Tag eins nach dem angekündigten Papst-Rücktritt in Marktl am Inn, der Geburtsstadt von Benedikt XVI. Der Himmel ist grau, es schneit, und kein Mensch ist auf den Straßen zu sehen an diesem Faschingsdienstag. Die meisten Läden in dem verschlafenen 2.700-Seelen-Ort haben geschlossen, nur beim Bäcker brennt Licht.
Kabel führen kreuz und quer über den Marktplatz
Von Ruhe ist auf dem Marktplatz dagegen nichts zu spüren. An der Straße steht ein Übertragungswagen neben dem anderen. Kabel führen kreuz und quer über den Marktplatz. Journalisten aus aller Welt mit Kameras, Mikrofonen und Schreibblöcken bevölkern den Platz. Tags zuvor hatte Benedikt XVI. überraschend angekündigt, aus gesundheitlichen Gründen Ende Februar sein Amt aufzugeben.
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Als Roland Stadler, der zweite Bürgermeister von Marktl, die Touristen-Info betritt, muss er erst einmal telefonieren. Es ist niemand da, der das Geburtshaus des Papstes aufsperrt, dabei war das eigentlich ausgemacht. Von November bis April ist das Museum geschlossen, doch die Journalistenschar will im Geburtshaus filmen.
Marktl-Touristen kommen auch ohne Papst
Stadler sagt, es sei traurig zu sehen, wie einem großartigen Mann wie Benedikt XVI. die Kräfte schwinden. Er wünsche dem Papst, dass er sich erholt, wenn die Last seines Amtes jetzt von ihm abfalle. Gleichzeitig ist Stadler wehmütig, weil eine Ära zu Ende gehe. Er glaube aber nicht, dass die Marktl-Touristen jetzt ausbleiben. Dass ein Papst zurücktritt, habe es seit dem Mittelalter nicht mehr gegeben. Damit habe der Papst mehr Eindruck hinterlassen als alle anderen, ist der zweite Bürgermeister überzeugt.
Der Pfarrer des katholischen Pfarrverbands Marktl-Stammham, Josef Kaiser, gibt unterdessen an der Straßenecke gegenüber ein Interview. Anschließend führt er die Journalistengruppen durch die Kirche St. Oswald, wo der kleine Joseph Ratzinger am 16. April 1927 nur vier Stunden nach seiner Geburt getauft wurde, wie der Pfarrer erzählt.
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Er sei schon ein wenig traurig, gibt Kaiser zu. Papst Benedikt XVI. sei schließlich "unser Papst" gewesen, aber er habe große Achtung vor dem Schritt des Papstes. Wenn man ein Amt nicht mehr hundertprozentig ausfüllen könne, solle man es lassen. Natürlich sei der Papst gebrechlicher geworden, aber Anzeichen für einen Rücktritt habe es keine gegeben. Pfarrer Kaiser nimmt den Rummel gelassen und sagt, heute Abend sei eh Schluss, da müsse er auf eine Beerdigung.
Die Martkler Bürger verstecken sich vor den Journalisten
Auch Stadler sagt, das Leben werde hier nicht anders werden. Marktls Lebensader sei die Landwirtschaft und nicht der Papst-Tourismus. Wenn die vielen in- und ausländischen Journalisten Marktl wieder verlassen haben, werden auch die Einwohner wieder aufatmen. Im Moment schütteln sie nur den Kopf, wenn sie die Masse der Medienvertreter sehen und biegen schnell in eine Seitengasse ab.
Im Zug nach München will ein junges Mädchen von seinen Eltern noch etwas viel Grundsätzlicheres zum Thema Papst-Rücktritt wissen: "Warum wird jemand mit 78 Jahren eigentlich noch Papst?"