Kenianer mit Plakaten für den Frieden
Foto: dpa/Daniel Irungu
Kenianer mit Plakaten für den Frieden bei einem Konzert in Nairobi im Februar 2013. Sie rufen zu Frieden bei den Wahlen Anfang März auf.
Kenia fürchtet wieder Gewalt bei den Wahlen
Nach der letzten Wahl haben schwere Unruhen mit 1.300 Toten Kenia erschüttert. Ob es diesmal friedlich bleibt, ist völlig unberechenbar. Die ethnische Konstellation der Spitzenkandidaten ist ähnlich wie beim letzten Mal.
03.03.2013
epd/dpa
Bettina Rühl

An einer Straßenkreuzung steht eine Traube von Menschen und diskutiert. In Kangemi, einem der Elendsviertel der kenianischen Hauptstadt Nairobi, versammeln sich die Bewohner dieser Tage häufig  zu solchen Debatten. "Jetzt liegt Politik in der Luft", sagt Alex Musili, einer der Männer aus der Runde. "Dann kommen wir immer besonders häufig zusammen." Sie seien eine informelle Runde, die Teilnehmer jeden Tag andere. "Wir wollen einfach nur unsere Meinung austauschen."

In Kenia liegt seit Wochen "Politik in der Luft": Montag, der 4. März, ist ein regelrechter Superwahltag, sechs Abstimmungen finden gleichzeitig statt. Die wichtigste: die Wahl eines neuen Präsidenten. Außerdem werden gewählt: ein neues Parlament, Senatoren und Gouverneure, Bezirksversammlungen und Frauenvertreterinnen. Mehrere dieser Wahlen finden dank einer neuen Verfassung zum ersten Mal statt.

Die Wahl ist die erste nach den schweren Ausschreitungen, die im Januar 2008 auf die Verkündung des umstrittenen Wahlergebnisses folgten. Etwa 1.300 Menschen wurden getötet, 600.000 vertrieben.

Präsidentschaftskandidat muss sich in Den Haag verantworten

Diesmal ist die ethnische Konstellation der beiden Favoriten ähnlich wie bei den führenden Kandidaten von 2007/2008. Nach allen Prognosen wird es ein äußerst knappes Rennen zwischen Uhuru Kenyatta von der Volksgruppe der Kikuyu und dem Luo Raila Odinga. Die übrigen sechs Kandidaten, darunter eine Frau, haben kaum Chancen. Raila Odinga, derzeit Ministerpräsident, unterlag beim letzten Mal laut dem umstrittenen Ergebnis äußerst knapp gegen Amtsinhaber Mwai Kibaki, einen Kikuyu, der nun nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

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Stattdessen tritt der Kikuyu Uhuru Kenyatta an. Der 51-jährige Sohn des ersten Präsidenten Jomo Kenyatta muss sich in Kürze vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Er und sein "Running Mate" William Ruto sowie zwei weitere Kenianer sollen die Ausschreitungen nach der letzten Wahl geschürt haben und werden für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht.

Die Polemik gegen den Westen und den Internationalen Strafgerichtshof ist das zentrale Thema von Kenyattas Wahlkampf. Und das Bindeglied zwischen ihm und seinem Kandidaten für das Amt des Vize-Präsidenten, Ruto. Die beiden sind ein erstaunliches Gespann, denn der ehemalige Bildungsminister Ruto ist Kalenjin und war bei der letzten Wahl Kenyattas Gegner. Und das nicht nur verbal, meint die Chefanklägerin des Haager Gerichtshofes, Fatou Bensouda: Kenyatta und Ruto sollen Kikuyu und Kalenjin damals aufeinander losgehetzt und zu Mord, Vergewaltigung und Vertreibung aufgestachelt haben.

"Wir wollen über Inhalte debattieren"

Im Elendsviertel Kangemi sind das Verfahren in Den Haag und die ethnischen Rivalitäten immer wieder Thema. Aber fast scheint es, als sei das "Parlament des Volkes" reifer als seine führenden Politiker. "Wir sind ethnisch gemischt, Kenianer aus allen 42 Ethnien", erklärt Musili. "Wir kommen hierher, weil wir über Inhalte debattieren wollen, über die Wahlprogramme der Präsidentschaftskandidaten."

Die Programme wurden allerdings erst kürzlich veröffentlicht. Vorher ging es monatelang ausschließlich um die Frage, wer mit wem koaliert. Dahinter stand eine rein ethnisch geprägte Arithmetik: Wer muss mit wem zusammengehen, um bestimmte ethnische Blöcke hinter sich zu vereinen? Ihre Programmatik schoben die Parteien und Koalitionen nach der Klärung dieser Fragen nach. Weitere wichtige Themen darin sind die Verteilung von Land, die weit verbreitete Korruption und die Arbeitslosigkeit vor allem junger Kenianer.

Für die Wahl haben sich 14,3 Millionen Wählerinnen und Wähler registrieren lassen. In den vergangenen Tagen wurden Fälschungsvorwürfe laut. In mehreren Städten soll es Versuche geben, Ausweise von registrierten Wählern zu kaufen.

Angst vor Gewaltausbrüchen

Die Unabhängige Wahlkommission will innerhalb von 48 Stunden nach der Schließung der Wahllokale vorläufige Ergebnisse verkünden. Die ersten vorläufigen Resultate sollen schon nach einer Stunde eintreffen. Allerdings gilt das unter Beobachtern als eine sehr optimistische Zielsetzung. Wenn keiner der Kandidaten im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit bekommt, wird es einen zweiten Durchgang geben.

Was am Wahltag geschieht und ob es friedlich bleibt, scheint zur Zeit völlig unvorhersehbar. Es gibt Optimisten und Pessimisten, wobei die Optimisten immer leiser wurden, je näher der Superwahltag rückt. Um Ausschreitungen zu vermeiden, sollen 80.000 Polizisten zu den Wahllokalen entsandt werden. "2007 haben wir die Gewalt nicht vorausgesehen", sagte Polizeichef Jared Ojuok der Nachrichtenagentur dpa. "Dieses Mal wissen wir, wo im Land es brennen könnte, und wir können dementsprechend Sicherheitskräfte stationieren."

Zudem sind internationale Wahlbeobachter im Einsatz. Die Europäische Union schickt 70 Experten aus 25 Mitgliedstaaten nach Kenia. Chef der EU-Mission ist der frühere slowenische Ministerpräsident Alojz Peterle. Ein knappes Wahlergebnis müsse nicht bedeuten, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, betonte er. "Ein Kopf-an-Kopf-Rennen heißt nicht, dass dieses Ergebnis angezweifelt werden muss."