Foto: Siola Cinta-Panke
Die traditionelle Waschung bei der Maha Kumbh Mela in der nordinidschen Stadt Allahabad ist das Ziel der hinduistischen Pilgerreise.
Kumbh Mela: Wallfahrt zur Unsterblichkeit
Seit Ende Januar pilgern Millionen Hindus nach Allahabad zur größten religiösen Versammlung der Welt. Wer die nordindische Stadt unbeschadet erreicht, hat nur ein Ziel: Sich auf der nur alle zwölf Jahre veranstalteten Maha Kumbh Mela von allen Sünden reinzuwaschen. Mehr als 30 Millionen Pilger kommen an einem Tag. Die Wallfahrt endet an diesem Sonntag, dem 10. März. Dann erholt sich Allahabad von den Besuchermassen.

Es ist früh am Morgen in Allahabad. Als die Sonne beginnt die bröckelnden Hausfassaden in glühendes Orange zu hüllen und die mit Staub und Dreck geschwängerte Luft langsam zu erwärmen, ist die Stadt schon längst auf den Beinen. An Ruhe ist hier seit einigen Tagen zu keinem Zeitpunkt zu denken.

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Obst- und Gemüsehändler pressen sich vorbei an den zahllosen Rikschas, die sich pausenlos hupend ihren Weg durch die holprigen Straßen bahnen. Seit dem 27. Januar ist die Stadt brechend voll. Wenn man sich an diesem Morgen des 10. Februar durch die Straßen quetscht, meint man förmlich zu hören, wie die Nähte Allahabads platzen.

Es ist Kumbh Mela – Fest des Kruges, das größte Wallfahrtsfest der Hindus. Am Hauptbadetag werden zwischen 30 und 40 Millionen Menschen erwartet. Am Busbahnhof stapeln sich die Reisebusse. Und noch immer erreichen weitere Busse im Minutentakt den Wallfahrtsort für alle Hindus in Indien. Und jedesmal steigen weit mehr Menschen aus den Bussen, als dieser Sitzplätze besitzt.

Chaos am Bahnhof – Menschen sterben bei einer Massenpanik

An den Bahnsteigen Allahabads pressen sich Menschen mit Säcken und Taschen die schmale Treppe zum Ausgang hinunter. Oft geht nichts mehr und alles was man tun kann ist ruhig bleiben und weiteratmen, oder es zumindest versuchen. Neben dem beißenden Geruch von verbranntem Müll liegt auch immer die Angst vor der Panik in der Luft. Sie kann sich innerhalb von Sekunden in eine bisher ruhige Menschenmenge mischen und von da an wird alles unberechenbar. Die Treppe ist bereits gesäumt mit einzelnen Schuhen. Menschen müssen sie verloren haben, während sie sich in der Masse zum Ausgang gepresst haben.

In diesen Tagen pilgern Millionen Gläubige nach Allahabad zur größten religiösen Versammlung der Welt. Wer die nordindische Stadt unbeschadet erreicht, hat nur ein Ziel: Sich auf der nur alle zwölf Jahre veranstalteten Maha Kumbh Mela von allen Sünden reinzuwaschen.

Polizisten kehren die Schuhe zur Seite und sind vor allem eines - das, was wohl Polizisten jedes anderen Landes in diesem Ausnahmezustand des Ausnahmezustands wären: überfordert. Ihre Hilflosigkeit und die nach vorne drängenden Menschenmengen versuchen sie mit Holzstöcken unter Kontrolle zu bekommen. Kinder schreien, Menschen schieben unbeeindruckt weiter, Gepäck fällt über das Treppengeländer und schlägt dumpf auf den Asphalt. Wer hier unbeschadet rauskommt, fühlt sich, als hätte er ein zweites Leben geschenkt bekommen. Andere Pilger hatten am selben Tag an einer Bahnstation nur hundert Meter entfernt weniger Glück: In einer ähnlichen Situation kam es zu einer Massenpanik – 36 Menschen starben.

Pilger riskieren Tod im Diesseits für die Chance auf ewiges Leben

Dennoch - traurige Ereignisse wie diese halten keinen der Gläubigen in Indien davon ab, zur Maha Kumbh Mela zu reisen. Sie nehmen den Tod im Diesseits in Kauf. Ihre Absichten sind langfristiger angelegt. Denn für sie bietet dieses Wallfahrtsfest die Chance auf Unsterblichkeit - ein ewiges Leben frei von Sünden. Und genau das zu erreichen, ist aus ihrer Sicht nie so einfach wie in diesen Tagen in Allahabad, dem Tirhraja, dem König der heiligen Orte.

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Der Legende nach kämpften einst Götter und Dämonen um einen Krug gefüllt mit dem Nektar der Unsterblichkeit. Dabei fielen vier Tropfen auf die Erde: in Nashik, Haridwar, Ujjain und in Allahabad. Seither wird an diesen heiligen Orten abwechselnd im Abstand von drei Jahren die Kumbh Mela begangen. Jedes zwölfte Jahr, wenn Sonne, Mond und Jupiter in einer bestimmten Konstellation zueinander stehen, wird die Maha Kumbh Mela gefeiert, das große Fest des Kruges, und dies stets in Allahabad. Denn dieser Ort ist im Hinduismus von besonderer Bedeutung. Hier verbinden sich drei heilige Flüsse: Ganges, Yamuna und der mysthische Fluss Sarawati.

Wer in Allahabads Flüsse steigt, hofft auf Reinwaschung von allen Sünden. Wer das während der großen Kumbh Mela am Haupttag für rituelle Bäder und Waschungen tut, erhöht seine Chancen auf die Befreiung von seinen Sünden und auf Unsterblichkeit dem hinduistischen Glauben nach um ein Millionenfaches.

Die Menschenmenge wird zum friedlichen Strom Richtung heilige Flüsse

Wem es gelungen ist, die heilige Stadt Allahabad ohne große Verletzungen zu erreichen, der hat nur ein Ziel: Sangam. Hier, etwa sieben Kilometer entfernt vom Stadtzentrum Allahabads treffen die heiligen Flüsse aufeinander. Die Straße dorthin wird zum Spiegel Indiens. Tausende Menschen bahnen sich ihren Weg Richtung Unsterblichkeit. Jene, die es sich leisten können, hüllen ihre Körper in traditionelle religiöse Kleidung, die Frauen tragen ihre buntesten Saris, Väter sind stolz, es ihren Söhnen und Töchtern ermöglichen zu können, bei diesem Ereignis dabei zu sein.

In diesen Tagen pilgern Millionen Gläubige nach Allahabad zur größten religiösen Versammlung der Welt. Wer die nordindische Stadt unbeschadet erreicht, hat nur ein Ziel: Sich auf der nur alle zwölf Jahre veranstalteten Maha Kumbh Mela von allen Sünden reinzuwaschen.

Männer reiten auf dürren Eseln und Pferden Richtung Unsterblichkeit. Andere balancieren auf ihren Köpfen Gepäck: Decken gegen die Kälte in der Nacht, Reis und Schalen, aus denen die Familie in den kommenden Tagen essen wird. Auf dem Gelände warten 700.000 Zelte. Viele der Pilgerer sind darauf vorbereitet, dass sie dennoch mit ihrer Familie in der Kälte unter dem freien Sternenhimmel schlafen müssen. Die Kälte ist der Preis für den klaren Sternenhimmel. Und Strapazen wie diese sind der Preis für das erhoffte Seelenheil.

Blinde werden von Fremden helfend an die Hand genommen. Alte, deren Rücken von einem harten Leben voller Entbehrungen gezeichnet und gekrümmt ist, schleppen sich mit letzten Kräften zum Wasser und Menschen ohne Beine kriechen in der Menschenmenge langsam aber unbeirrbar. Ab und zu teilt ein Auto die Masse in zwei Hälften. Unmittelbar danach schließt sich die Lücke wieder und die Menschenmenge wird wieder zur Einheit.

Massenabfertigung am Wasser der Unsterblichkeit

An den heiligen Flüssen angekommen, wird die Masse zunächst gestoppt. Polizisten und Wachmänner versuchen die rituellen Waschungen und Bäder unter Kontrolle zu behalten. Denn an diesem Tag wollen etwa 40 Millionen Menschen im "Nektar der Unsterblickeit" baden.

###mehr-links###Nach und nach werden die Menschen an die Flüsse gelassen. Dort tauchen sie ihre Hände in das heilige Wasser, lassen es sich über den Kopf rinnen und singen dabei ihre Gebete. Für mehr ist heute, am Haupttag für Waschungen, keine Zeit. Die Wachmänner drängen die Menschen nach nur wenigen Augenblicken wieder weg vom Wasser um weiteren Pilgern Platz zu machen. Wer von seinem Bad im gesundheitsschädlichen aber glücksverheißenden Wasser zurückkehrt, ist dennoch glücklich - ein paar Sekunden im heiligen Nektar genügten dem Glauben nach heute zur Erlangung von Unsterblichkeit.