Bleich sitzt Ayna im Behandlungsstuhl. Zahnschmerzen plagen das dreijährige Flüchtlingsmädchen aus Tschetschenien. Und sie versteht nicht, was mit ihr passiert. "Zahnsanierung, aber mit Narkose", schlägt Zahnärztin Regina Fütterer vor. "Wir wollen ja nicht, dass sie Angst vor dem Zahnarzt bekommt." Mit großen Augen schauen Aynas Eltern auf Margarita Krailich. Mit wohltönender Stimme legt die angehende Dolmetscherin los, russische Worte perlen ihr über die Lippen.
Über die angespannten Gesichter des jungen Familienvaters und seiner Frau huscht ein Lächeln des Verstehens. "Die Übersetzung ist eine gute Hilfe", sagt der Asylbewerber aus dem Kaukasus, der mit seiner Familie seit einem Jahr im südpfälzischen Kandel lebt. Deutsch spricht er kaum - deshalb ist er dankbar für den Übersetzungsdienst von Dolmetscher-Studentin Krailich, die in die Zahnarztpraxis mitgekommen ist.
Kostenlose Übersetzunghilfe
Die 23-Jährige ist eine von 20 Studentinnen und Studenten, die sich in einem bundesweit einzigartigen Projekt engagieren: Der Arbeitsbereich Interkulturelle Kommunikation in Germersheim der Johannes Gutenberg-Universität Mainz bietet seit gut einem Jahr einen Dolmetscherpool an. Soziale und medizinische Einrichtungen sowie Behörden in der Region Germersheim-Speyer, die sich die Dienste von freiberuflichen Dolmetschern nicht leisten können, haben dort die Möglichkeit, eine Übersetzungshilfe kostenlos zu buchen.
Mehr als 100 Einsätze haben die Studierenden im vergangenen Jahr anlässlich ihres unbezahlten Praktikums geleistet, sagt Professor Bernd Meyer. Der Sprachwissenschaftler ist Initiator des Projekts, in dem unter anderem Türkisch, Russisch, Arabisch, Albanisch, Kurdisch und Chinesisch angeboten wird.
"Enorme Arbeitserleichterung"
"Der Übersetzungsdienst ist eine enorme Arbeitserleichterung", urteilt Julia Bohlender über das Angebot der Germersheimer Nachwuchs-Dolmetscher. Schon mehrfach hat die Sozialarbeiterin von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung von Kindern und Jugendlichen in Kandel bei ihnen um Hilfe angeklingelt.
###mehr-artikel###Im Rahmen seines Projekts "bellA" bietet der freie Träger der Familienhilfe auch Migranten, Flüchtlingen oder Asylbewerbern Beratungsdienste an. Doch oft erschwere das Sprachproblem die Arbeit, sagt Bohlender. Es sei schon vorgekommen, dass Arzttermine "wegen allgemeinen Nichtverstehens" abgebrochen werden mussten.
Studentin Krailich könnte sich durchaus vorstellen, später einmal im Sozialbereich zu arbeiten. "Ich möchte den Menschen bei der Verständigung helfen" - das ist für die junge Frau mit russlanddeutschen Wurzeln der Grund, sich für den Dolmetscherpool zu engagieren.
Doch die Jobs für Übersetzerdienste sind im Sozialbereich dünn gesät, weiß Krailich, die den zweijährigen Masterstudiengang Konferenzdolmetschen in Russisch und Englisch gewählt hat. Die Chance, einmal für Wohlfahrtsverbände oder Kommunen zu arbeiten, schätzt sie als gering ein. "Ich muss ja davon leben können", sagt sie.
Auf dem Team des Dolmetscherpools lastet eine große Verantwortung. Sie müssen unparteiisch sein, auch wenn sie manchmal mit ihren Klienten mitfühlen. "Ich mache immer zuerst deutlich, dass ich keine Behördenvertreterin bin", sagt Krailich. "Schockiert" sei sie gewesen, als sie erfahren habe, wie niedrig die Leistungen für Asylbewerber seien.
Bauchschmerzen habe sie, wenn sie im Krankenhaus etwa beim Ausfüllen von Patientenbögen dolmetschen müsse, sagt Krailich. Dabei sei die richtige Wortwahl besonders wichtig, damit es nicht zu Behandlungsfehlern komme. Die kleine Ayna begleitet sie aber gerne wieder zur Zahnärztin. Und dank Margarita Krailich weiß das Mädchen nun auch, dass es keine Angst haben muss.