Im Freudenberger Ortsteil Oberholzklau, mitten im Siegerland gelegen, steht eins der ältesten Pfarrhäuser in der evangelischen Kirche von Westfalen. 1608 gebaut, steht das Fachwerkhaus mittlerweile unter Denkmalschutz. Die vielen kleinen Zimmer werden aber immer noch bewohnt. Grüne Fensterläden schmücken das Haus von außen und über der Eingangstür steht der Leitspruch: "WAN GOTT WILL SO IST MEIN ZIEL". In diesem Haus wohnt Krimhild Ochse, Pfarrerin für Oberholzklau und sieben Nachbardörfer.
Krimhild Ochse ist ledig, alleinstehend, Single. Für sie ein Problem? Eigentlich nicht, sie habe ja noch nie etwas anderes erlebt. Früher, erzählt sie, waren die Frauen der Pfarrer oft so etwas wie Sekretärinnen, die ihre Männer unterstützten oder Teile ihrer Arbeit übernahmen. Bei Krimhild Ochse wird der Pfarrhausgarten von Jungs aus der Nachbarschaft gepflegt, bis vor kurzem hatte die Pfarrerin eine Putzfrau. Ihre Arbeit in der Gemeinde werde überhaupt nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie alleine ist, sagt die Pfarrerin. Das sei eben so und darüber diskutiere niemand. Auch für die Kirche als Arbeitgeberin ist eine Frau ohne Mann im Pfarrhaus normal. Das komme daher, dass zuerst nur ledige Frauen als Pfarrerinnen zugelassen wurden, meint sie. Erst später wurden auch deren Männer ins Pfarrhaus gelassen.
Sie selbst schenkt ihre meiste Zeit der Gemeinde. Seit 2006 ist Krimhild Ochse in Oberholzklau - und in der ersten Zeit konnte sie sich gar nicht so recht mit dem Leben im Siegerland anfreunden. Sie trauerte ihrer ersten Pfarrstelle in Schwarzenau im Wittgensteiner Land nach: Die sei für sie wie die "erste große Liebe" gewesen, erzählt Ochse. In Oberholzklau angekommen, verglich sie die beiden Gemeinden immer wieder miteinander, was die Arbeit am neuen Ort oft erschwerte. Es dauerte einige Zeit, bis Ochse und die Kirchengemeinde in Oberholzklau sich ineinander verliebten.
Ein Wunder im Krankenhaus
Und das kam so: An Ostern vor zwei Jahren entzündete sich ein Fuß von Krimhild Ochse so stark, dass er fast hätte amputiert werden müssen, außerdem diagnostizierten ihr die Ärzte Diabetes. Zehn Wochen lang lag die Pfarrerin im Krankenhaus, ohne eine Familie vor Ort, die sie hätten unterstützen können. Doch das Wunder geschah: Bis auf eine Ausnahme hatte sie in diesen zehn Wochen jeden Tag Besuch. Vor allem Gemeindemitglieder kamen, um Anteil zu nehmen und ihr die Zeit zu verkürzen.
Daheim übernahm die Gemeinde die gesamte Organisation: Telefonate wurden für sie entgegen genommen, ihre Wäsche wurde gewaschen, die Gottesdienste geplant. Kurz: Die Gemeinde organisierte sich selbst und tat alles, um ihre Pfarrerin zu unterstützen. "Das war ein sehr bewegendes Erlebnis, zu sehen, wie Gemeinde trägt", sagt Ochse heute mit etwas belegter Stimme. Man kann ihr ansehen, wie wichtig ihr diese Momente waren und wie glücklich sie darüber ist. Diese Erfahrung hat die Beziehung zwischen ihr und der Gemeinde verändert. Jetzt ist sie an ihrer neuen Arbeitsstelle angekommen und fühlt sich zu Hause. Ihre erste große Liebe ist Vergangenheit.
Seit zehn Jahren lernt Krimhild Ochse außerdem eine völlig andere Art von Gemeinde und Familie intensiv kennen: Sie ist Mitglied in einer Schwesternschaft geworden, die ihr Zentrum in Witten hat. Dort steht das Mutterhaus, gleichzeitig Treffpunkt und "Feierabendhaus", eine Art privates Altersheim. Ob sie sich vorstellen könnte, später dort zu wohnen und alt zu werden? Klar, aber erst mal wolle sie so weit kommen, sagt Ochse mit einem verschmitzten Lächeln. In dieser Schwesternschaft hat sie ihr Zuhause gefunden, die Schwestern sind eine Art Zweitfamilie. Für sie opfert Ochse sogar einen Teil ihres Einkommens. Nach ihrer Krankheit hat Ochse längere Zeit im Mutterhaus in Witten gelebt, um wieder gesund zu werden. Wenn sie die Gemeinschaft braucht, fährt sie hin, um sich dort mit anderen Schwestern zu treffen.
"Denk dran, Kind, am schwarzen Talar sieht man alles!"
Zuhause in Oberholzklau ist nicht das Alleinsein die größte Herausforderung für die Pfarrerin - sondern der moralische Anspruch, der an sie gestellt wird. Die Erwartungen an Pfarrer gehen ihrer Meinung nach stark auseinander. Junge Menschen wünschten sich eine andere Pfarrerin als ältere Menschen. Trotzdem gilt für Ochse immer der Anspruch, der für alle Christen gilt, nämlich nach dem Wort Gottes zu leben. Da sie als Pfarrerin zudem in der Öffentlichkeit steht, wird sie mehr beobachtet als Andere. Würde sie sich beispielsweise beim Backesfest im Ort betrinken, "dann hätte sich nicht Krimhild Ochse betrunken, sondern die Pfarrerin", sagt sie.
Ihre Mutter habe den Beruf und den moralischen Anspruch einst auf eine ganz einfache Formel gebracht: "Denk dran, Kind, am schwarzen Talar sieht man alles!" Trotzdem bleibt Krimhild Ochse entspannt. Schließlich hat die Gemeinde sie gewollt - so wie sie ist. "Wenn man einen Pfarrer wählt, dann wählt man auch den Menschen dazu. Mit seinen Möglichkeiten, aber auch mit seinen Grenzen."