"Meinen Glauben an den Fußball habe ich durch diesen Wettskandal nicht verloren", sagt ein Fan
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"Meinen Glauben an den Fußball habe ich durch diesen Wettskandal nicht verloren", sagt ein Fan
Glaube an den fairen Fußball
Der Fußball ist nicht fair – wetten? Die Ermittlungsergebnisse von Europol über Manipulationen von knapp 400 Spielen im europäischen Spitzenfußball – rund 70 davon in Deutschland - sind erschreckend. Doch was Europol-Chef Rob Wainwright "den größten Fall aller Zeiten in diesem Bereich" nennt, nehmen christliche Fußballfans in Deutschland gefasst auf.

Noch sei es zu früh, um von einer Katastrophe zu reden, meint Benjamin Hirzel, Vorsitzender des Fanclub Stuttgarter CVJM Buaben. Doch der Anhänger des VfB Stuttgart findet es erschreckend, dass die Wettmafia immer noch so aktiv ist und solchen Einfluss hat. "Ich bin zunächst einmal beruhigt, dass wohl die erste bis dritte Liga in Deutschland von den Wettmanipulationen nicht betroffen ist", sagt er. Für ihn wäre es eine "große Überraschung, wenn deutsche Vereine bei international manipulierten Spielen dabei wären." Hirzel glaubt, die deutschen Profivereine wirtschafteten seriös und bezahlten ihre Spieler gut genug. "Ganz kann man solche Manipulationen aber nie ausschließen, es gibt immer Leute, die käuflich sind", sagt Hirzel. "Ein einzelner Spieler hat meiner Meinung nach aber auch nicht so viel Macht, ein Spiel allein zu verschieben – ein Schiedsrichter schon eher."

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Lars Kissner, Mitglied beim christlichen Fanclub Totale Offensive von Kickers Offenbach, hält sich mit einem Urteil zurück: "Bisher gibt es ja nur Ankündigungen in den Medien, aber noch keine Fakten darüber, wie stark Deutschland wirklich betroffen ist." Was das für die Fußballfans hierzulande bedeute, sei daher gar nicht zu greifen. Fest steht für Kissner nur: "Schiebung gehört auf jeden Fall nicht zum Fußball, nie." Als OFC-Fan weiß Kissner, wovon er redet. Im Zuge des ersten Bundesligawettskandals Anfang der siebziger Jahre waren auch die Kickers Leidtragende: "Obwohl wir den Skandal mit aufgedeckt haben, sind wir am Ende aus der Bundesliga abgestiegen", sagt Kissner. "Das ist ein Skandal, der bis heute noch zum Himmel schreit." Im aktuellen Fall sei erst einmal abzuwarten, was wirklich dahinter stecke. Alle Fakten und Namen sollten offen gelegt werden "und dann muss radikal gegen die Manipulationen vorgegangen werden."

Wie in Offenbach gibt es in mehreren deutschen Städten einen Ableger der Totalen Offensive (TO) des örtlichen Profifußballvereins. Angefangen hat es 2005 in Hamburg mit dem christlichen HSV Fanclub Totale Offensive, mittlerweile ist daraus eine deutschlandweite christliche Fanbewegung entstanden, die sich gegen Gewalt, Intoleranz und Alkoholmissbrauch einsetzt. Alle TO-Fanclubs treten einheitlich mit dem frühchristlichen Symbol des Fisches im Logo auf.

Fußball – Opfer oder Abbild der Gesellschaft?

Der christliche Glaube kann helfen, solche Vorfälle wie den aktuellen europaweiten Wettskandal einzuordnen. "Diese Wettmanipulationen überraschen mich grundsätzlich nicht, weil im Fußball Menschen tätig sind, und wir wissen schon aus der Bibel, dass der Mensch sündig ist", sagt Alexander Reinisch von Totale Offensive VfL Bochum. Deshalb sei es umso wichtiger, den christlichen Glauben unter die Menschen zu bringen. "Ich mache mir aber schon meine Gedanken, ob mein eigener Verein Opfer solcher Wettabsprachen geworden ist." Auch Reinisch fordert, dass die Drahtzieher in Asien genannt und gefasst werden müssten und nicht nur die üblichen kleinen Fische. "Meinen Glauben an den Fußball habe ich durch diesen Wettskandal aber nicht verloren, denn der Sport ist durch die Manipulationen selbst betrogen worden. Daher muss man jetzt erst recht zu diesem Sport, der der schönste überhaupt ist, stehen."

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Detlef Wartchow von Berliner Fanclub Totale Offensive Hertha BSC hat in gewisser Weise Verständnis für den Wettskandal: "Es ist sehr bedauerlich, aber auch sehr menschlich. Zocken gehört zur Menschheit leider dazu." Es sei daher tröstlich, wenn in Deutschland nur die vierte Liga von den Wettmanipulationen betroffen wäre. "Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass deutsche Spieler oder Funktionäre mitgemacht haben." Ihm fällt kein internationales Spiel mit deutscher Beteiligung ein, das seiner Meinung nach manipuliert gewesen sein könnte. "Nicht einmal das 4:4 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden im Berliner Olympiastadion in der WM-Qualifikation", sagt er und lacht.

Ein christlicher Fan des Hamburger SV, der anonym bleiben will, äußert sich noch drastischer und sieht das Problem in der Gesellschaft: "Wo gibt es den noch Fairness in der Gesellschaft? Nur beim Fußball wird immer so getan, dass das etwas Besonderes wäre. Wie soll es denn dort fair zugehen, wenn es sonst nirgendwo in der Gesellschaft fair zugeht." Auch er moniert, dass es noch zu wenige Fakten darüber gebe, inwieweit der deutsche Fußball betroffen sei. "Es ist traurig genug, dass die vierte Liga in Deutschland betroffen sein soll. Aber wenn es überall gesellschaftlich aus dem Ruder läuft, ist das nicht verwunderlich. Selbst in der Kirche ist das nicht immer der Fall, wie die Missbrauchsfälle zeigen."