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Anke Engelke moderiert die ARD-Show, auf der Deutschlands Beitrag zum ESC gewählt wird.
Anke Engelke und der ESC: "Huch, das ist jetzt aber wild"
Der deutsche Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) wird mal wieder umgekrempelt. Die ARD sucht nicht mehr gemeinsam mit Stefan Raab und Pro Sieben den deutschen Teilnehmer für den europäischen Musikwettbewerb. Angesichts schwacher Quoten geht die ARD zurück zu einem großen Wahl-Abend. Anke Engelke wird das Spektakel moderieren (14. Februar, 20.15 Uhr, ARD), über den ESC-Teilnehmer entscheiden wird eine Kombination aus Fernsehzuschauern, Radiohörern und einer Jury. Im Interview erzählt Engelke von ihren Erfahrungen mit dem ESC, ihren Auftritt in Baku und die Pläne für Malmö.

Frau Engelke, Sie sind bekennender Fan des Eurovision Song Contest. Wann fing Ihre Liebe denn an?

Anke Engelke: 1974 war mein Initiationsjahr. Ich war neun und bei mir daheim wurde nicht viel ferngesehen, aber bei Eiskunstlauf, Loriot, Monty Python und dem Grand Prix, wie es damals noch hieß, durften wir Schwestern ins Wohnzimmer kommen und schauen.

1974 war das große Jahr von Abba...

Anke Engelke: Genau, Abba gewann damals mit "Waterloo". Ich weiß noch genau, was für Klamotten die anhatten, hatte ab dann auch Abba-Poster an den Wänden. Ich konnte mich ja nie richtig zwischen Benny und Björn entscheiden und dachte mir: Dann müssen die das eben irgendwie unter sich ausmachen, wer mich mehr liebt (lacht).

Und welche Musik hören Sie heute, fast 40 Jahre später?

Engelke: Ich höre alles. Ich gehe gerne auf Live-Konzerte, neulich war ich auf einem Konzert meines Mannes, der Jazz macht. Letzten Monat war ich mit einer Freundin in der Philharmonie bei Kurt Elling, meinem zweitliebsten Sänger. Ich mag die amerikanische Bluegrass-Band "Punch Brothers", kenne mich aber auch bei Popmusik aus. Ich höre viel Radio und freue mich, wenn "Seeed" läuft. Wenn mir etwas gefällt, gehe ich in den Laden und kaufe mir eine Platte. Ich halte nämlich an den CDs fest, ein MP3-Dingsbums oder so etwas habe ich gar nicht. So wie ich mich früher auf die neue Abba-Platte gefreut habe, freue ich mich jetzt auf die neue Justin-Timberlake-CD.

"Mich blockiert das total, wenn ich nervös bin"

Beim Eurovision Song Contest geht es aber nicht nur um Musik. Dass das Spektakel auch eine politische Dimension hat, zeigte sich voriges Jahr in Baku, als Sie die Bekanntgabe der deutschen Punkteverteilung mit einer Bemerkung zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan verknüpften.

Engelke: Es ist aber eigentlich ein unpolitisches Festival. Es ist explizit gefordert, dass man sich nicht politisch äußert, insofern habe ich da etwas Verbotenes getan. Mir wurde erst hinterher erklärt, dass es auch richtig Ärger hätte geben können: Für Deutschland und Roman Lob als deutschen Teilnehmer hätte das blöde Konsequenzen haben können. Ohne Witz.

Wie lange hatten Sie vorher über Ihre Bemerkung gegrübelt?

Engelke: Gar nicht, ich bin einfach hingegangen und habe das gesagt. Für mich kamen in Baku zwei Sachen zusammen, die eigentlich nicht zueinander passen: Das urdemokratische Abstimmungsverfahren, das beim ESC im Mittelpunkt steht, und ein Land, bei dem die freie Wahl nicht an erster Stelle steht. Und als ich dann dastand, empfand ich das als einen großen Moment und hatte einfach das Bedürfnis, zu sagen: Es ist gut und richtig, dass Menschen wählen dürfen. Lange überlegen konnte ich schon deshalb nicht, weil ich ja ganz schnell das Abstimmungsergebnis auswendig lernen musste – ich wollte nämlich nicht vom Zettel ablesen, weil das bei mir ohne Brille nicht geht.

Sie mischen jetzt schon zum wiederholten Mal beim ESC mit: Sie moderieren vor mehr als 10.000 Zuschauern in der Veranstaltungshalle in Hannover und Millionen an den Bildschirmen den deutschen Vorentscheid, bei dem sich entscheidet, welcher Kandidat im Mai zum Finale nach Schweden darf. Aufgeregt?

Engelke: Ich bin da gar nicht aufgeregt. Mich blockiert das total, wenn ich nervös bin, dann macht man Fehler. Außerdem habe ich dann ja nix von dem Abend, und das kann nicht Sinn der Sache sein. Ich möchte das schon genießen. Wenn man gut vorbereitet ist, seine Texte gelernt hat, kann man das ganz entspannt angehen – dafür sind ja auch die Proben da.

"Spontaneität ist nicht eingeplant"

Haben Sie einen Autor für Ihre Moderationstexte?

Engelke: Na klar, ich schreib’ nix selber. Es geht in erster Linie um den Ablauf, da ist alles auf die Sekunde festgelegt, und ich habe nur so und so viel Zeit zur Moderation.

Wo bleibt denn da die Spontaneität?

Engelke: Die Spontaneität ist erst mal nicht eingeplant – erst wenn etwas technisch schief geht, muss man spontan sein. Ich nehme die Show ja auch extrem ernst. Ich will mich da gar nicht profilieren, es geht an diesem Abend um die Leute, die da auftreten. Für die Künstler ist das Ganze die Möglichkeit, im Mai in Malmö ein breites europäisches Publikum zu erreichen und für einen Moment das Land zu vertreten. Insofern bin ich da relativ unwichtig. 

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Zuletzt haben ARD und Pro Sieben den Vorentscheid gemeinsam als mehrteilige Castingshow ausgetragen. Diesmal wurde das Konzept komplett umgekrempelt. Was erwartet die Zuschauer?

Engelke: Die Idee ist und bleibt dieselbe: Die Teilnehmer müssen ihr Bestes geben, und dann werden sie gewählt – oder eben nicht. Die Radiohörer und die Zuschauer können wählen, dazu die Jury. Im Grunde hat das also immer noch einen Castingshow-Touch. Die Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Genres, da ist Klassik dabei, spirituelle Musik, Pop, Dance, Rock, Instrumental, englischsprachig, deutschsprachig. Das ist einfach phänomenal.

Also ist nicht nur Musik für junge Leute dabei?

Engelke: Nein, bei vier Stücken würde ich vermuten, dass die älteren Herrschaften vorm Fernseher sagen: "Das ist aber mal schöne Musik!" Dann gibt es aber auch so zwei, drei Störer, wo genau diese Menschen sagen werden: "Huch, das ist jetzt aber wild!"

Sie sind selber Musikerin. Würde es Sie nicht mal jucken, beim ESC teilzunehmen?

Engelke: Nein, dafür bin ich nicht gut genug. Ich finde es schön, dass das Menschen machen, die das können und die davon leben. Ich würde davon ja nicht leben müssen – der Gedanke, mich trotz so vieler arbeitsloser Spitzensängerinnen als Sängerin darzustellen, schmeckt nicht gut.