Foto: epd/Cristian Gennari
Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle am 18. April 2005: Das letzte Konklave der katholischen Kirche dauerte nur rund 24 Stunden. Im vierten Wahlgang wurde Joseph Ratzinger am Nachmittag des 19. April zum Papst gewählt.
Der neue Papst und was die Welt von ihm erwartet
Spekulationen über Nachfolge von Benedikt XVI. sind in vollem Gange
Benedikt XVI. dankt ab, die Wahl seines Nachfolgers wird mit Spannung erwartet. Der neue Papst könnte die katholische Kirche auf einen neuen Kurs bringen, so die Hoffnung. Doch woher wird das künftige Kirchenoberhaupt stammen? Rückt erstmals ein Afrikaner oder Lateinamerikaner auf den Stuhl Petri, oder wird es wieder ein Italiener?
13.02.2013
Bettina Gabbe (epd) und Bernd Buchner (evangelisch.de)

Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. weckt Hoffnungen auf einen neuen Kurs der zentralistisch regierten katholischen Kirche. Mit "revolutionären Veränderungen" rechnet der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, jedoch nicht. Die notwendigen Reformen seien nur in einem langen Prozess zu erreichen. Im Pontifikat von Benedikt XVI. sei es zu einer wachsenden Entfremdung zwischen Amtskirche und Gläubigen gekommen, sagte Glück der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch).

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke wünscht sich eine "freundlichere Kirche mit mehr Einfluss für Frauen und mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen". Die Kirche müsse "mehr Wege der Barmherzigkeit" entdecken, sagte er der "Hamburger Morgenpost" (Mittwoch). Der katholische Theologe Rainer Kampling misst dem Papstrücktritt eine vergleichbare Bedeutung wie dem Fall der Berliner Mauer zu. "Wir stecken mitten in einem historischen Wechsel", sagte der Berliner Wissenschaftler dem "Tagesspiegel" (Mittwoch).

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Papst Benedikt XVI. hatte am Montag völlig überraschend seinen Amtsverzicht zum 28. Februar erklärt. Der heute 85-Jährige hatte das Amt seit April 2005 inne. Die Versammlung der Kardinäle, die nun über seine Nachfolge zu entscheiden hat, tritt frühestens am 15. März zusammen. Bis spätestens Ostern soll ein neuer Papst gewählt sein. Im Vatikan herrscht nach den Worten von Kurienkardinal Walter Kasper große Unsicherheit. Es gebe keinen Kandidaten, "der wie der geborene Nachfolger erscheint", sagte er in einem Interview mit "Radio Vatikan".

Kasper sprach von der "Stimmung einer gewissen Unsicherheit". Er war nach eigenem Bekunden nicht über den Schritt des jetzigen Papstes informiert. "Zunächst waren wir alle völlig perplex", beschrieb der frühere vatikanische Ökumeneminister den Moment der Rücktrittsankündigung am Montag. "Es ist ein Schweigen ausgebrochen, wir wussten zunächst nichts zu sagen", sagte er. Zugleich bekundete der frühere Ökumeneminister des Vatikan Respekt für die Entscheidung. Es zeuge von Größe, "wenn man die eigene physische Schwäche in dieser Weise artikuliert und sagt, ich bin nicht mehr in der Lage, das Amt in der Weise, wie ich es selber erwarte, auszuüben."

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte der "Berliner Zeitung" (Mittwoch), der Nachfolger von Benedikt XVI. solle "neuen Mut zu Reformen" im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils aufbringen. Die Kirche sollte dialogischer werden, über die Stärkung der Laien neu diskutieren und ihre Morallehre mit der Lebenspraxis der Mehrheit der Mitglieder in Einklang bringen. Der Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, sagte der "tageszeitung" (Mittwoch), die Kirche könne der letzte globale Player gegen Ökonomisierung und Ausbeutung sein. Ohne einen neuen Kurs habe sie jedoch keine Zukunft.

Jugendverband: Auf die Gläubigen hören

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend rief die deutschen Kardinäle auf, die anstehende Papstwahl zu Reformen in der katholischen Kirche zu nutzen. "Die Kriterien für die Auswahl eines neuen Papstes müssen auch danach gestaltet werden, was die Gläubigen wichtig finden", so BDKJ-Bundesvorsitzender Dirk Tänzler am Mittwoch in Düsseldorf. Der Kirchenkritiker Eugen Drewermann bezeichnete es als Grundproblem der Kirche, dass sie autoritär und von oben herab denke, "Sie verkündet fertige Dogmen und weiß angeblich immer schon, wo es langgeht", sagte Drewermann.

Auch der CDU-Politiker Heiner Geißler und der langjährige Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Pater Eberhard von Gemmingen, unterstrichen in der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" am Dienstagabend die Notwendigkeit von Reformen im Vatikan und in der katholische Kirche. Geißler sagte, die katholische Kirche müsse sich dringend verändern, weil sich sonst immer mehr Menschen von ihr entfremden würden. Pater von Gemmingen forderte: "Wir brauchen eine große Strukturreform und eine Entmachtung des Vatikan."

Das Wahlprozedere des Konklave ist ein uraltes Ritual.

Der Papst wird zum Abschluss seines Pontifikats am 28. Februar in einem letzten offiziellen Akt im Apostolischen Palast von den Kardinälen Abschied nehmen. Am Nachmittag werde er den Vatikan verlassen und im Hubschrauber in die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo fliegen, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi. Von dem Moment an beginne faktisch die Sedisvakanz, erläuterte er im Hinblick auf die Übergangsphase zwischen dem Ende eines Pontifikats und dem Beginn eines nächsten. Offiziell endet Benedikts Pontifikat um 20 Uhr.

Das Konklave in der Sixtinischen Kapelle beginnt frühestens am 15. März, spätestens fünf Tage später. Am ersten Tag findet nur ein Wahlgang statt, an den darauffolgenden Tagen jeweils vier. Für die Papstwahl ist die Zweidrittelmehrheit erforderlich. Wählbar ist jeder männliche Katholik ab 35 Jahren. Seit dem Hochmittelalter ist es aber üblich, den neuen Papst aus dem Kreis der Kardinäle zu wählen. Diese werden durch die Konklaveordnung bewusst von der Öffentlichkeit abgeschottet, um ohne äußere Einflüsse den richtigen Kandidaten auszuwählen. Wahlberechtigt sind 61 Europäer, davon 28 aus Italien, 14 Nord- und 19 Südamerikaner, 11 Afrikaner und 12 Kardinäle aus Asien und Ozeanien.

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In den Spekulationen über den künftigen Papst werden zahlreiche Namen genannt. In Italien gilt auch wegen des hohen Anteils italienischer Kardinäle beim Konklave der Mailänder Erzbischof Angelo Scola (71) als chancenreicher Kandidat. Er steht dem scheidenden Papst nahe, der ihn in einer ungewöhnlichen Entscheidung vor kurzem vom Patriarchen von Venedig zum Oberhaupt der wichtigsten Erzdiözese des Landes beförderte. Genannt werden unterdessen auch der Erzbischof von Florenz, Giuseppe Betori (65), und der Präsident des päpstlichen Kulturrates, Gianfranco Ravasi (70).

Für viele Vatikanbeobachter hat aber inzwischen die Stunde für einen Papst von einem anderen Kontinent geschlagen. Der Kanadier Marc Ouellet verbindet mit 68 Jahren ein relativ junges Alter mit Erfahrung sowohl mit der Kurie als auch in der pastoralen Arbeit als Ex-Bischof von Quebec. Der Präfekt der vatikanischen Bischofskongregation gilt als konservativ und aufgeschlossen zugleich. Er könnte die nötige Offenheit mit der nicht minder geforderten Kontinuität verbinden. Überdies verfügt er über Erfahrungen aus Lateinamerika, die den Wünschen nach einer Vertretung der großen Zahl Katholiken auf dem Kontinent zumindest teilweise Rechnung tragen würde.

Erstmals ein Nichteuropäer?

Der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch würde hingegen einen künftigen Papst aus Afrika oder Asien begrüßen. Aus dem Vatikan werden dem Präsidenten des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, dem Ghanaer Peter Turkson (64), Chancen eingeräumt. Der Erzbischof der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, Laurent Monsengwo (73), gilt als derjenige, der ohne Kurienerfahrung unter den Afrikanern das stärkste Profil im Kardinalskollegium hat. Ein Papst aus Asien oder Afrika wäre dem Ökumeneminster Koch zufolge allerdings eine "Herausforderung für ganze Kirche".

Aussichtsreichster Kandidat unter den Kardinälen aus Lateinamerika ist der Erzbischof von Sao Paolo, Odilo Scherer (63). Der charismatische und theologisch brillante Brasilianer, der von deutschen Auswanderern abstammt, gehört zahlreichen vatikanischen Kommissionen und Räten an. Auch dem Erzbischof von Tegucigalpa in Honduras, Oscar Rodriguez Maradiaga (70), und dem argentinischen Erzbischof Jorge Mario Bergoglio (76) werden Chancen eingeräumt. Der als progressiv geltende Bergoglio war beim Konklave 2005 der wichtigste Gegenkandidat von Joseph Ratzinger. US-Amerikaner hegen derweil die Hoffnung, dass der Erzbischof von New York, Timothy Dolan (63), das von der Zahl der Gläubige und finanziell nicht unerhebliche Gewicht ihrer Kirche als neuer Papst vertreten könnte.

Mit dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wird die katholische Kirche vom Abend des 28. Februar 2013 an übergangsweise durch das Kardinalskollegium geleitet. Bereits bei der ersten Sitzung der Generalkongregation der Kardinäle wird das Datum für den Beginn des Konklave festgelegt - nach dem Kirchenrecht muss dieses zwischen dem 15. und dem 20. Tag nach dem Ende eines Pontifikats liegen. Wahlberechtigt sind im Konklave alle im Vatikan anwesenden Kardinäle der römisch-katholischen Kirche unter 80 Jahren. Knapp die Hälfte von ihnen kommt aus Europa.