Foto: dpa/Angelika Warmuth
500 Menschen demonstrierten an Ostern 2012 in der Hamburger Innenstadt gegen das Todesurteil, das über Pastor Youcef Nadarkhani verhängt wurde.
Dauerbaustelle Religionsfreiheit im Iran
Über die Weihnachtsfeiertage sorgte eine Meldung aus der Islamischen Republik Iran erneut für große Bestürzung. Der protestantische Pastor Youcef Nadarkhani wurde ein weiteres Mal in seiner Heimatstadt Rascht festgenommen, kam vor kurzem jedoch wieder auf freien Fuß. Es sind nicht nur die Christen, die Repressalien im Iran erleben: Auch die Lage der Bahá’í, deren Religionsgründer im Iran geboren wurde, hat sich rapide verschlechtert. Jeder, der anders denkt und glaubt, als das Regime in Teheran es vorschreibt, lebt gefährlich.

Pastor Youcef Nadarkhani wurde bereits im Oktober 2009 in Haft genommen und von den iranischen Gerichten wegen Apostasie mit dem Todesurteil belegt. Erst internationaler Druck trug mit dazu bei, dass das Urteil gegen den Iraner, der schon früh in seinem Leben zum Christentum konvertiert war, auf eine dreijährige Haftstrafe reduziert wurde und er schließlich im September 2012 das Gefängnis verlassen konnte.

Die öffentliche Wahrnehmung mag auch diesmal dazu geführt haben, dass seine Haft über Weihnachten nur vergleichsweise kurz war. Angeblich hätte der zweifache Familienvater seine dreijährige Haftstrafe noch nicht gänzlich abgesessen, hieß es. CDU-Generalsekretär Herman Gröhe wandte sich prompt an den iranischen Botschafter in Berlin.

"Missachtung des christlichen Glaubens"

"Dieses Vorgehen muss nicht nur von Herrn Nadarkhani, sondern von Christinnen und Christen weltweit als bewusste Missachtung ihres Glaubens verstanden werden", zitierte die Tageszeitung Die Welt aus seinem Protestbrief. Der Fall Naderkhani ist beispielhaft für die Willkür des iranischen Rechtssystems und insbesondere für den Umgang mit religiösen Minderheiten.

Am Beginn seines Falles stand der Protest gegen den islamischen Zwangsunterricht seiner eigenen schulpflichtigen Kinder, wogegen die iranische Verfassung den anerkannten religiösen Minderheiten Unterricht in ihrer eigenen Religion zugesteht. Nadarkhanis öffentliche Beschwerde führte zu seiner Verhaftung, aber erst im Laufe des Verfahrens kam es zur folgenreichen Anklage der Apostasie. Diese wurde nach internationalen Protesten schließlich im September vergangenen Jahres fallengelassen.

Recht auf Religionsfreiheit

Stattdessen wurde ihm wegen des Versuchs der Missionierung unter Muslimen eine dreijährige Haft verordnet, die er zu diesem Zeitpunkt bereits abgesessen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Youcef Nadarkhani entgegen den Erwartungen der iranischen Machthaber längst zu einer Symbolfigur für den Kampf für das Recht auf Religionsfreiheit im Iran geworden.

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Immer wieder wird von Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit berichtet. Dabei betreffen willkürliche Verhaftungen, konstruierte Anklagen sowie systematische Folter in Haft nicht nur die "neuen Christen". So nennen sich die zumeist evangelikalen Hauskirchenmitglieder selbst und unterscheiden sich damit von den alteingesessen christlichen Armeniern, Assyriern oder Chaldäern, die sogar Sitze im iranischen Nationalparlament inne haben.

Die desolate Menschenrechtslage betrifft im Grundsatz jeden Iraner, der nicht in das enge Schema der gegenwärtigen Staatsdoktrin der Islamischen Republik passt. Dazu zählen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen, unabhängige Journalisten und Blogger - und eben auch Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten.

Die Liste der Verstöße gegen internationale Menschenrechtsverträge ist lang. Bezeichnend ist, dass der Iran der erste Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen war, für den der UN-Menschenrechtsrat in Genf nach längerer Abstinenz wieder einen Länder-Sonderberichterstatter einführte. Dies ist seit 2011 der ehemalige Außenminister der Malediven, Dr. Ahmed Shaheed. Seine regelmäßigen Berichte beschreiben eine systematische Missachtung der völkerrechtlichen Verpflichtungen und ein Mangel an Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen auf Seiten der iranischen Regierung. Auch die jährlichen Berichte des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon an die UNO-Vollversammlung in New York zeugen davon. 

Traurige Prominenz: Die Bahá’í sind die am meisten verfolgte Religion im Iran.

Regelmäßig Beachtung in den Menschenrechtsberichten erhalten vor allem die iranischen Bahá’í. Sie stellen zwar mit mehreren Hunderttausend Anhängern die größte religiöse Minderheit des Iran dar, doch fallen sie als nachkoranische Religionsgemeinschaft aus dem engen Religionsverständnis des schiitischen Islams heraus, der in Artikel 13 der Verfassung nur Christen, Juden und Zoroastrier als schützenswerte religiöse Minderheiten anerkennt. Somit gehört diese monotheistische Offenbarungsreligion, die im 19. Jahrhundert gestiftet wurde, nicht dazu.

Die vergleichsweisen modernen Lehren ihres Gründers Bahá’u’llás (1817-1892) tun ein Übriges, um die Bahá’í wahlweise als Agenten des Westens oder Spione Israels verdächtig zu machen. Ins damalige osmanische Akka, im heutigen Israel gelegen, wurde Bahá’u’lláh in den 1860er Jahren verbannt, und dort liegt er auch begraben. In Haifa befindet sich heute das Weltzentrum der schätzungsweise sieben Millionen Bahá’í weltweit.

Großer und Kleiner Satan

Während die USA und Israel seit Jahrzehnten ritualisiert öffentlich als Großer und Kleiner Satan gebrandmarkt werden, sind es vor allem diese besonderen, der Historie geschuldeten Beziehungen zu Israel, welche die Bahá’í zu Feinden im eigenen Land machen. Ihre Existenz ist im Iran ein Tabu. Den Angaben der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zufolge sind derzeit 116 Bahá’í in Haft, darunter die sieben ehemaligen Mitglieder der iranischen Bahá’í-Führung. Sie wurden im August 2010 zu je 20 Jahren Haft verurteilt.

Und wie im Fall Nadarkhani entbehren die Prozesse gegen die Bahá’í jeglicher rechtsstaatlicher Grundlage. Selbst ihr Anwalt, der Preisträger des Nürnberger Menschenrechtspreises 2009, Abdolfattah Soltani, wurde zu 18 Jahren Haft und anschließendem Berufsverbot für 20 Jahre verurteilt.

Dämonisierung der Bahá’í

Systematisch betreiben die Behörden in den Medien eine Kampagne der Dämonisierung der Bahá’í und schrecken auch nicht davor zurück, selbst in den Schulen Kinder zu drangsalieren und notfalls auszusperren. All das ist gut dokumentiert.

Momentan lässt sich die "schleichende Strangulierung" der iranischen Bahá’í insbesondere in der Stadt Semnan im Norden des Landes beobachten. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, zeigte sich sehr besorgt insbesondere über die Nachrichten von dort, etwa 200 Kilometer von Teheran entfernt.

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"Trotz einer Vielzahl internationaler Appelle und Proteste erleben die iranischen Bahá’í eine Verschärfung der Repressionen durch das iranische Regime", erklärte er. "Anschläge, Verhaftungen und gezielte Einschüchterungen von Angehörigen der Bahá’í sind ebenso wenig hinnehmbar wie die willkürliche Schließung von Geschäften und die Exmatrikulation aus iranischen Universitäten."

Iran verstoße damit gegen grundlegende Prinzipien der Religionsfreiheit, zu deren Einhaltung sich Iran unter anderem durch die Unterzeichnung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet habe, so Löning weiter.

Alles muss dokumentiert werden

Doch was folgt daraus? Sanktionsmöglichkeiten sieht das internationale Menschenrechtsschutzsystem nicht vor, wenn auch die Europäische Union wie die Vereinigten Staaten Listen führen, mit denen zumindest einige Hauptakteure der Menschenrechtsverletzungen aus dem Iran mit einem Einreiseverbot, dem Einfrieren ihres Vermögens und anderen Sanktionen belegt werden.

Und das ist vielleicht die derzeit einzige Waffe des internationalen Menschenrechtsschutzes: die akribische Dokumentation der Verletzungen. Das Wissen um Namen, Zeiten und Orte der Geschehnisse - gewiss auch der Opfer wegen, aber vielmehr um der Täter willen. Was irgendwo in der iranischen Provinz, sei es in Rascht oder in Semnan, heute an Unrecht passiert, kann schon morgen für Empörung in aller Welt sorgen, allen Bemühungen der Regierung zum Trotz, ein zensiertes „Halal“-Internet auf nationaler Ebene aufzubauen.

Schließlich es soll auch noch Iraner geben, denen der Ruf ihrer Kulturnation nicht gleichgültig ist. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag auch im Wahljahr 2013 ihre Stimmen für mehr Religionsfreiheit für alle aus religiösen Gründen Verfolgte erheben - nicht nur für verfolgte Christen wie Youcef Nadarkhani im Iran, aber eben auch für sie.