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TV-Tipp des Tages: "Haltet die Welt an" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Haltet die Welt an", 7. September, 20.15 Uhr im Ersten
Das frühwinterlich triste Niedersachsen mit seinen Nebelschwaden und seiner Farb- und Trostlosigkeit, die sich auch in Kleidung und Gesichtern widerspiegelt, ist ein angemessen düsterer Schauplatz für eine Handlung, die sich in einem fürchterlichen Satz zusammenfassen lasst: Der achtjährige Tobias wird nie wieder nach Hause kommen; der Alptraum aller Eltern.

Dieser Film macht nicht einen Moment lang einen Hehl daraus, dass seine zutiefst traurige Geschichte bis zum Schluss keine Erlösung bereit hält. Das frühwinterlich triste Niedersachsen mit seinen Nebelschwaden und seiner Farb- und Trostlosigkeit, die sich auch in Kleidung und Gesichtern widerspiegelt, ist ein angemessen düsterer Schauplatz für eine Handlung, die sich in einem fürchterlichen Satz zusammenfassen lasst: Der achtjährige Tobias wird nie wieder nach Hause kommen; der Alptraum aller Eltern.

Hartmut Griesmayrs Film ist nach dem Buch "Und trotzdem lebe ich weiter" entstanden; Anja Wille hat darin ihre Erlebnisse beschrieben, nachdem ihr Sohn Felix verschwunden war. Annette Hess ("Die Frau vom Checkpoint Charlie", "Eine Frage des Vertrauens") hat daraus ein Drehbuch gemacht, das sich mit viel Sensibilität der mütterlichen Gefühlswelt annimmt. Selbst der andernorts mitunter unerträgliche Hang Christines Neubauer zur Melodramatik stört hier kaum, zumal sie den seelischen Verfall sehr überzeugend verkörpert.

Tiefe Gefühle lassen sich nicht mit Dienstende ablegen

Naturgemäß konzentriert sich der Film auf die Mutter, die hier Katja Winzer heißt, doch Hess ergänzt die Handlung um eine weitere ganz wesentliche Figur: Filip Peeters spielt einen Ermittler, der sich dank seiner Ausbildung in psychologischer Opferbetreuung der Frau annimmt. Der Polizist entspricht in keiner Weise dem üblichen Klischee des Fernsehkommissars: Sobald Roman Maartens mit seinem Latein am Ende ist, weil allen Hinweisen nachgegangen worden ist, jedes Waldstück durchgekämmt, jeder Tümpel und jeder Graben durchsucht ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Katjas tiefe Trauer zu teilen. Da sich solche Gefühle selbstredend nicht mit Dienstende ablegen lassen wie eine Uniform, leidet auch Maartens’ Familie unter dem Fall.

Zum Glück ersparen es Hess und Griesmayr ihrem Publikum, der Mutter und dem Kommissar trotz der gegenseitigen Zuneigung eine Liebesgeschichte anzudichten; auch wenn ihre letzte Begegnung dem ziemlich nahe kommt. Aber ein Happy End hätte den Film nicht nur jeder Glaubwürdigkeit beraubt, es wäre auch einem Verrat an Roman Maartens gleichkommen. Es ist schon hart genug, dass die zweite männliche Hauptfigur geopfert wird: Martin Feifel spielt Jürgen, den Freund Katjas, einen arbeitslosen Tischler und Alkoholiker, der sich nach dem Verschwinden des Jungen und einer Job-Absage äußerlich und innerlich mehr und mehr gehen lässt. Die Beziehung endet endgültig, als Katja ihn verdächtigt, etwas mit Tobias’ Verschwinden zu tun zu haben. Als Maartens’ Kollegen einem Hinweis Katjas nachgeht, entdecken sie, dass Jürgen regelmäßig eine Website für Päderasten besucht.

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Griesmayrs Film zeichnet sich vor allem durch seine Schonungslosigkeit aus. Das zermürbende Warten zu Beginn, als Tobias nicht heimkehrt; die Suche mit Hunderten von Helfern; die wachsende Gewissheit der Polizei, dass für den Jungen jede Hilfe zu spät kommt; der trotzige Widerspruch der Mutter, die das Schicksal nicht wahrhaben will: All das schildern Buch und Regie schmerzhaft realitätsnah. Gleiches gilt für die überaus lebensnah wirkenden Figuren, die aus der Nachbarschaft stammen könnten. Dazu passt dann auch, dass die Polizisten (neben Peeters noch Jürgen Heinrich und Thorsten Merten) ebenfalls nur Menschen sind.