Foto: epd/Rolf Zöllner
Zu den Erstunterzeichnern zählen unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU), Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker.
Ökumene-Frust: Promis wollen Bischöfe auf Trab bringen
Mit ihrem Aufruf "Ökumene jetzt" haben am Mittwoch rund zwei Dutzend prominente Deutsche für Aufsehen gesorgt. Sie wollen die seit einem halben Jahrtausend bestehende Kirchentrennung überwinden - nur wie das gehen soll, sagen sie nicht.

05.09.2012
epd
Stephan Cezanne

Prominente Katholiken und Protestanten haben sich ihren Frust über den Zustand der Kirchen von der Seele geschrieben: 500 Jahre Kirchentrennung sind genug, heißt es in ihrem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Appell. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte es "ein Dokument unserer Ungeduld". Die Christen im Land der Reformation sollten dazu beitragen, den "gemeinsamen Glauben auch in einer gemeinsamen Kirche zu leben", heißt es in der zweiseitigen Erklärung. 

###mehr-artikel###Zu den Unterzeichnern zählen neben Thierse und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auch der TV-Moderator Günther Jauch, der Schriftsteller Arnold Stadler, Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach. Weitere Unterstützer sind der katholische Theologieprofessor Otto Hermann Pesch, sein evangelischer Kollege Günter Brakelmann und der Mediziner und Präsident des 2. Ökumenischen Kirchentages in München, Eckhard Nagel.

Der Aufruf wurde grundsätzlich als positiver Impuls zur Belebung der festgefahrenen Ökumene gewertet. Den Initiatoren des Aufrufs wird Leidenschaft für die Sache bescheinigt. "Die Ungeduld von unten kann die beste Triebfeder für die Veränderung in der Haltung an der Spitze sein", hofft der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt. 

Ökumene ja - aber wie umsetzen?

Doch Fachleuten ist das zweiseitige Dokument zu wenig konkret. Denn wie die angestrebte "organisatorische Einheit" aussehen soll, sagt der Text nicht. Der Aufruf bleibe eine Antwort schuldig, wie diese Einigung und das Ziel, den "gemeinsamen Glauben auch in einer Kirche zu leben" konkret umgesetzt werden könne, so der lutherische Ökumene-Experte, Landesbischof Friedrich Weber (Braunschweig) .

Ohne Präzisierungen in solchen Fragen bleibe jedoch zu befürchten, dass der Text "in seiner Unbestimmtheit und Offenheit zwar von vielen Seiten Zustimmung finden kann, letztlich jedoch wirkungslos bleiben wird", so  Weber: "Das wäre schade." Zudem bleibe die Frage, ob Christen hierzulande wirklich "in einer gemeinsamen Kirche leben" sollten - notfalls auf Kosten der Gemeinschaft mit ihren konfessionellen Geschwistern außerhalb Deutschlands.

Ökumene sei keine politische Frage

Vor einem solchen "deutschen Sonderweg" warnte auch der Leiter des evangelischen Ökumene-Instituts im südhessischen Bensheim, Walter Fleischmann-Bisten. Nicht nur römisch-katholische Christen stünden in weltweiter Gemeinschaft. "Auch die lutherischen und reformierten Kirchen haben starke internationale Verbindungen", gibt der Theologe zu bedenken. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, mahnte, es müsse "um lebbare Formen der Einheit gehen".

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnte vor einer übereilten Kircheneinheit. Eine Überwindung der Kirchenspaltung sei "nicht ohne eine solide theologische Verständigung möglich", erklärte der Freiburger Erzbischof. Ökumene sei keine politische Frage, sondern vor allem eine Frage der Suche nach Gott.

Anregungen für Aufruf seit 2010

Ob das Papier "Ökumene jetzt" auch eine Reaktion auf den von vielen als ökumenische Enttäuschung bezeichneten Deutschland-Besuch von Papst Benedikt XVI. vor einem Jahr ist, kann nur vermutet werden. Erste Anregungen zu der Ökumene-Initiative stammen den Initiatoren zufolge bereits aus dem Jahr 2010.

###mehr-links###Mit ihrem Appell stellen die deutschen Promis allerdings den weitgehenden Konsens in der Ökumene infrage. Zwar ruft die 2001 in Straßburg unterzeichnete "Charta Oecumenica" der christlichen Kirchen Europas dazu auf, für die "sichtbare Einheit der Kirche Christi zu beten". Doch das Ziel der Ökumene ist keine "Superkirche", sondern aus protestantischer Sicht Einheit "in versöhnter Verschiedenheit". Auch der frühere Ökumene-Minister des Vatikans, Kardinal Walter Kasper, sprach sich immer wieder gegen das Ziel einer Einheitskirche aus.

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt plädierte beim Thema Ökumene insgesamt für mehr Gelassenheit. In einem Beitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" erinnerte sie an die ökumenischen Erfolge in den letzten 60 Jahren. Enttäuschung und Resignation in der Ökumene seien zwar nachvollziehbar, bekennt die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nur verfestige dies die "Stagnation, die allenthalben in der Ökumene beklagt wird. Wenn sie noch beklagt und nicht längst gleichgültig hingenommen wird."