seerosenteich mit den Koj-Karpfen vorbei, an dem Benedikt XVI. oft meditiert. Ich spreche mit dem Gärtner, der an manchen Tagen den Papst Klavier spielen hört, wenn sein Fenster offen steht. Von den Terrassen des Belvédères aus ist das Meer zu erahnen. Das Licht so weich, die Landschaft wie gemalt. Es ist überwältigend schön hier.