Er war heller als die Sonne und kam völlig überraschend: Der größte Meteoroid seit mehr als einem Jahrhundert ist am Freitag in Russland über der Region Tscheljabinsk explodiert. Die Folgen des Ereignisses verletzten etwa 1.200 Menschen, die meisten durch Glasscherben - eine Druckwelle zerstörte Tausende Fensterscheiben. Mehr als 40 Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Tscheljabinsk liegt etwa 1.500 Kilometer von Moskau und hatte Glück: Der Meteoroid zerbrach noch in der Atmosphäre. Nach Angaben russischer Behörden wurde die Region nur von einem kleinen Teilstück getroffen. Der Rest des Meteoroiden verglühte in der Atmosphäre. Nach Schätzungen der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa hatte er vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre 15 Meter Durchmesser und ein Gewicht von 7.000 Tonnen. Der russische Meteoroid zerbrach laut Nasa zwischen 15 und 25 Kilometer über der Stadt Tscheljabinsk. Die meisten Schäden entstanden durch die Druckwelle, die von diesem Auseinanderbrechen ausging.
Noch kein Meteorit gefunden
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Der Gouverneur des Gebiets Tscheljabinsk, Michail Jurewitsch, sagte, dass die Lage unter Kontrolle sei. Insgesamt seien nach der Katastrophe vom Freitag durch Schäden an den Gebäuden rund 100.000 Menschen betroffen. Die Druckwelle hat nach offiziellen Angaben mehr als 4.000 Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten und viele andere öffentliche Einrichtungen in Mitleidenschaft gezogen. Der Gesamtschaden liege bei etwa einer Milliarde Rubel (25 Millionen Euro), Tendenz steigend, sagte Jurewitsch.
Rund 24 000 Einsatzkräfte ihre Arbeit fort, um bei Temperaturen um die minus 20 Grad die fensterlosen Gebäude wieder winterfest zu machen. Aus Jekaterinburg am Ural sowie anderen Regionen kamen Helfer nach Tscheljabinsk. In Krankenhäusern etwa behalfen sich die Menschen mit Wärmefolien, um die Fenster provisorisch abzudichten.
Taucher und weitere Einsatzkräfte suchten am Samstag noch nach der Einschlagsstelle des Meteoriten, nachdem ein Einschlagsloch in der Eisdecke des Sees Tschebarkul entdeckt wurde. Es seien aber bisher nirgends Teile eines Meteoriten gefunden worden, sagte Zivilschutzminister Wladimir Putschkow. "Die Experten suchen alle Stellen eines möglichen Niedergangs des Meteoriten ab", sagte der Minister der Agentur Interfax zufolge. Aber einen echten Beweis gebe es noch nicht. Die Behörden müssten künftig besser vorbereitet sein auf einen solchen Meteoriteneinschlag, betonte Putschkow. Deshalb werde nun an einem neuen System für eine schnellere Reaktion gearbeitet.
Vorhergesagter Asteroiden-Flug lief wie geplant
Nur Stunden später zog, dicht aber ungefährlich, wie berechnet der Asteroid "2012 DA14" an der Erde vorbei. Der Meteoritenschauer in Russland hatte nichts mit "2012 DA14" zu tun, der der Erde so nahe kam wie noch nie ein vorhergesagter Asteroid zuvor. Experten beruhigten jedoch: "Kein Grund zur Sorge", sagte Nasa-Experte Dante Lauretta, der Asteroid bleibe in sicherer Entfernung. Und trotzdem waren die 27.800 Kilometer Abstand am erdnächsten Punkt fast so etwas wie ein kosmischer Streifschuss. Die geostationären Satelliten, die zum Beispiel Telefongespräche oder Fernsehen übertragen, sind deutlich weiter weg. Der Mond ist rund 15 Mal so weit entfernt wie "2012 DA14" es am Freitagabend war.
Zudem war der Asteroid 28.600 Kilometer in der Stunde schnell. Hätte er - nach Nasa-Angaben 45 Metern breit und 130.000 Tonnen schwer - tatsächlich die Erde getroffen, wären die Folgen verheerend gewesen. "Würde dieses Objekt beispielsweise aus Eisen bestehen und mit unserem Planeten zusammenstoßen, könnte es einen Krater verursachen, der mit dem 1,5 Kilometer großen Meteor Crater bei Flagstaff, Arizona, zu vergleichen wäre", sagte der Esa-Verantwortliche für erdnahe Objekte, Detlef Koschny. Ein solcher Aufprall könnte eine ganze Stadt zerstören.
Eine unsichtbare, ständige Gefahr
Ein Asteroid von etwa 2 Kilometer Duchmesser könnte noch viel größeren Schaden anrichten. Vor über 70 Millionen Jahren traf ein solcher Brocken die Erde dort, wo heute Manson, Arizona, liegt. Etwa 10 Millionen Jahre vor dem Aussterben der Dinosaurier durch einen noch größeren Einschlag schuf der Aufprall des Manson-Meteoriten einen fast fünf Kilometer tiefen Krater mit 32 Kilometern Durchmesser. Die Explosion nach einer solchen Kollision könnte einen Feuerball mit 250 Kilometer Durchmesser erzeugen, die Druckwelle wäre noch 1.500 Kilometer in alle Richtungen weit zerstörerisch, schätzten Ray Anderson und Brian Witzke im Jahr 2003. Sie erforschten als Geologen am staatlichen Forschungsinstitut "Iowa Geological Survey“ den Manson-Krater.
Und selbst einen Asteroiden von bis zu zwei Kilometern Durchmesser würden wir vermutlich nicht kommen sehen, erklären sie in Bill Brysons "Kurzer Geschichte von Allem“: "Er würde erst sichtbar werden, wenn er sich in der Atmosphäre erwärmt, und dann wäre der Aufprall nur noch Sekunden entfernt.“
Das All wird ohnehin nicht ausreichend beobachtet, um solche auf der astronomischen Skala sehr kleinen Objekte zu erkennen. In Russland war es genauso: Den Asteroiden "2012 DA14“ hatten die Himmelsforscher im Blick. Den Meteoroiden, der über Russland explodierte, hatte niemand kommen sehen.
Der Meteoroid über Russland: