Es liegt nahe, dass Merkel keinen Druck auf Schavan ausüben wird, wegen der Aberkennung ihres Doktortitels durch die Universität Düsseldorf von ihrem Amt zurückzutreten. Über ihren Sprecher Steffen Seibert bekundet sie Schavan am Mittwoch nochmals ihr "volles Vertrauen". Die Ministerin begleitet Angela Merkel seit 15 Jahren in der Partei, seit acht Jahren als Ministerin. Und es liegt auch nahe, dass Schavan sich nicht erst auf ihrer Dienstreise im fernen Südafrika Gedanken gemacht hat, wie sie Schaden von sich selbst, aber auch von ihrer Chefin und Freundin abwenden kann.
Schavan fühle sich in ihrer Ehre tief verletzt, sie empfinde das Urteil des Fakultätsrats als maßlos ungerecht, wonach sie bei ihrer Promotionsarbeit vor 33 Jahren vorsätzlich getäuscht habe, heißt es in Regierungskreisen. Deshalb kämpfe sie um ihr Ansehen und klage gegen die Entscheidung. Das sei die eine Facette. Die andere sei ihr Ministeramt. Und hier gelte eben nicht, dass Schavan wie jeder andere Bürger behandelt werde: Die Maßstäbe an eine Bundesbildungsministerin würden ungleich höher angesetzt.
Hätte die Uni Düsseldorf ihre junge Studentin besser schützen müssen?
So sagt der Parlamentarische SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, einst Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, als Vorbild für junge Doktoranden sei Schavan nun denkbar ungeeignet. Das sehen viele so - und in der Wissenschaft sowieso. SPD-Chef Sigmar Gabriel, sonst wortgewaltig und um Attacken nicht verlegen, äußert sich aber zurückhaltender und sagt, dass er Schavan persönlich sehr schätze und ihm die Sache Leid tue.
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Das charakterisiert die Lage für die 57-jährige Schavan treffend. In der Politik hat sie einen guten Ruf. Die Opposition ist zwar kritisch, aber sie reagiert nicht so hart und empört wie bei Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der in Zeiten des Internets für seine Doktorarbeit mit wenigen Knopfdrücken passagen- und seitenweise das Wissen anderer kopiert hatte.
Wegbegleiter Schavans weisen darauf hin, dass sie erst 23 Jahre alt war, als sie sich 1980 mit ihrer Doktorarbeit "Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" ein damals anspruchsvolles Thema ausgesucht habe. Und sie meinen, es stünde der Universität gut an, einen externen Gutachter ein paar Dutzend Doktorarbeiten aus dem gleichen Themenspektrum der damaligen 80er Jahre prüfen zu lassen. Dann könne man die Fehler Schavans vielleicht besser einordnen. Damit stünde auch die Frage im Raum, ob die Universität schon damals ihre junge Promovendin besser hätte betreuen müssen - eine Diskussion, die die Universität Düsseldorf in ihrer eindeutigen Stellungnahme gar nicht aufnimmt.
Der Fall Guttenberg als Maßstab?
Doch Guttenberg setzte mit seinem Rücktritt vor fast genau zwei Jahren gewissermaßen auch einen Maßstab, gerade angesichts des hohen Drucks aus Wissenschaft und Öffentlichkeit. Schavan weiß sicher selbst am besten, dass ihre Partei, die Koalition, die Regierung und die Kanzlerin eine quälende Rücktrittsdebatte nicht gebrauchen können, schon gar nicht im Wahljahr.
Zwar sagt Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer (CDU), in Deutschland sei für den Job des Bildungsministers ein Doktortitel keine Voraussetzung. Und Merkel hatte 2011 bei Guttenberg betont, sie habe keinen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern einen Minister. Doch zehn Tage später war er als Minister Vergangenheit.
"Schwer vorstellbar", dass Schavan im Amt bleibt
Im Dezember 2012 - da waren die Plagiatsvorwürfe gegen sie bereits seit einigen Monaten bekannt - machte Schavan ihren Platz als CDU-Vize frei. Nun heißt es aus Partei, Fraktion und Regierung unisono, Schavan solle ihre Südafrika-Reise nicht abbrechen. "Nach der Rückkehr der Ministerin nach Deutschland wird Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden", sagt Regierungssprecher Seibert. Das wird in Partei und Fraktion ebenso gesehen. Es hört sich nach geordnetem Rückzug an.
Für den Deutschen Hochschulverband ist es nach den Worten seines Präsidenten Bernhard Kempen aber "sehr schwer vorstellbar", dass Schavan im Amt bleibt. Sie sollte die Entscheidung der Universität "zunächst als Faktum" akzeptieren, sagte er der dpa. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es klug wäre, unter diesen Umständen weiter im Amt zu bleiben." Der Verband vertritt 27.000 Universitäts-Professoren.