Foto: VISUM/Espen Rasmussen
Der Krieg gegen die syrischen Frauen
Am 8. März ist internationaler Frauentag. Syrerinnen gehören definitiv zu den Frauen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen: sie durchleben eine große Angst, trauern um den Verlust Angehöriger und ihres alten Lebens, sind von Armut durch den Krieg betroffen und werden dann auch noch häufig Opfer von sexueller Gewalt. Im Sahra-Krankenhaus im Libanon suchen viele syrische Flüchtlingsfrauen Hilfe.
08.03.2013
epd
Mona Naggar

Im Sahra-Krankenhaus herrscht Hochbetrieb. Pfleger und Krankenschwestern in weißen Kitteln eilen den Gang entlang. Die Klinik im nordlibanesischen Tripoli ist eine Anlaufstelle für syrische Flüchtlinge. Im Erdgeschoss betreibt die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" eine kostenlose Praxis. Patienten sitzen auf schwarzen Plastikstühlen und warten geduldig darauf, zur Ärztin hineingelassen zu werden.

Unter ihnen ist auch Salam Chudr, Mitte 40, mit ihrer Tochter, aus der besonders umkämpften syrischen Stadt Homs. Ihr Mann und ihr ältester Sohn sind gestorben. Nun sei sie allein verantwortlich für ihre drei weiteren Kinder, sagt Chudr, die Magen-Darm-Beschwerden hat: "Wir leben in einem Zimmer bei einer Familie. Aber sie hat mir gekündigt. Jetzt muss ich eine neue Unterkunft suchen."

Die meisten Patienten sind Frauen aus Syrien wie Chudr. Viele leiden an psychosomatischen Beschwerden, vor allem an Kopf- und Rückenschmerzen, wie die libanesische Ärztin Maha Nadscha berichtet. Die Sorgen um Angehörige in Syrien, die Trauer und der Verlust ihrer Existenz machten die Frauen krank. An eine Schwangere kann sich Nadscha genau erinnern. Sie wurde immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt und erzählte, dass sie vergewaltigt worden sei.

Vergewaltigungen gelten als Schande - "Alle schweigen darüber"

Auch Mohamed Mustafa hat vergewaltigte Syrerinnen kennengelernt. Der 27-jährige syrische Arzt lebt seit einem Jahr im Libanon und arbeitet am Sahra-Krankenhaus. Er habe sechs vergewaltigte Frauen aus Homs behandelt, erzählt er. Sie seien psychisch am Ende gewesen. "Sie kamen zu mir, weil sie schwanger waren und abtreiben wollten."

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Mustafa überwies die Frauen an libanesische Krankenhäuser: "Die meisten konnten abtreiben, wie ich erfahren habe." Schwangerschaftsabbrüche sind im Libanon eigentlich verboten. Bei Vergewaltigungen kann ausnahmsweise ein Rechtsmediziner die Erlaubnis dazu erteilen. Mustafa bezweifelt, dass die Frauen psychologische Hilfe in Anspruch nahmen. "Betroffene und ihre Familien empfinden die Vergewaltigung als große Schande, und alle schweigen darüber", erklärt der Arzt.

Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" sind sexuelle Übergriffe in syrischen Gefängnissen und bei Razzien in Wohngebieten an der Tagesordnung. Die Täter seien Soldaten, andere Sicherheitskräfte und regierungstreue Milizionäre. Genaue Zahlen über das Ausmaß von Vergewaltigungen gibt es nicht, weder für Syrien noch für die Nachbarländer, in denen Hunderttausende Syrerinnen Zuflucht suchten.

Stress vom Krieg: Männer lassen zu Hause Dampf ab

Aber auch fernab des Krieges in der Heimat sind syrische Frauen nicht sicher. Der Arzt Mustafa berichtet von häufigen Klagen über häusliche Gewalt. Armut, Hoffnungslosigkeit und beengte Wohnverhältnisse der Flüchtlinge seien ein idealer Nährboden für Aggressionen.

Lajal Rahhal bestätigt das. Viele syrische Männer, traditionell die Ernährer der Familie, fühlten sich im Exil überflüssig und gedemütigt, sagt die libanesische Psychologin, die für "Ärzte ohne Grenzen" Frauen mit psychosomatischen Beschwerden und Depressionen behandelt. Oft verfolge der Familienvater den ganzen Tag im Fernsehen die Nachrichten über den Krieg in der Heimat, was den Stress und die Unruhe verstärke, erklärte Rahhal: "Der einzige Ort, wo er Dampf ablassen kann, ist zu Hause." Jede zweite Frau berichte ihr im Gespräch, dass sie geschlagen werde.

Internationale Organisationen wie der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen fordern seit Monaten, das Hilfsangebot für die Opfer sexueller Gewalt im Syrien-Konflikt auszubauen. Mehr Aufklärung, mehr psychologische Betreuung und eine Hotline sollte es für syrische Flüchtlingsfrauen geben. Rahhal schließt sich diesen Forderungen an. Sie kann den Andrang in ihrer Sprechstunde kaum bewältigen.