Herr Schmidt, wie lief das Rennen heute?
Johannes Schmidt: Mir war eigentlich von Anfang an klar, dass ich nicht die besten Chancen habe, weil ich heute gegen den absoluten Top-Favoriten Tom Aggar aus England antreten musste. Deshalb bin ich auch nicht das ganze Rennen über mit Vollgas gefahren, ich wollte keine Kräfte verpulvern. Noch dazu bin ich ein wenig gehandicapt – ich habe mir auf dem Flug hierher eine kleine Mittelohrentzündung eingefangen, die macht mir ein wenig zu schaffen. Ich hatte die ganze Woche über schon Kopfschmerzen und wusste nicht, wo die herkommen, das war so diffus. Aber ich war dann beim Arzt, der dann die Entzündung im rechten Ohr entdeckt hat, und das zieht in die Nebenhöhlen. Das ist ärgerlich, aber wenigstens weiß ich, wo die Kopfschmerzen herkommen. Jetzt kämpfe ich also nicht nur gegen die anderen Ruderer, sondern auch mit meinem Kopf, der brummt ziemlich. Die Chancen, mich morgen für das Finale zu qualifizieren, sind demnach nicht unbedingt besser geworden. Aber: Auch wenn das sportlich nicht so klappen sollte, es macht trotzdem wahnsinnig viel Spaß hier dabei zu sein.
"Es war absolut fantastisch!"
Wie haben Sie das Rennen erlebt?
Schmidt: Das war Wahnsinn, so viele Leute waren da! Es ging schon vor dem Start schon los: Wenn man auf die Bahn fährt, kommt man an den Tribünen schon vorbei. "Go, go!“ haben sie geschrien, das war so ein Lärm, dass ich am Ende des Laufs die Zielhupe gar nicht gehört habe. 11.000 Zuschauer waren wohl da, ausverkauft, habe ich gehört. Absolut fantastisch war das! Meine Familie und meine Freundin waren auch da – das hat mir natürlich Kraft gegeben. Und vom Wetter her war es optimal: Angenehme Temperaturen und ein Wind, der schneller gemacht hat.
Und waren Sie sehr nervös?
Schmidt: Ehrlich gesagt dachte ich, es würde schlimmer werden. Bei der Weltmeisterschaft im letzten Jahr und vor der Olympia-Qualifikationsregatta hatte ich schon ziemliches Herzklopfen vor dem Start. Natürlich war ich auch heute aufgeregt und auch angespannt, aber nicht so, dass es mich beeinträchtigt hätte. Vielleicht war es so, weil die Teilnahme bei den Paralympics an sich schon so ein Höhepunkt für mich ist. Ich selber überrascht, dass meine Nervosität nicht so schlimm war.
"Wer zu Olympia fährt wegen des Preisgeldes, der macht etwas falsch."
Wie finden Sie es, dass die Spiele in Olympia und Paralympics aufgeteilt sind?
Schmidt: Ich kenne es von internationalen Meisterschaften nur so, dass die Handycap-Disziplinen integriert sind. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits bilden alle eine Nationalmannschaft, ohne Unterschiede. Andererseits sind die Handycap-Regatten in der Regel nur halb so lang wie die anderen – 1.000 Meter statt 2.000 Metter – und enden oftmals mitten auf der normalen Regatta-Strecke, ohne Zuschauerkontakt, das ist dann schon schade. Das war heute schon sehr beeindruckend an der vollbesetzten Tribüne entlang zu fahren.
Johannes Schmidt bei den Paralympics. Foto: privat.
Aber vermutlich wäre es organisatorisch überhaupt nicht möglich, die Paralympics in die Olympischen Spiele zu integrieren. Die aktuelle Diskussion um die verschieden hohen Preisgelder bei Olympia und den Paralympics habe ich jetzt nicht ganz verfolgt. Aber ich kann klar sagen: Ein Preisgeld steht bei mir nicht im Vordergrund. Mir geht es um diese einmalige Erfahrung. Jemand, der hier her kommt wegen des Preisgeldes, der macht etwas falsch, finde ich.
Morgen Vormittag geht es dann in den Hoffnungslauf. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie daran denken?
Schmidt: Gerade bin eigentlich ganz entspannt, die Stimmung ist recht gelöst. Ich habe das jetzt sowieso nicht mehr in der Hand. Dass ich nicht ganz fit bin, kann ich jetzt nicht ändern. Und dass es schwer wird morgen, das steht außer Frage. Laut Wettervorhersage soll es Seitenwind geben, das würde zu Nachteilen für die äußeren Bahnen führen. Wenn das so kommt, dann bin ich auf einer sehr ungünstigen Bahn. Das war auch so beim letzten Finaltag der Olympischen Spiele. Da war es dann so, dass die Boote auf diesen Bahnen überhaupt keine Chance hatten ins Geschehen einzugreifen. Aber das werden wir sehen.
Ihr Boot heißt "London Calling“ – falls es morgen nicht so gut laufen sollte, benennen Sie es dann um?
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Schmidt: (lacht) Nein. Sollte ich morgen rausfliegen, dann war es, wie es war. Am Sonntag fahre ich dann um die Plätze sieben bis zwölf und konnte trotzdem für mich diese Erfahrung mitnehmen – ich war bei Olympia! Es hat bisher großen Spaß gemacht und die nächsten zwei Tage werden sicher auch toll, wenn die Tribüne noch voller ist. Im Herbst werde ich mir dann überlegen: Soll ich meinen ursprünglichen Plan – Sport nur noch als Zuschauer – umsetzen? Oder soll ich auf meinen Trainer hören und weiter trainieren, um irgendwann vielleicht weiter vorne anzugreifen? Wir werden sehen.