Der blutige Terror gegen die schiitische Minderheit in Pakistan reißt nicht ab: Bei einem Selbstmordattentat auf einem belebten Gemüsemarkt in der pakistanischen Stadt Quetta sind über 80 Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden. Wie die pakistanische Zeitung "Dawn" am Sonntag berichtete, soll eine in einem Wassertanklaster versteckte Bombe in einem hauptsächlich von Schiiten bewohnten Gebiet etwas außerhalb von Quetta explodiert sein.
Der nach Polizeiangaben um die 800 Kilogramm schwere Sprengsatz brachte ein zweistöckiges Gebäude auf einem Markt zum Einsturz. Die sunnitische Terrororganisation Lashkar-e-Jhangvi bekannte sich zu dem Anschlag. Der Polizeichef von Quetta, Zubair Mehmud, ging davon aus, dass die Zahl der Opfer noch steigen könnte. "Wir befürchten, dass immer noch einige Menschen eingeschlossen sind. Die Rettungsarbeiten gehen weiter, aber ich habe wenig Hoffnung, dass wir Überlebende finden".
Welle der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten
Quetta ist die Hauptstadt der Provinz Belutschistan, die an Afghanistan und den Iran angrenzt. In der öl- und gasreichen Provinz tobt seit Jahrzehnten ein nationalistischer Aufstand, der sich gegen die Regierung in Islamabad wendet. In letzter Zeit ist die Gegend auch von einer Welle der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten erfasst worden. Mitte Januar starben in Quetta mindestens 93 Menschen bei einem Selbstmordattentat auf einen Billard-Club in einem von Schiiten bewohnten Viertel.
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Seither hat es beinahe jeden Tag in Quetta Morde und Anschläge hauptsächlich auf Schiiten gegeben. Die muslimische Religionsgruppe macht um die 20 Prozent der 180 Millionen Pakistaner aus. Durch ihre Verehrung von heiligen Figuren und Schreinen stehen sie im krassen Gegensatz zum strengen, sunnitischen Wahabiten-Islam saudi-arabischer Prägung, der solche Praktiken als ketzerisch ablehnt.
Pakistans mächtiger Geheimdienst hat radikal-sunnitische Terrorgruppen wie die Lashkar-e-Jhangvi in den 80er und 90er Jahren gefördert, um sich damit gegen Einflüsse aus dem Iran abzusichern, die nach der islamischen Revolution in Teheran 1979 als Bedrohung angesehen wurde. Im Iran haben die Schiiten die Macht und stellen die Mehrheit der Bevölkerung. Auf internationalen Druck hat Pakistan inzwischen Lashkar-e-Jhangvi verboten, dennoch kann die Organisation weiterhin relativ frei operieren.
2012 wurden über 400 Schiiten getötet
Die radikal-islamische Kampfgruppe geht auch gegen andere religiöse Minderheiten in Pakistan vor. Der Anschlag auf die Internationale Protestantische Kirche im Diplomatenviertel in Islamabad im März 2002 während eines Gottesdienstes soll ebenfalls auf das Konto der Terrororganisation gehen.
Mit Angriffen auf Pakistans schiitische Minderheit versucht die extremistische Gruppe offenbar, einen Bürgerkrieg wie im Irak anzuzetteln. Pakistan ist seit Jahrzehnten Schauplatz für den Kampf zwischen den Schiiten im Iran und den Sunniten in Saudi-Arabiens um die religiöse und politische Vorherrschaft in der Region. Saudi-Arabien wird immer wieder beschuldigt, die extremistisch-sunnitischen Terrorgruppen heimlich zu unterstützen.
Im vergangenen Jahr sind in Pakistan laut der Organisation "Human Rights Watch" mehr als 400 Schiiten bei Attentaten und Anschlägen getötet worden. Schiiten werden auch besonders häufig entführt.