Bibliotheca Hertziana in Rom
Foto: epd-bild/Andreas Muhs
Die Bibliotheca Hertziana eröffnet den Neubau ihrer Kunstbibliothek in der Altstadt von Rom.
Frei schwebend über den Gärten des Lukullus
Nach zwölf Jahren Bau öffnet die Bibliotheca Hertziana in Rom wieder für Forscher. Durch ein Höllenmaul als Portal geht es in das wichtigste Forschungsinstitut zur italienischen Kunstgeschichte - fünf Etagen, die über antiken Ausgrabungen schweben.
15.01.2013
epd
Bettina Gabbe

Sie steht im Herzen Roms: Oberhalb der Spanischen Treppe errichtete die Bibliotheca Hertziana an der Stelle eines Vorgängerbaus aus den 60er Jahren eine neue Unterkunft für ihre Bestände über italienische Kunstgeschichte, die bei Forschern in aller Welt begehrt sind. Die Spezialbibliothek, getragen von der Max-Planck-Gesellschaft, umfasst rund 270.000 Bände. Zwölf Jahre hat der Bau gedauert, der an den historischen Palazzo Zuccari angrenzt. Am 15. Januar wird nun der Neubau eröffnet.

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Der spanische Architekt Juan Navarro Baldeweg errichtete Galerien um einen Lichthof, die nach oben schmaler werden und viel Licht einlassen. Damit nimmt er das Terrassensystem der Gärten des Lukullus auf: Überreste der Villa des römischen Feldherrn und Feinschmeckers aus der Antike fanden sich bei den Bauarbeiten.

Da der Neubau nicht auf den antiken Gebäuderesten ruhen durfte, wurde eine frei über dem Boden schwebende Konstruktion entwickelt. Die Stabilität garantieren 150 am Rand des Grundstücks bis zu 30 Meter tief ins Erdreich getriebene Mikropfähle. Die Mehrkosten für den aufwendigen Neubau seien "nicht von Pappe" gewesen, gesteht Verwaltungschefin Brigitte Secchi ein. Insgesamt kostete der Neubau 20 Millionen Euro.

Sechs Buchkilometer

Das heutige Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte geht auf eine Stiftung der jüdischen Mäzenin Henriette Hertz (1846-1913) zurück, die den Palazzo und das Stiftungsguthaben der Bibliothek 1913 der damaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vermachte. Geleitet wird das Institut heute von Elisabeth Kieven und Sybille Ebert-Schifferer.

Sechs Buchkilometer seien in die neuen Räumlichkeiten umgezogen, sagt Kunsthistorikerin Kieven. "Ich freue mich, wenn man von der Vergangenheit in die Gegenwart schreiten kann", ergänzt sie mit Blick auf den Übergang vom Palazzo des römischen Malers Federico Zuccari mit seinen aufwendig restaurierten Fresken in den Bibliotheksneubau.

An diesem Ort sei bereits zu Lukullus Zeiten über Kunst nachgedacht worden, schwärmt der Leiter der Bibliothek, Andreas Thielemann. Denn der Feldherr habe eine der ersten öffentlichen Bibliotheken eingerichtet.

Stilisiertes Löwenmaul

Als die Mäzenin Henriette Hertz im Palazzo Zuccari des gleichnamigen Malers einen internationalen Salon eröffnete, blickte das Gebäude bereits auf eine Tradition der Kunstförderung zurück. Zuccari ließ den Palazzo Ende des 16. Jahrhunderts nicht nur für sich bauen, sondern bot dort auch Künstlern Zimmer an, um sie zu einem geregelten Lebensstil und zum Studium zu animieren. Durch das stilisierte Löwenmaul, hinter dem sich heute der Bibliotheksneubau verbirgt, betrat er seinen Garten. Im Palazzo selbst sollen Fresken den Besucher daran erinnern, dass Tugend und der Kampf gegen Laster Voraussetzung für künstlerisches Schaffen sei.

Große Vorbilder wurden bemüht: Im Herkuleskorridor sieht man neben Bildern des griechischen Helden Darstellungen von Platon, Sokrates und Aristoteles. Dass es Zuccari trotz erbaulicher Aufforderungen zu Mäßigung und Weisheit nicht an Humor mangelte, demonstrieren Affen und Papageien, die den Blick des Betrachters neugierig von der Gewölbedecke aus erwidern.

800.000 Bilder

Bevor die Kunstsammlerin Henriette Hertz ihren Salon im Palazzo Zuccari eröffnete, entstanden dort im Auftrag der Witwe eines polnischen Königs Bühnenprospekte für Opern. Der Italien-Reisende Johann Wolfgang von Goethe besuchte hier Johann Friedrich Reiffenstein, der Rom-Besucher in die Ateliers deutscher Künstler führte.

Während des Ersten Weltkriegs bis 1920 vom italienischen Staat konfisziert, geriet die Bibliotheca Hertziana im Zweiten Weltkrieg unter den Einfluss der NSDAP, die eine eigene Forschungsabteilung mit dem eher politischen als wissenschaftlichen Auftrag der Vermittlung deutscher Kultur gründete. Sie wurde nach Kriegsende wieder aufgelöst.

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Wer sich heute von der Forschung in der Handbibliothek oder der Fotothek des Instituts mit seinen 800.000 Bildern ausruhen möchte, genießt auf dem Dach der neuen Bibliothek einen atemberaubenden Blick über die römische Altstadt. Und auf dem angrenzenden Dach des Palazzo Zuccari steht eine Nachbildung der Gartenlaube, in der einst Henriette Hertz warme Sommerabende verbrachte.