Foto: dpa/Francesco Sforza
Benedikt XVI. mit einem der Kandidaten für seine Nachfolge, dem Mailänder Kardinal Angelo Scola.
Ein Nachfolger für Papst Benedikt: Alt? Jung? Ökumenisch?
Die Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. hat die Welt überrascht. Am Tag danach wird vor allem spekuliert, wer sein Erbe als Oberhaupt der katholischen Kirche antreten könnte. Noch vor Ostern wird das Konklave einen neuen Papst wählen - hoch gehandelt werden ein Kanadier, zwei Afrikaner und zwei Lateinamerikaner.

Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von Papst Benedikt XVI. wird heftig über seinen Nachfolger spekuliert. Zwei Wochen vor dem Ende der Amtszeit werden die Namen mehrerer Kardinäle gehandelt. Der 85 Jahre alte Benedikt hatte mit seiner Erklärung, sein Amt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig niederlegen zu wollen, am Montag weltweit überrascht und schockiert.

Am 28. Februar wird Benedikt sein Pontifikat aufgeben. Dann beginnt innerhalb weniger Tage das Konklave, das seinen Nachfolger wählt. Bis Ostern soll der neue Papst feststehen. Schon am Montag setzten erste Spekulationen über mögliche Nachfolger ein.

Ein irischer Buchmacher setzte auf Kardinal Marc Ouellet aus dem kanadischen Quebec. Auch zwei Afrikaner werden genannt: Peter Turkson aus Ghana und Francis Arinze aus Nigeria. Aus Lateinamerika wird vor allem der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Otto Scherer, als einer der Favoriten gehandelt. Erneut sind auch zwei Italiener im Gespräch: Der Mailänder Erzbischof Angelo Scola hätte Chancen, heißt es, aber auch Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.

Schorlemmer: Benedikt XVI. der "Papst der Stillstands-Ökumene"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, würdigte das Wirkendes scheidenden Papstes: "Benedikt hat die Ökumene zu einem ganz wichtigen Thema gemacht", sagte Schneider. Es habe positive, aber auch irritierende Signale in Richtung Kirche der Reformation gegeben. "In der Frage der Begegnung auf Augenhöhe haben wir auch vermisst, dass der Papst uns als Kirche anspricht und nicht als kirchliche Gemeinschaft."

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Deutlichere Worte fand der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer: Benedikt XVI. werde "vor allem als Papst der Stillstands-Ökumene in die Geschichte eingehen". Bei seinem Deutschlandbesuch 2011 habe er die große Chance auf mehr Ökumene verspielt. Schorlemmer betonte, es seien keinerlei Signale für konfessionsverschiedene Paare gekommen, für geschiedene Wiederverheiratete oder wie beide Kirchen die Schuld an 500 Jahren Kirchenteilung gemeinsam tragen können. Er bedauere, dass der Papst es nicht gewagt habe, zu sagen: "Zunächst sind wir alle Christen und erst danach sind wir Katholiken oder Protestanten", sagte Schorlemmer der Leipziger Volkszeitung.

Stattdessen habe Papst Benedikt am alleinigen Kirchenanspruch der katholischen Kirche festgehalten und ultrakonservativen Kräften wie der Pius-Bruderschaft die Türen geöffnet. Der frühere DDR-Bürgerrechtler äußerte nun allerdings auch die Hoffnung, dass Joseph Ratzingers Schritt möglicherweise anderen Mut mache, ihm in den Rücktritt zu folgen. Konkret nannte Schorlemmer den umstrittenen Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner.

Katholische Laien begrüßen Benedikts Rücktritt

Auch katholische Laiengruppen äußerten Kritik an der Amtsführung des Papstes. Benedikt müsse sich fragen lassen, ob er wirklich genügend gegen die "Polarisierung" in der katholischen Kirche getan habe, sagte der Sprecher der Bewegung "Wir sind Kirche", Christian Weisner, der "Stuttgarter Zeitung" vom Dienstag: "Das viel zu lange Entgegenkommen gegenüber den Piusbrüdern und viele andere Dinge - etwa die Wiederzulassung der vorkonziliaren Messe - sind Zeichen dafür, dass Papst Benedikt die Kirche auf einen eher restaurativen Kurs geführt hat."

Die Initiative "Kirche von unten" begrüßte ausdrücklich den Rücktritt des Papstes. Benedikt habe es an Kraft und Willen gefehlt, die Kirche zu leiten, erklärte die Initiative in Berlin: "Die von Rom verordnete konservative Restauration hat die römisch-katholische Kirche vielmehr ins Abseits geführt."

Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke würdigte die theologische Brillanz des scheidenden Papstes. "Benedikt ist der Papst, der für die Einheit von Glaube und Vernunft steht", sagte Jaschke dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hamburg. Glaube brauche die Vernunft, und die Vernunft wachse im Glauben über sich hinaus. Gott könne "nicht unvernünftig sein", fügte er hinzu.

Berliner Bischof Woelki hätte gern einen älteren Papst

Die deutschen Bischöfe äußerten sich auch zum Nachfolger von Benedikt XVI. Nach den Worten des Kölner Kardinals Joachim Meisner "müsste der neue Papst sicher ein Mann von ähnlich hoher Bildung wie Joseph Ratzinger, mit großer menschlicher Erfahrung und - vor allem - von vitaler Gesundheit sein. Nicht älter als 70", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag). Benedikt und sein Vorgänger Johannes Paul II. hätten sich "herrlich ergänzt". "Insofern wäre eine Mischung aus (Karol) Wojtyla und Ratzinger gar nicht schlecht."

Auch nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sollte der nächste Papst in der Tradition seiner Vorgänger stehen. Wichtig werde es sein, dass der nächste Heilige Vater seinen Dienst in Kontinuität zu seinen beiden Vorgängern sieht, sagte Zollitsch der "Welt" (Dienstag).

Der katholische Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki wünscht sich einen älteren Papst, zwischen Mitte 60 und Anfang 70, sagte er im rbb. Woelki selbst ist 56 Jahre alt und damit einer der jüngeren Kardinäle. Der Berliner Erzbischof sagte, es sei eine lange Zeit, dieses Amt 20 oder 25 Jahre auszufüllen. "Insofern, glaube ich, kann das durchaus auch ein menschlicher Aspekt sein, wenn dort jemand mit dieser Aufgabe betraut wird, der nicht ganz zu jung ist." Auch müsse es dem künftigen Papst gelingen, den Glauben in eine Sprache zu übersetzen, die die Menschen heute verstehen, fügte der Kardinal hinzu.

Für seine Entscheidung zum Rücktritt erhielt Benedikt weltweit Anerkennung, Lob und Respekt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dankte ihm für seine Arbeit. Er habe sich dem interreligiösen Dialog stark verpflichtet gefühlt und sich für globale Herausforderungen wie die Bekämpfung von Armut und Hunger eingesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den deutschen Papst als einen der bedeutendsten religiösen Denker der Gegenwart. US-Präsident Barack Obama und seine Ehefrau Michelle dankten ihm für die Zusammenarbeit. Bundespräsident Joachim Gauck sagte, für die Rücktrittsentscheidung seien "großer Mut und Selbstreflexion nötig. Beides findet meinen außerordentlichen Respekt."

Ruhestand im Vatikan-Kloster

Rund zwei Wochen bleiben Benedikt noch im Amt. Fest steht, dass sich der Papst mit einem kleinen Programm verabschieden wird, das ganz auf die Fastenzeit vor Ostern ausgerichtet ist. Danach beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz.

Benedikt wird sich dann zurückziehen. Er will in ein Kloster im Vatikan umziehen und seiner Kirche "mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen." Der Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sagte: "Er hat mehrfach erklärt, dass er das Alter dem Schreiben und dem Studium widmen will. Und das wird er auch tun, denke ich."

Nicht weit entfernt kommen im März 117 Kardinäle aus aller Welt zum Konklave zusammen, um seinen Nachfolger zu bestimmen. Er soll bis Ostern feststehen, einen genauen Zeitplan gibt es aber noch nicht. Die Kardinäle müssen 15 bis 20 Tage nach dem Beginn der Sedisvakanz zusammentreten. Auf den neuen Papst warten gewaltige Aufgaben. "Er wird ein sehr schweres Erbe antreten", sagte der Papst-Biograf Peter Seewald.