Eigentlich ging es gar nicht gegen die Kirche, aber die Leserbriefseiten der Mainzer Zeitungen waren voller bitterböser Beschwerden. Vor drei Jahren wollte der Mainzer Carneval-Verein im Rosenmontagszug mit einem Motivwagen die Debatte über den Einsatz sogenannter Nacktscanner auf Flughäfen verspotten. Der Wagen zeigte zwei feixende Bundespolizisten, die eine Nonne durchleuchteten. Im Bildschirm erschien die Ordensfrau barbusig und mit Strapsen. Vielen in Mainz ging das zu weit. Als Ordensschwestern mit einer einstweiligen Verfügung drohten, wurde die Darstellung entschärft, der Monitor mit einem "Bildstörung"-Hinweis überklebt.
"Wir haben sehr lange mit uns gerungen", erinnert sich Kay-Uwe Schreiber, Zugmarschall beim Mainzer Rosenmontagszug, an die internen Debatten. Zwar müsse grundsätzlich auch die Kirche in der Mainzer Fastnacht einige Kritik aushalten. "Aber man muss es nicht so weit treiben, dass es zu einem richtigen Bruch kommt. Fastnacht ist auch nur Fastnacht." Auch Jesus- oder Mohammed-Darstellungen werde es in Mainz nicht geben. "Das sind Dinge, die viel zu viel Zündstoff enthalten", findet Schreiber.
Kirchen immer wieder Thema im den Karnevalszügen
Vielerorts ist das Verhältnis zwischen Kirche und Narren überaus harmonisch. So kommen die Mainzer Fastnachtsgarden jedes Jahr in Uniform zu einem schon traditionellen Gottesdienst zusammen. Auch die Fernsehsitzung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" produziert keine Skandale. Andreas Schmitt, der dort als voluminöser und trinkfester "Obermessdiener vom Mainzer Dom" unter seinen Fans mittlerweile Kultstatus genießt, ist im bürgerlichen Leben selbst Angestellter des katholischen Bistums.
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Zugleich gab es in der jüngsten Vergangenheit aber eigentlich jedes Jahr Anlass für Aufregung um die Darstellung von Kirchen und Religionen: Die Mainzer ließen einen Papst mit Kondom-Luftballons durch die Straßen rollen und einen Mönch, der mit einem Besen die Missbrauchsskandale der Kirche unter einen Teppich zu fegen versucht.
In Düsseldorf war eine Figur des konservativen Kölner Erzbischofs Joachim Meisner zu sehen, der eine Frau wegen einer Abtreibung auf dem Scheiterhaufen verbrennen wollte. Religiöse Gefühle könnten im Karneval "nicht unter Naturschutz gestellt werden", urteilt der Düsseldorfer Motivwagenbauer Jacques Tilly, Mitglied im Beirat der kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung.
"Wenn aus Humor Häme wird, verliert der Karneval"
Tilly hat kein Verständnis für die Zurückhaltung der Kölner Karnevalisten, in deren Umzug bissige Kritik an der Kirche ein Tabu bleibt. "Es ist doch deren Kardinal", sagt er. "Na ja, wir bauen eben unsere Wagen für die Kölner mit." Als Tilly eine Figur von Benedikt XVI. entwarf, die dem als Teufel dargestellten, rechtsextremen Pius-Bischof Richard Williamson die Hand reichte, beschwerte sich Meisner in einem Beitrag für die Kirchenzeitung: "Wenn aus Humor Häme wird, aus Verulkung Verletzung und aus Überzeichnung Verfälschung, dann verliert der Karneval."
Die Akteure der Kölner "Stunksitzungen", einer Alternativveranstaltung zu den eher gutbürgerlichen offiziellen "Prunksitzungen", gehen regelmäßig noch etwas weiter - bis an die Grenzen der Geschmacklosigkeit. Als der Kabarettist Bruno Schmitz den Papst als "Frettchen des Herrn, dumm wie eine Rolle Oblaten" beschimpfte, wurde sein Auftritt aus der Fernsehaufzeichnung herausgeschnitten. Dem WDR brachte das direkt Zensurvorwürfe ein.
"Wir tun gut daran, als Kirche mit großer Gelassenheit zur reagieren"
Eine Grundregel vieler Fastnachter und Karnevalisten lautet: Ereignisse, die für das Kurzzeitgedächtnis der Narren zu lange zurückliegen, haben keine Chance, satirisch berücksichtigt zu werden. Margot Käßmann etwa hatte deshalb noch Glück im Unglück. Als die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland wegen ihrer Alkoholfahrt zurücktrat, war die Fastnacht gerade vorüber. Anderenfalls wäre auch sie mit Sicherheit auf einem Motivwagen gelandet, sagt Wagenbauer Tilly. Allzu böse wäre der allerdings selbst dann nicht ausgefallen, schiebt er nach.
"Nicht alles trifft das kirchliche Humorzentrum, aber wir tun gut daran, als Kirche mit großer Gelassenheit darauf zu reagieren", sagt Jens Peter Iven, Sprecher der rheinischen Landeskirche, zu den Grenzen der Narrenfreiheit. Viele Kirchengemeinden und Pfarrer zeigen in der Fastnachtszeit ohnehin, dass sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen. Predigten in Büttenredenform oder ökumenische Kirchen-Fastnachtssitzungen sind entlang des Rheins weit verbreitet. Und die Düsseldorfer Protestanten ließen zum Auftakt einer Synode statt eines frommen Chorals gar den satirischen Karnevalsschlager "Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin" abspielen.