Foto: dpa/Uwe Anspach
Das Wort "Catechismus" im Kurpfälzischen Museum auf einer Buchseite der 2. Auflage des gleichnamigen Buches aus dem Jahre 1563.
Heidelberger Katechismus: Bedienungsanleitung für Christen
Im 16. Jahrhundert wurde ein schmales theologisches Büchlein aus der kurpfälzischen Provinz zum religiösen Bestseller. Bis heute orientieren sich weltweit reformierte Protestanten an den 129 Fragen und Antworten zu den zentralen Fragen des Lebens.
11.05.2013
epd
Stephan Cezanne

Kaum ein Buch hat den Protestantismus so geprägt wie der vor 450 Jahren erschienene Heidelberger Katechismus. Er gilt als wichtigste evangelisch-reformierte Bekenntnisschrift deutscher Sprache. Auswanderer aus Europa trugen ihn in die ganze Welt - nach Amerika, Asien und Afrika. Heute bietet der Text mehr als 80 Millionen refomierten Christen Orientierung im Leben. Am 19. Januar 1563 wurde der Katechismus zum Druck freigegeben, er erschien wenig später in Heidelberg. Das "Büchlein sei mit Tonnen Goldes nicht aufzuwiegen", hieß es im 17. Jahrhundert.

Der Einfluss des Heidelberger Katechismus ist enorm. So inspirierte die Schrift die Barmer Theologische Erklärung von 1934, mit der sich evangelische Christen von der Ideologie des Nazi-Staates abgrenzten. Die Barmer Erklärung wiederum ist bis heute Vorbild für christliche Befreiungsbewegungen in totalitären Staaten. Schon im 16. Jahrhundert breitete sich der Heidelberger Katechismus  wegen seiner Prägnanz rasch in ganz Europa aus. Auch wenn er den Bekanntheitsgrad von Luthers Kleinem Katechismus nie erreicht hat, wird bis heute seine herzliche Sprache gerühmt.  

Generationen von Christen mussten ihn auswendig lernen

Der "Heidelberger" - wie er kurz genannt wird - ist eine Art Bedienungsanleitung für reformierte Christen: Er ist Glaubenslehre und Bekenntnisschrift, Kirchenordnung, religiöses Volksbuch, ein didaktisch geschickt aufgebautes Lehrbuch sowohl für Theologen aber auch für den christlichen Unterricht. Der Text gibt Antwort auf 129 zentrale Fragen des evangelisch-reformierten Glaubens. Kurz: Es ist ein religiöses Schul-, Kirchen- und Hausbuch für den Alltag.

###mehr-artikel###

Berühmt geworden ist vor allem die erste Frage: "Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?" Ein Auszug aus der Antwort ist Beispiel für die seelsorgerliche und psychologisch einfühlsame Grundhaltung des Textes: Jesus "bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, dass mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss". Theologen zufolge enthält die erste Frage und Antwort "bereits das Ganze des Christseins". Das Buch ist in drei Abschnitte unterteilt, die ersten beiden behandeln des "Menschen Elend" und des "Menschen Erlösung". Der dritte Teil steht unter der Überschrift "Von der Dankbarkeit".

Generationen von Christen haben den Text im Konfirmandenunterricht - oft wohl nicht ganz freiwillig - auswendig gelernt und ihr Leben lang behalten. Als maßgeblicher Verfasser gilt Zacharias Ursinus (1534-1583). Der aus Breslau stammende Heidelberger Professor für Dogmatik war Schüler des Reformators Philipp Melanchthon in Wittenberg.

"Stärkstes ökumenisches Band der Reformierten"

Innerhalb der evangelischen Kirche gibt es zwei Hauptströmungen: Lutheraner und Reformierte. Die lutherischen Kirchen und Gemeinden gründen sich vor allem auf den Kleinen Katechismus Martin Luthers und die "Confessio Augustana", das Augsburgische Bekenntnis von 1530. Für die in der Tradition des Genfer Reformators Johannes Calvin stehenden Reformierten hat der Heidelberger Katechismus inzwischen die Bedeutung eines weltweit reformierten Bekenntnisses gewonnen, auch wenn er nicht in allen Kirchen offiziellen Status hat.

Die kirchlichen Bekenntnisse dienten auch zur Abgrenzung. Schließlich brauchten Lutheraner und Reformierte mehr als 400 Jahre, bis sie ihre Differenzen halbwegs überwanden und miteinander Abendmahl feierten. Eigentlich sollte der Heidelberger Katechismus solche Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Richtungen der Reformation schon im 16. Jahrhundert beruhigen. Dies hatte der pfälzische Kurfürst Friedrich III. - wegen seiner großen Bibelkenntnis und Gelehrsamkeit auch "der Fromme" genannt -  beabsichtigt, als er ihn 1562 in Auftrag gab.

Immer wieder gab es Ansätze, das kleine Buch mit dem Original-Titel "Catechismus oder christlicher Unterricht, wie der in Kirchen und Schulen der Churfürstlichen Pfalz getrieben wirdt" in eine zeitgemäßere Sprache zu übersetzen. Schließlich erklärt es den christlichen Glauben vor allem so, wie er in der Reformationszeit im 16. Jahrhundert verstanden wurde. Doch die 129 Fragen und Antworten erweisen sich weltweit als höchst lebendig. Der Heidelberger Katechismus gilt bis heute als das stärkstes "ökumenische Band der Reformierten in der Welt".