Foto: Vera Rüttimann
Das Kloster Einsiedeln in der Schweiz.
Mönch auf Zeit: Einsichten in eine neue Welt
Das Kloster Einsiedeln in der Schweiz gibt jungen Männern die Möglichkeit, zehn Tage als freiwillige Helfer mit den Mönchen zu leben. Das Angebot ist auch bei deutschen Jugendlichen gefragt. Sie betreuen die Pilger, pflegen die Gärten - ora et labora, ganz klassisch, und lernen dabei das Leben als Mönch zu schätzen.

Täglich strömen Besucher durch die Türen des mächtigen Portikus, viele davon auch aus Deutschland. Sie wollen im Kloster Einsiedeln die Schwarze Madonna und das Grab des heiligen Meinrads sehen oder die berühmte Stiftsbibliothek besuchen. Doch der tägliche Ansturm der Pilger und der Unterhalt des Klosters zehren an den Kräften der 60 verbliebenen Benediktiner-Mönche.

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Im Sommer 2012 startete Pater Cyrill deshalb ein Volontaire-Projekt für Männer, die als "Mönche auf Zeit" zwei Wochen den Alltag der Ordensleute im Kloster Einsiedeln teilen wollten. "Ein Pilotprojekt, das bei allen Beteiligten auf gute Resonanz stieß", so Initiant Pater Cyrill Bürgi. In diesem Jahr soll nun ein neuer Jahrgang an den Start gehen. "Im Sommer brauchen wir zusätzliche Ministranten, weil unsere Stiftsschüler in den Ferien sind. Auch sonst gibt es im Kloster viel zu tun", betont der 41-Jährige. Vorbild für dieses Projekt war für ihn das Kloster Lérins bei Cannes, das junge Leute zum Mitleben in der Ordensgemeinschaft einlädt. "Das hat mich inspiriert, so etwas wollte ich in Einsiedeln auch."

Das Kloster Einsiedeln ist der religiöse Mittelpunkt der Schweiz und mit seiner Schwarzen Madonna in der Gnadenkapelle ein bedeutender Wallfahrtsort, der weit in den in den süddeutschen Raum hineinstrahlt. Dank der Marienwallfahrt und der Lage am Jakobsweg erlangte Einsiedeln im 14. Jahrhundert große Bedeutung. Sein Marstall gilt als ältestes noch bestehendes Gestüt Europas, die Landschaft rundum ist malerisch.

Der Berufung auf den Grund gehen

Hier suchen die freiwilligen Klosterhelfer nach Innerlichkeit, der großen Stille und Einsichten in eine neue Welt. Einer von ihnen ist Carsten Mayer. Derzeit absolviert der 20-Jährige im Priesterseminar in Trier ein geistliches Vorbereitungsjahr auf das Theologiestudium. Der junge Deutsche hatte von dem Volontariat durch seinen Heimatpfarrer erfahren, der Einsiedeln regelmäßig besucht.

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"Ich wollte wissen, wie man in einem Kloster heute lebt. Zudem wollte ich hier meiner eigenen Berufung genauer auf den Grund gehen", erklärt der 20-Jährige seine Motivation. Und er war neugierig auf dieses Kloster, das zusammen mit dem Benediktinerinnenkloster Fahr bei Zürich das weltweit einzige noch erhalten gebliebene benediktinische Doppelkloster bildet. Neugierig war er auch auf den Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, der als @AbtMartin kirchenferne Menschen durch soziale Medien wie Twitter zu erreichen versucht. Die Zeit nannte ihn einmal den "digitalen Abt". Auch seine Schrift "Miteinander die Glut unter der Asche entdecken" hat ein unerwartetes Echo ausgelöst, das auch dem Kloster zukommt.

Karge Zimmer, einfache Duschen und kalte Flure warten auf die freiwilligen Helfer, die wie Carsten Meyer zehn Tage im Gästetrakt des Klosters wohnen. Pater Cyrill Bürgi rechnet dennoch mit etlichen Anmeldungen. Er betreut die "Volontaires", die den größten Teil ihrer Zeit trotz der reizvollen Landschaft drumherum im Inneren des Klosters verbringen. Der Tag ist, wie im Kloster üblich, streng gegliedert und beginnt früh: um 7.15 Uhr mit dem Morgengebet, der Laudes. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit den Mönchen erhalten die Volontaires durch Pater Cyrill Bürgi mit der "Lectio Divina" eine geistliche Lesung. Sie gehört zum Herzstück der benediktinischen Tradition.

Ora et labora

Um 16.30 Uhr folgt ein täglicher Höhepunkt: Der Konvent zieht in Prozession zur Vesper in der Gnadenkapelle und singt dort sein mehrstimmiges, berühmt gewordenes "Salve Regina". Die "Gast-Mönche" können bei ihren Gebeten im Innern der Barockkirche einen Blick auf den prächtigen Stuck werfen, der meisterhafte Deckenmalereien und unzählige Heiligenfiguren umrankt. Dass in dieser Umgebung der ein oder andere Volontair im Kloster bleibt, ist die stille Hoffnung von Pater Cyrill Bürgi.

Pater Cyrill betreut die Volontaire im Schweizer Kloster Einsiedeln.

Zwischen dem geistlichen Leben wartet auf die Volontaires jene Arbeit, bei der die Mönche junge, kräftige Hände benötigen: Im Garten muss gejätet, umgesetzt und neu bepflanzt werden. Im Klosterladen sollen kleine Weihrauchbeutel mit kostbaren Räucherharzen abgefüllt werden. Im Gebäudetrakt geht’s dem Staub auf Gängen, Fluren und in Mönchsklausen an den Kragen. Pilger und Touristen haben hier keinen Zutritt.

Auch die Schnitzereien über den Türrahmen und das Chorgestühl müssen entstaubt werden, abends die liegengebliebenen Gegenständen zwischen den Kirchenbänken entfernt werden. Volontaire wie Carsten Mayer, die ministrieren, kommen in den zahlreichen Gottesdiensten und Hochfesten wie Maria Himmelfahrt in Einsatz. Der Trierer sieht in diesen Tätigkeiten stets auch immer das gemeinschaftsstiftende Element, "nie nur die Arbeit."

Stille ist mehr als Chillen

Die Volontaires nehmen sich auch der vielen Pilger an, die aus an den umliegenden Ländern ins Kloster strömen. Sie wollen meist die eine sehen: Die schwarzhäutige Madonna von Einsiedeln. Mit rätselhaft entrücktem Blick steht die spätgotische Holzfigur im goldenen Mantelumhang in der Gnadenkapelle. Ein Ort, zu dem es auch Carsten Mayer oft hingezogen hat. "Keiner kann sich ihrem Sog entziehen, die Ausstrahlung ist stark", sagt er.

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Dieser Kraftort bildet einen Gegenpol zum geschäftigen Treiben. Er führt die Besucher, die Volontaires und die Mönche zu intensivem Nachdenken über sich selbst. Pater Cyrill steht den freiwilligen Helfern Rede und Antwort, wenn sie Fragen haben zu Gott, dem ewigen Leben oder der Erlösung. Und zur Frage aller Fragen: Was hält einen ein ganzes Leben lang im Kloster? Der Freiwilligendienst im Kloster trifft jedenfalls einen Nerv: Unlängst haben sich nicht nur junge Männer aus Deutschland dafür angemeldet, sondern auch welche aus den USA.

Sie wollen, wie die meisten ihrer Vorgänger-Volontaire, neue Erkenntnise über den Alltag eines Ordensmannes gewinnen. Sie entdecken, dass Stille mehr ist als Chillen, mehr als nur die Abwesenheit von Worten. Sie lernen, dass viele der Gäste im Kloster reife, geistliche Persönlichkeiten vorzufinden hoffen und von ihnen Antworten erwarten. Manche Klischees legen sie ab. "Vor allem staunen sie über die lockere und fröhliche Stimmung unter uns Mönchen, denen ein Abt vorsteht, der twittert", sagt Pater Cyrill. Die Atmosphäre muss ansteckend gewirkt haben: Carsten Mayer möchte sich für ein zweites Volontariat hier bewerben. Vielleicht bleibt er ja länger - vielleicht für immer.