Wegen Krankheit in Rente: Dann droht Altersarmut
Foto: dpa/Marijan Murat
Wer wegen einer Krankheit in Rente geht, muss mit deutlich weniger Rente rechnen.
Durch Krankheit in Rente? Die Armut winkt
Wer wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr oder nur noch wenig arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Rente bei Erwerbsminderung. Aber diese Renten sinken, die Armut wächst. Die Politik verschleppt das Problem.
12.01.2013
epd
Bettina Markmeyer

Peter Gross ist einer von 1,1 Millionen in Deutschland. Er bezieht die sogenannte Erwerbsminderungsrente, weil er nicht mehr arbeiten kann. Es ist gut, dass es diese Rente gibt. Auch dem gelernten Installateur aus Essen hat sie geholfen. Aber sie ist zu niedrig. Man werde arm dabei, sagt der 62-Jährige. Die Gewerkschaften haben Alarm geschlagen. Die Rentenversicherung auch, aber die Politik droht das Problem zu verschleppen.

Nach einer Studie der Deutschen Rentenversicherung verschlechtert sich die soziale Lage der nicht mehr erwerbsfähigen Rentner stetig. Fast elf Prozent sind auf die Grundsicherung angewiesen, mehr als fünfmal soviel wie unter Rentnern insgesamt. Die Erwerbsminderungsrenten sind seit 2001 im Durchschnitt von 676 auf 596 Euro im Monat gesunken.

Zehn Jahre Arbeit trotz Krankheit

Peter Gross bezieht inzwischen seine Altersrente. Die Abschläge sind hoch, insgesamt 18 Prozent. Knapp elf Prozent werden ihm wegen seiner Erwerbsminderung abgezogen, der Rest, weil er schon mit 60 Jahren in Rente gehen musste. Er hat 1.104 Euro im Monat.

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Ohne den schicksalhaften Arbeitsunfall hätte er versucht, "bis zur Rente voll durchzuziehen", sagt Gross. "Ich war ja ein gefragter Mann. Früher ging es uns gut." Stattdessen folgten zehn Jahre mit der Erwerbsminderungsrente und Jobs als Staplerfahrer, am LKW-Steuer und als Messebauer. Er arbeitete trotz seiner Schmerzen, "hier ein paar Stunden, da ein paar Stunden. Das ging", sagt er.

Er strengte sich an, obwohl ihm immer wieder die Hände taub werden. Vier Halswirbel sind kaputt. Gross hat Angst vor Lähmungen, "dass es eines Tages 'knack' sagt, und das war's". Nach dem Unfall im Jahr 2000 konnte er beide Arme nicht mehr bewegen. Auf einer Baustelle war eine schwierige Bohrung schiefgegangen. Gross hatte es dabei zweimal um eine Rohrleitung herumgerissen. Er wurde schwer verletzt.

35 Jahre Arbeit lagen damals schon hinter ihm, zahllose Zusatz-Schichten, wachsende Verantwortung. Als Bauleiter bei den Essener Stadtwerken hatte er zeitweilig 70 Leuten unter sich. Dann, mit 50, der Unfall. Krankenhaus, Reha, Rentenantrag.

"Hier und da ein paar Stunden" reichen nicht

Jeder fünfte Neurentner muss aus gesundheitlichen Gründen aus dem Berufsleben ausscheiden. In den Bauberufen ist die Quote fast doppelt so hoch. Peter Gross bezog als teilweise Erwerbsgeminderter eine Rente von monatlich 504, später 530 Euro. Ein nachlässiger Arzt hatte ihm starke Zerrungen bescheinigt, weiter nichts. Das reichte der Berufsgenossenschaft, um zu behaupten, seine Leiden seien nicht Folge des Arbeitsunfalls, sondern Verschleiß. Er ging lange dagegen an. Aber auch ärztliche Zweit- und Drittgutachten hatten keinen Erfolg. Außer der Rente wegen Erwerbsminderung bekam er keinen Cent.

Derselbe Arzt hatte ihm bescheinigt, er schaffe noch sechs Stunden Arbeit am Tag. Weil er das aber wegen der Lähmungsgefahr nicht konnte, musste er Hartz-IV-Leistungen beantragen. "Hier ein paar Stunden, da ein paar Stunden" reichten eben nicht, zumal seine Frau arbeitslos wurde.

Im Rentenpaket der Bundesregierung ist eine stufenweise Erhöhung der Renten wegen Erwerbsminderung vorgesehen. Sie wird sich laut Rentenversicherung am Ende, im Jahr 2024, mit durchschnittlich 40 Euro im Monat auswirken.

Den Rentenstreit nicht auf dem Rücken der Kranken austragen

Aber nicht einmal das ist sicher. Die Erhöhung ist zwar in der Koalition unstrittig, aber sie ist abhängig vom Ausgang des Koalitionsstreits um das Rentenpaket. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will ihr Lieblingsprojekt, die sogenannte Lebensleistungsrente, gegen den Widerstand der FDP und nun auch der CSU durchboxen. Deshalb hat sie sie mit den unstrittigen Vorhaben verknüpft und will beides nur im Paket beschließen lassen.

Die Spitze der Deutschen Rentenversicherung sieht das mit Besorgnis. Direktor Axel Reimann sagt, die Lage der Erwerbsminderungsrentner müsse verbessert werden. Sie hätten ein "erhöhtes Armutsrisiko". Der Präsident der Rentenversicherung, Herbert Rische, hat die Koalition aufgefordert, das auch dann zu tun, wenn das Rentenpaket an der Lebensleistungsrente scheitern sollte.

Für Peter Gross kommt das alles zu spät. Verbittert ist er nicht, aber gerecht behandelt fühlt er sich auch nicht: Jahrzehntelange, schwere Arbeit hat sich für ihn als Rentner nicht ausgezahlt.