Vergleichbares hatte es bei einer Generalaudienz in Rom noch nie gegeben. Die Freude war bei weitem größer als bei gewöhnlichen Audienzen: "Ich bin überwältigt", sagt eine bayerische Pilgerin über die Begegnung mit dem Papst aus ihrer Heimat. Mehr bringt sie nicht über die Lippen.
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Andere wundern sich über Benedikts unerwartet gute körperliche Verfassung nach der Ankündigung, wegen sinkender Kräfte sein Amt aufzugeben. "Vielleicht ist jetzt einfach eine Last von seinen Schultern genommen und er hat deshalb wieder mehr Energie", vermutet ein Methodist aus Südafrika, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern an der Generalaudienz teilgenommen hat.
Nicht auf einer fahrbaren Plattform, sondern mit entschiedenen Schritten betritt der Papst am Beginn seines ersten öffentlichen Auftritts nach der Rücktrittsankündigung unter tosendem Applaus den Saal. Einzelne Pilgergruppen aus allen Erdteilen lassen es sich nicht nehmen, ihm zum Abschied Gesänge aus ihrer Heimat vorzutragen.
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In seiner Ansprache vergleicht Benedikt die Versuchungen Jesu in der Wüste mit der Situation der Christen in der säkularisierten Welt. Immer wieder neu müsse jeder Christ sich trotz Kritik seiner Umwelt für den Glauben entscheiden, mahnt er die Pilger.
Doch zu Beginn geht er in Abweichung vom ursprünglichen Programm auf seinen überraschenden Entschluss ein. "Ich habe dies in voller Freiheit für das Wohl der Kirche getan". Er habe sich den Rücktritt gewissenhaft überlegt und sei zu der Überzeugung gekommen, "dass ich nicht mehr in der Lage bin, das Petrusamt mit der erforderlichen Kraft auszuüben".
Woge der Anteilnahme
Während seiner bewegenden und bewegten Rede umfingen die Anwesenden den Papst gleichsam mit einer Woge der Anteilnahme und Begeisterung. Er danke nicht nur ihnen, sondern allen Gläubigen, die ihn während seines achtjährigen Pontifikats begleiteten: "Betet weiter für den Papst und die Kirche."
Seinen Dank für die begeisterte Aufnahme verband der Papst aber auch mit einer Mahnung zu einem bewussten Glauben. "Heute ist das Christsein nicht mehr Folge des Lebens in einer Gesellschaft mit christlichen Wurzeln." Auch wer in einer christlichen Familie aufgewachsen sei und eine religiöse Erziehung genossen habe, müsse sich immer wieder neu für Gott entscheiden.
Der Glaube darf demnach nie zur Selbstverständlichkeit werden sondern muss immer wieder hinterfragt werden. Das klang nach einem Vermächtnis, denn entgegen weit verbreiteter Kritik an einer mangelnden Rationalität bei Gläubigen hält der Papst Vernunft für eine unerlässliche Voraussetzung für wahre Religiosität. Die Säkularisierung macht nach den Worten des Papstes das Festhalten an christlichen Werten immer schwerer. "Es ist nicht leicht, sich öffentlich gegen Entscheidungen aufzulehnen, die viele als selbstverständlich betrachten wie Abtreibung, Sterbehilfe oder Embryonenselektion."
Aschermittwochsfeier in den Petersdom verlegt
Als Beispiel für eine mutige Entscheidung für den Glauben unter widrigen Umständen nannte Benedikt die Jüdin Etty Hillesum, die im Konzentrationslager Auschwitz umkam. Die ursprünglich gottesferne junge Frau habe durch "die große Tragödie des 20. Jahrhunderts, die Shoah", zu Gott gefunden. Auch die US-Amerikanerin Dorothy Day, die den Versuchungen des Marxismus als Lösung politischer Probleme widerstanden und stattdessen aus christlicher Überzeugung ihr Leben Menschen am Rand der Gesellschaft gewidmet habe, gab Benedikt den Gläubigen als leuchtendes Beispiel vor.
Am Nachmittag wollte der amtierende Papst die Aschermittwochsliturgie zum Beginn der Fastenzeit feiern. Die Zeremonie sollte ursprünglich in der Kirche Santa Sabina auf dem römischen Aventinhügel stattfinden, wurde wegen des erwarteten Andrangs aber in die Peterskirche verlegt. Am 27. Februar wird Benedikt XVI. seine letzte Generalaudienz abhalten. Am Tag darauf legt er seine Amtsgeschäfte nieder.