Foto: epd-bild/Jens Schulze
Selbst das unschuldigste Lächeln wird für Gelotophobiker zur Qual.
Wenn Lachen zur Qual wird
Was für gesunde Menschen als ein Ausdruck von Fröhlichkeit und Sympathie gilt, ist für Gelotophobiker ein Alptraum: Sie fürchten sich selbst vor dem unschuldigsten Lachen. Vor allem "brave" Kinder neigen später zu dieser Phobie, glauben Psychologen.
17.02.2013
epd
Barbara Driessen

Für die junge Frau gibt es kaum etwas Schlimmeres als Lachen. Sieht sie jemanden lächeln, verkrampft sich ihr Körper. Sie fängt an zu zittern, und es wird ihr heiß. Sie ist überzeugt: "Der lacht über mich." Dann kommt der Fluchtreflex. Wenn es gut läuft, zwingt sie sich, nicht wegzulaufen. "Du musst ruhig bleiben", sagt sie sich dann immer wieder.

Ein normaler Alltag ist schwer, denn selbst das unschuldigste Lächeln wird für sie zur Qual, ist ein Angriff auf ihr Selbstwertgefühl. Sie leidet unter Gelotophobie - der krankhaften Angst, ausgelacht zu werden. Rund elf Prozent der Deutschen sind Gelotophobiker. "Davon hat die Hälfte eine leichte Ausprägung, vier Prozent eine deutliche und der Rest eine sehr starke Ausprägung", sagt der Psychologe Willibald Ruch von der Uni Zürich.

Paranoide Befürchtung, lächerlich zu sein

Ruch und seine Kollegen stehen kurz vor dem Abschluss einer weltweit angelegten Studie, an der sich 22.000 Teilnehmer aus 73 Ländern beteiligt haben. Demnach ist Gelotophobie ein weltweites Problem, allerdings mit unterschiedlicher Ausprägung. In westlichen Industrienationen sind zwischen zwei und 13 Prozent davon betroffen, die Dänen sind mit nur knapp zwei Prozent am unempfänglichsten, während die Briten und die Rumänen mit 13 Prozent am häufigsten an Gelotophobie leiden.

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Noch schlimmer trifft es einige afrikanische und vor allem asiatische Länder, in denen bis zu doppelt so viele betroffen sind. "Dort hängt das eigene Wohlbefinden mehr von den anderen ab, man definiert sich mehr als Teil der Gemeinschaft", erläutert Ruch. In einer engen Gemeinschaft spiele Scham eine größere Rolle: "Und Personen, die mehr zu Scham neigen, haben auch eine größere Angst davor, ausgelacht zu werden."

Gern wird natürlich niemand ausgelacht. Doch die Frage für Psychologen ist: Was ist normal und wo verläuft die Grenze zur Phobie? Bei Gelotophobikern liege eine paranoide Befürchtung vor, lächerlich zu sein, sagt der Psychologe Michael Titze aus Tuttlingen in Baden-Württemberg, der den Begriff Gelotophobie 1995 prägte (von griechisch: gelos = Lachen und phobia = Angst). "Ihr ganzes Denken kreist um die Frage: Bin ich lächerlich, lacht da jemand über mich? Es ist Ausdruck einer ausgeprägten Schamangst", so Titze.

Einsatz von "therapeutischem Humor"

So ist es für Gelotophobiker ein Alptraum, etwa an lachenden Restaurantbesuchern oder Fahrgästen im Zug vorbeigehen zu müssen. Gelotophobikern gelingt es nicht, Humor angemessen zu dekodieren: "So wird die lächelnde Mimik eines Gesprächspartners grundsätzlich als Signal interpretiert, das die eigene Minderwertigkeit anzeigt", erläutert Titze.

Anders als echte Sozialphobiker, die sich wegen einer ungeschickten Handlung negativ bewertet wähnen, fühlen sich Gelotophobiker demnach als ganze Person entwertet. In einer Mischung aus Angst, Wut und Scham fragen sie sich daher unentwegt: Lacht am Nachbartisch jemand über mich?

Die Wurzeln dieser Phobie lägen meist in der Kindheit, meint Titze, der seit Jahren Gelotophobiker behandelt. "Betroffen sind tendenziell eher 'brave' Kinder, denen es in der Pubertät nicht gelungen ist, sich im ausreichenden Maße vom Elternhaus zu emanzipieren." Die Eltern von Gelotophobikern packten ihre Kinder oft zu sehr in Watte, kontrollierten sie zu stark. Hinzu komme meist eine tendenziell unlebendige, versteinerte Mimik der Eltern, so dass die Kinder deren Gefühle nicht richtig deuten können. Die Kinder lernten Lachen nicht als Form von Zuneigung kennen und brächten es später daher auch nicht mit angenehmen Gefühlen in Verbindung.

Um Betroffenen zu helfen, setzt Titze "therapeutischen Humor" ein: In einer Lachtherapie sollen sie sich aus ihrer schamgebundenen Erstarrung lösen, ihre Hemmungen abbauen und lernen, über sich selbst zu lachen. "Es geht darum, aus der Rolle des unfreiwilligen Clowns in die Rolle des freiwilligen Clowns zu schlüpfen", sagt Titze.